Indien vor den Wahlen: Modi ohne Mehrheit?
Umfragen stellen dem BJP-Bündnis Verluste in Aussicht
Am 2. Juni endet die Legislaturperiode der Lok Sabha ("Volksversammlung"), der Ersten Kammer des indischen Parlaments. Bis dahin müssen neue Abgeordnete gewählt sein. Damit das problemlos klappt, gehen Beobachter davon aus, dass die Wahlen dazu im nächsten Monat beginnen. Die letzten fanden zwischen dem 7. April und 12. Mai 2014 statt.
In den Umfragen aus den letzten Monaten kommt das regierende Bündnis NDA ("Nationale Demokratische Allianz") zwar auf 225 bis 261 Sitze im bis zu 552 Abgeordnete fassenden Unterhaus, verliert aber seine 2014 gewonnene absolute Mehrheit. Die NDA wird von der Hindupartei Bharatiya Janata Parti angeführt, besteht aber aus insgesamt 40 Parteien, von denen aktuell elf über mindestens einen Sitz im Unterhaus verfügen. Die wichtigsten davon sind die tamilische Regionalpartei Desiya Murpokku Dravida Kazhagam (DMDK), die vor allem in in Bihar and Jharkhand präsente Janata Dal (JD), die pandschabische Sikh-Partei Shiromani Akali Dal (SAD) und die Hindu-Regionalpartei Shiv Sena aus dem Bundesstaat Maharashtra.
Bargeldentwertung und Mehrwertsteuerreform
Das andere große Bündnis, die UPA ("Vereinigte Progressive Allianz"), das den Umfragen nach Chancen auf 146 bis 171 Sitze hat, wird von der vor 2014 regierenden Kongresspartei angeführt. Von den 28 Mitgliedsparteien der UPA verfügen aktuell sieben über Parlamentssitze, darunter die 1999 im Streit um die damalige Kongressparteiführerin Sonia Ghandi abgespaltene Nationalistische Kongresspartei (NCP), die Rashtriya Janata Dal (RJD) aus Bihar, die tamilische Dravida Munnetra Kazhagam (DMK) und die Indian Union Muslim League (IUML) aus Kerala. Parteien, die keinem dieser beiden Lager angehören, können im indischen Vielvölkerstaat mit seinem Mehrheitswahlrecht mit 125 bis 163 Sitzen rechnen und würden damit das Zünglein an der Waage spielen, wenn die Wahl so ausgeht, wie es die Umfrageinstitute VDP, VMR, ABP und Karvy für möglich halten. Zwölf dieser Parteien haben sich am 19. Januar zum Bündnis Mahagathbandhan zusammengeschlossen, das eine "Dritte Front" bilden soll.
Premierminister Narendra Modis BJP, für die es bis 2017 in Regionalwahlen relativ gut lief, musste bereits im letzten Jahr unerwartete Abstürze in Rajasthan und Chhattisgarh hinnehmen - zwei Bundesstaaten, in denen sie vorher ausgesprochen stark war. Als mögliche Ursachen dafür bieten sich unter anderem eine im Hauruck-Verfahren durchgeführte Bargeldentwertung (die allerdings schon 2016 stattfand - vgl. Indien: Es trifft weiter die kleinen Fische) und eine eher bedingt geglückte Mehrwertsteuerreform an (vgl. Indien: Modis zweiter großer Crash).
Ordentliches Wirtschaftswachstum, islamischer Extremismus, Rüstungskorruptionsvorwürfe und Rindfleisch
Das Wirtschaftswachstum Indiens sieht mit 7,36 Prozent auf den ersten Blick im Vergleich zu Deutschland recht ordentlich aus, liegt jedoch leicht unterhalb der Raten, die Modis Vorgängerregierungen in den Nuller Jahren erzielten. Das Bruttoinlandsprodukt wird zwar als Gesamtsumme bald das französische übersteigen, ist aber pro Kopf viel niedriger - nicht zuletzt auch deshalb, weil die indische Geburtenrate in den letzten Jahrzehnten viel höher war.
Ebenfalls nicht so erfolgreich wie vor der Wahl 2014 in Aussicht gestellt war die BJP im Kampf gegen den islamischen Extremismus (vgl. Indien: Handabhacker zu Gefängnisstrafen verurteilt). Eine für viele Beobachter überraschende Koalition der Hindupartei mit der moderaten Moslempartei JKPDP in Jammu und Kaschmir scheiterte 2018, und ein Terroranschlag der islamistischen JEM in diesem Bundesstaat führte im Februar zu einer militärischen Auseinandersetzung zwischen Indien und Pakistan, von der noch offen ist, ob sie Modi eher schaden oder nutzen wird. Eher geschadet hat ihm der Kauf von französischen Rafale-Flugzeugen für die indische Luftwaffe (vgl. Später Erfolg für einen Ladenhüter), der den Ruch der Korruption nicht loswurde.
Mehr Schlagzeilen als mit dem Kampf gegen gewaltbereite Islamisten produzierte die BJP mit dem Kampf gegen Rindfleisch. Der religiös aufgeladene Streit darum betraf nicht nur Moslems, die sich über Behördenmobbing von Restaurants und Händlern beklagten (vgl. Indien: Zwangsvegetarismus und "Food Fascism"), sondern auch Dalits ("Unberührbare"), die traditionell für die Beseitigung von Kuhkadavern zuständig sind, welche auf den Straßen verrotten (vgl. Indien: Streik der "Unberührbaren").
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