Information und Quantenphysik

Erkenntnistheoretische Überlegungen zur Bedeutung der quantenteleportativen "Übertragung" der Information

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Bei der prominent durch Anton Zeilinger vom Institut für Experimentalphysik der Universität Wien vorangetriebenen Diskussion über Anwendungsmöglichkeiten der Erkenntnisse der Quantenphysik spielt der Begriff, in einem weiteren Sinne das Konzept oder eine Theorie der Information eine entscheidende Rolle ("Es stellt sich letztlich heraus, dass Information ein wesentlicher Grundbaustein der Welt ist"). Dabei stehen brisante technologische Entwicklungen wie Quantenkryptologie, Quantenteleportation oder schnelle Informationsverarbeitung durch Quantencomputer in Aussicht.

Veranschaulichung des Experiments zur Quantenteleportation. Bild: Institute for Experimental Physics · University of Vienna

Die Theorie der Quantenphysik ist in den letzten Jahrzehnten in methodisch raffiniert ausgearbeiteten empirischen Experimenten immer wieder eindrucksvoll geprüft worden (Durchbruch in der Quantenphysik, Quantenfluss unter der Donau). Sie muss als eine der am besten empirisch bestätigten und erfolgreichsten physikalischen Theorien der Neuzeit gelten, nicht zuletzt durch erfolgreiche technische Anwendungen, wie Laser. Der Diskussionen um mögliche Anwendungen, die die neueren quantenmechanischen Experimente nahe legen (Der Traum vom "Beamen"), ist allerdings eine gewisse Naivität in Bezug auf eine der Quantenphysik zu Grunde liegenden Informationstheorie nicht abzusprechen.

Das vielfach experimentell bestätigte Phänomen der „Verschränkung“ stellt, genauso wie der quantenmechanische Effekt der Superposition (Stabile Schrödinger-Katzen), das klassische (Newton’sche) Konzept einer gleichsam „punktförmigen“, eineindeutigen Lokalität von Ereignissen oder Entitäten in Frage. „Verschränkte“ Elementarteilchen, etwa Photonen, können auch dann noch in instantaner, also zeitlich nicht verzögerter „Wechselwirkung“ stehen, wenn sie „räumlich“ voneinander „getrennt“ sind. Selbst die Lichtgeschwindigkeit wirkt nicht begrenzend; Einstein sprach deshalb von „spukhafter Fernwirkung“. Ungeachtet dieses vielfach bestätigten quantenmechanischen Effekts wird bei der Diskussion um mögliche Quantenteleportationen die klassische Sichtweise offenbar vorbehaltlos angewendet: Es geht hier darum, Information zu übertragen. Im Mikrokosmos der Quantenwelt ist Lokales aber gewissermaßen „verschmiert“. Die Sichtweise, dass hier Informationen „übertragen“ werden, ist deshalb höchst problematisch. Sie setzt nämlich die im Fall der Verschränkung von Elementarteilchen in der Quantenphysik gerade in Frage gestellte lokale Trennung der unterschiedlichen (?) Teilchen fraglos voraus. Oder anders ausgedrückt: Die Interpretation, dass nicht eine Donau überschreitende quantenteleportative „Übertragung“ von Information zwischen zwei lokal getrennten Laboren, sondern die Konstruktion eines, demnach räumlich „verschmierten“ Labors gelungen ist, ist ebenso plausibel. Hier wäre fragwürdig, von einer gelungenen „Informationsübertragung“ zu sprechen.

Probleme konventioneller Fassung von Information

Wenn von einer Übertragung von Informationen die Rede ist, ist das klassische Model der Kommunikation vorausgesetzt: Hier wird zwischen „Sendern“ und „Empfängern“ Information ausgetauscht oder eben (wechselseitig) übertragen. Deutlich zeigt sich diese klassische Sichtweise auf Information und Kommunikation im Bereich der Quantenphysik daran, dass Zeilinger seine Idee einer „Quantenteleportation“ anhand der Sender-Empfänger-Repräsentanten „Alice“ und „Bob“ veranschaulicht. Dies mag populärwissenschaftlichen Avancen geschuldet sein, ist jedoch irreführend, da der erkenntnistheoretische Problemhorizont der Quantenphysik notwendig macht, eine abstraktere konzeptionelle Fassung des Begriffs der Information bzw. Kommunikation zugrunde zu legen.

Die in klassischer Perspektive beobachtend strikt mögliche Trennung zwischen Erkenntnissubjekt und Erkenntnisobjekt wird durch die Quantenphysik in Frage gestellt. In der wissenschaftlichen Erfassung des Mikrokosmos scheint das (Mess-)Problem auf, dass sich die Ebene des Erkenntnissubjekts, des Empfängers von „objektiver“ Information, prinzipiell nicht mehr vom Erkenntnisobjekt trennen lässt. Die Ebenen sind auf elementarer Stufe miteinander verstrickt. Auf den Horizont dieser Phänomene bezogen sind Subjekt- und Objektseite sozusagen beidseits an elementare „Einheiten“ (Wellen oder Teilchen?) gebunden und lassen sich demnach kategorisch nicht mehr strikt trennen. Eben deshalb, so ist anzunehmen, kommt dem Begriff der Information möglicherweise eine entscheidende Rolle zu. Es ist ein Begriff, der in Abkehr vom cartesianischen Subjekt-Objekt-Dualismus möglicherweise den subjektiven und objektiven Phänomenbereich vereinigen und damit dem erkenntnistheoretischen Wissen, das die Quantenphysik generiert (hat), Rechnung tragen kann. Verbunden wäre damit eine Abkehr vom klassischen Modell einer Informationsübertragung, also dem Modell, das lokal strikt zu trennende Subjekte als Sender bzw. Empfänger voraussetzt.

Bei der Diskussion um mögliche technische Anwendungen der Quantenphysik (wie Quantenteleportationen) wäre es so gesehen nicht nur irreführend, sondern widersprüchlich, den Begriff der Information konzeptionell an räumlich streng zu trennende Individuen zu koppeln (in Zeilingers Beispiel „Alice“ und „Bob“). Die strikte räumliche Trennung zwischen „Alice“ und „Bob“ ist beim klassischen Informationsbegriff vorausgesetzt, um nur überhaupt sinnvoll von einer Übertragung von Information zu sprechen. Es ist demnach auf einen abstrakteren Begriff der Information zurückzugreifen, ein Konzept von Information in Unabhängigkeit von einer Koppelung an das Paradigma der Übertragung.

Information is a difference which makes a difference

In fact, what we mean by information – the elementary unit of information – is a difference which makes a difference.

Gregory Bateson Konzeption von Information ist in ihrer abstrakten Schlichtheit selbst schon klassisch zu nennen.

Information derart gefasst nimmt nicht vorweg, bezogen auf welche Referenzebene der Begriff zu verstehen ist. Es ist möglich, ihn auf soziale Systeme zu beziehen, also auf der Ebene der Operation von Kommunikation zu verstehen. Difference hier etwa: schlechtes Wetter, nicht schönes – which makes the difference: Ausflug morgen, nicht heute. Er ist aber auch problemlos auf der Ebene neuronaler Systeme anwendbar; z.B. difference, bezogen auf die synaptisch gekoppelten Neuronen A, B und C: Nur Neuron A feuert, nicht Neuron A und B – which makes the difference: Neuron C feuert nicht, statt zu feuern. Da mit der Quantenphysik die erkenntnistheoretische Problematik akut wird, ob Information einer objektiven Realität zugerechnet oder als subjektive Konstruktion verstanden werden muss, ist ein Informationsbegriff, der eine Entscheidung in dieser Hinsicht nicht vorwegnimmt, bei der Konstruktion von Theorien von hohem methodologischen Wert. Denn gerade an dieser Unsicherheit kristallisiert sich ja die Vielzahl von mehr oder minder plausiblen Interpretationen der Quantenmechanik, etwa die Kopenhagen Interpretation, die Bohmsche Interpretation oder die Viele-Welten Interpretation.

Die begriffliche Konzeption Batesons legt nicht nahe, dass es sich bei Informationen gleichsam um Essenzen oder Substanzen handeln müsste, die dann eben übertragbar wären. Vielmehr wird Information in dieser Fassung abstrakter Weise streng operativ, prozessualistisch und damit unabhängig von spezifischer Lokalität oder Substanz verstanden. Und somit auch unabhängig von einem, eine spezifische erkenntnistheoretische Sichtweise vorwegnehmenden referentiellem Bezug auf Subjekte als Sender bzw. Empfänger von Informationen. Dies ist insofern von methodologisch fruchtbarer Bedeutung, da durch die Quantenphysik ja gerade konventionelle erkenntnistheoretische Perspektiven in Frage gestellt werden. Im Sinne einer möglichen erkenntnistheoretischen Einsicht verbietet es sich deshalb bei der Interpretation eben jener durchaus befremdlichen quantenmechanischen Effekte wie der „Verschränkung“ vorschnell eine konventionelle Anschauung in erkenntnistheoretischer Hinsicht zugrunde zu legen. – Zeilinger etwa legt einen essentialistischen, an das Paradigma der Übertragung gekoppelten Begriff der Information nahe :

We […]suggest a principle of quantization of information as follows. An elementary system represents the truth value of one proposition. […] We now note that the truth value of a proposition can be represented by one bit of information with “true” being identified with the bit value “1” and “false” identified with the bit value “0”. Thus our principle becomes simply: An elementary system carries 1 bit of information.

Anton Zeilinger: (A Foundational Principle for Quantum Mechanics, S. 635

Es bleibt, nebenbei bemerkt, Zeilingers Geheimnis, warum ein „elementary system“ gerade den „truth value“ repräsentiert, ist doch „1 bit of information“ gerade durch die Differenz von „truth value“ (1) und „false value“ (0) bestimmt. Doch abgesehen davon ist eine essentialistische Fassung von Information, also eine Konzeption, die von Trägern von Information („elementary system“) und damit grundsätzlich von einer Informationsübertragung ausgeht, mit massiven Folgeproblemen vor allem in erkenntnistheoretischer Hinsicht verbunden. Wie gestaltet sich konkret der Übergang dieser als Essenzen oder Substanzen verstandenen Informationen vom Sender zum Empfänger? Ein Problem das geradewegs ins Zentrum des seit Jahrhunderten diskutierten Leib-Seele-Problems führt. Dieses kann als Folgeproblem des cartesianischen Dualismus verstanden werden, der eben durch die Ergebnisse der Quantenphysik in Frage gestellt wird und so gesehen einmal mehr Anlass bietet, von klassischen, auf dem Übertragungsparadigma basierenden Informationstheorien Abstand zu nehmen. Neuere biologisch-kybernetische Forschung gibt Anlass, von einer informativen Geschlossenheit neuronaler Systeme auszugehen, wie etwa Forschungen von Gerhard Roth zeigen. Neuronale Systeme könnten in diesem Zusammenhang in der Sichtweise klassischer Informationstheorie als Adressaten im Sinne von Sendern bzw. Empfängern in Frage kommen. Information wird aber in neuerer systemtheoretisch-kybernetischer Sichtweise auf der Basis systemeigener Operationen konstruiert, und damit durchaus im Einklang mit der Konzeption von Information nach Bateson. Das scheinbar fundamentale erkenntnistheoretische Problem, wie die zunächst und oberflächlich plausible Idee einer Übertragung von Information konkretisiert werden kann, wird damit obsolet. In der Ausarbeitung einer „Theorie sozialer Systeme“ durch den Soziologen Niklas Luhmann findet die Grundidee Batesons sicherlich auf derzeit differenzierteste und fruchtbarste Weise Anwendung.

Schon bei dem empirisch offensichtlichen und scheinbar trivialem Phänomen, dass die Informierung selbst dazu führt, dass Information gleichsam vernichtet wird – eine wiederholte Information ist keine Information mehr –, lässt sich theoretisch kaum mit einer essentialistischen Konzeption von Information fassen. Zwar könnte man hier auf Subjektivismen zurückgreifen – „Ach, das ist ja keine Information mehr, die ist alt, kenne ich schon, habe ich schon gehört“ –, aber eine derartige Plausibilisierung wäre ganz unabhängig von dem spezifischen essentialistischen Erklärungsmodell von Information zu verstehen und würde somit gerade auf seine Erklärungsschwäche verweisen. In Bezugnahme auf Zeilingers „elementary systems“ als Träger von genau „1 bit of information“ ist genanntes „triviale“ Phänomen kaum erklärbar. Warum sollte eine wiederholte Informierung (oder Informationsübertragung) die Wirkung einer Informationsvernichtung eben jener „elementary systems“ als Träger von Information zukommen?

Batesons begriffliche Fassung von Information ermöglicht hingegen sehr einfach, das Problem der Informationsvernichtung durch (wiederholte) Informierung theoretisch zu erfassen. Durch die wiederholte Informierung entsteht eine Differenz zwischen „Information“ und „Information (wiederholt)“, deren Charakteristikum eben ist, keine Differenz (mehr) zu machen und somit gemäß Batesons begrifflicher Definition nicht (mehr) als Information verstanden werden kann. Durch Wiederholung wird also eine Information (a difference which makes a difference) in eine Nicht-Information (a difference which makes NO difference (anymore)) verwandelt. Es spricht für die Fruchtbarkeit von Batesons Konzept der Information, dass es das alltägliche, gewöhnliche Phänomen, dass durch (wiederholte) Informierung gerade Information vernichtet wird, erklären kann. Es ist ein Phänomen, das in seiner Alltäglichkeit trivial erscheinen mag, jedoch sicher nicht auf triviale Weise theoretisch zu erfassen ist.

Resümee

Nimmt man die Erkenntnisse der Quantenphysik ernst, so müssen diese konsequenterweise auch Auswirkungen auf eine Theorie der Information oder das faktische Prozessieren von Information haben. Es sind dies Auswirkungen vor allem in erkenntnistheoretischer Hinsicht. Die Quantenmechanik legt mit der Möglichkeit der „Verschränkung“ von Elementarteilchen nahe, das für die klassische Physik gültige Prinzip einer eineindeutigen Lokalität von Entitäten grundsätzlich in Frage zu stellen. Etwa in Bezugnahme auf die idealtypische Form von „Massepunkten“ in der Newtonschen Physik. Bei der Diskussion etwa zur Quantenteleportation wird zwar das eine Lokalität von Einheiten grundsätzlich in Frage stellende Phänomen der „Verschränkung“ von Elementarteilchen zum Ausgangspunkt der Überlegungen genommen, bleibt in der weiteren Diskussion aber ohne konzeptionelle Wirkung auf die Fassung des Informationsbegriffs. Offenkundig wird dies, wenn das Phänomen der „Verschränkung“ zur quantenteleportativen Informationsübertragung nutzbar gemacht werden soll. Das Paradigma einer Übertragung von Information setzt aber voraus, dass hier unterschiedliche Ebenen (etwa „Alice“ und „Bob“ als Sender/Empfänger) Lokalität betreffend problemlos unterschieden werden können.

In der Abwesenheit einer Diskussion der Frage, ob das Zusammenbrechen des klassischen Paradigmas einer eineindeutig zugrunde zu legenden Lokalität von Entitäten durch die Theorie der Quantenmechanik nicht auch Auswirkungen auf eine Theorie der Information haben muss, zeigt sich zumindest ein mangelndes Problembewusstsein. Eine Konzeption von Information, die von deren Übertragung ausgeht, setzt schließlich eineindeutige räumliche Unterscheidungen (Sender – Empfänger) voraus. Dieser Mangel an Problembewusstsein wiegt umso schwerer, da die neueren Experimente zeigen, dass mit Auswirkungen nicht nur auf elementarer, sondern auch auf makroskopischer Ebene zu rechnen ist. Damit würde auch der Horizont von „Sendern“ und „Empfängern“ von Informationen erreicht.

Das Phänomen der Verschränkung, das in der Quantenphysik offensichtlich wird, kann also nahe legen, eine abstraktere Fassung des Informationsbegriffs zu Grunde zu legen, die vermeidet, Information implizit mit Lokalität (in Bezug auf „Sender“ und „Empfänger“) und Substantialität (in Bezugnahme auf „Träger“ von Information) zu verknüpfen. Batesons Konzept bietet gerade diese Vorteile. Der Informationsbegriff wird hier in Unabhängigkeit vom klassischen Paradigma einer „Übertragung“ verstanden und steht so im Einklang mit den oft befremdlichen Effekten der Quantenphysik. Ein Hauptteil dieses Befremdens wird von einem klassischen, an Sender und Empfänger gekoppelten Verständnis von Information verursacht, das nicht mehr zeitgemäß ist, jedenfalls offenbar nicht mehr in der Quantenphysik.