Internationalisierung des Katalonienkonflikts in die Schweiz

Sozialpädagogin und Rechtsprofessorin Anna Gabriel von der linksradikalen CUP vor dem Parlament in Barcelona. Bild: R. Streck

Die CUP-Anführerin Anna Gabriel hat sich nicht vom Obersten Gerichthof in Spanien vernehmen lassen und ist in die Schweiz gereist

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Es war längst kein Geheimnis mehr, dass die spanische Repression gegen katalanische Politiker ausgeweitet werden würde und dann auch die Anführerin der linksradikalen CUP, Anna Gabriel, ins Zielfernrohr rücken würde. Vor ihrer Vernehmung und möglichen Inhaftierung am gestrigen Mittwoch hat sie sich in die Schweiz begeben, um den katalanischen Konflikt weiter zu internationalisieren und um auf die undemokratischen Vorgänge im spanischen Staat hinzuweisen.

Der spanische Richter am Obersten Gerichtshof Pablo Llarena, der schon den Chef der Republikanischen Linken (ERC) Oriol Junqueras, den ehemaligen Innenminister Joaquin Forn und Jordi Sànchez und Jordi Cuixart inhaftiert hat und sie mit fadenscheinigen politischen Begründungen seit mehr als vier Monaten in Haft hält, hat nun einen Haftbefehl gegen Gabriel erlassen.

Der Haftbefehl gelte nur auf "nationaler" Ebene, lässt die spanische Justiz erklären. Llarena weiß, dass seine Vorwürfe wie Aufruhr, Rebellion und Volksverhetzung in einem Land mit unabhängigen Gerichten keine Erfolgsaussichten hätten. Auch spanische Verfassungsrechtler nennen sie "grotesk". Für eine solche Anklage, darin sind sich praktisch alle Juristen einig, ist Gewalt zwingend notwendig. Die ging in Katalonien bisher stets von Sicherheitskräften oder Unionisten aus, aber nicht von der Unabhängigkeitsbewegung.

In Belgien, wo der "legitime Regierungschef" Carles Puigdemont und vier der aus Spanien geschassten Minister weilen, musste Llarena seine Europäischen Haftbefehle zurückziehen, bevor sie die belgische Justiz abgelehnt hätte. Gegenüber Dänemark hatte er es nicht einmal versucht, als Puigdemont sich zu einer Veranstaltung nach Kopenhagen begeben hatte.

Auch gegen Gabriel wird wegen ihrer Rolle bei den Unabhängigkeitsbestrebungen und dem Referendum am 1. Oktober ermittelt, das Spanien versuchte, mit brutaler Gewalt zu verhindern. "Ich werde nicht nach Madrid gehen", kündigte sie im Interview mit der Schweizer Zeitung Le Temps schon am Dienstag an. "Ich werde wegen meiner politischen Aktivitäten gesucht, und die Staatspresse hat mich bereits für schuldig erklärt." Diese hat sie nicht nur für schuldig erklärt, sondern nennt die hübsche Frau auch "Schlampe", bezeichnet sie als "dreckig", "fett", um nur ein paar Attribute zu nennen. So ist verständlich, dass sie in der Schweiz bleiben will, "da ich zu Hause keinen gerechten Prozess erwarten kann". Deshalb hat sie ein Land gesucht, das ihre Rechte schütze. "Ich werde für mein politisches Engagement verfolgt", erklärte sie.

Spanien vergleicht sie mit der Türkei Erdogans. Mit der Einschätzung steht sie wahrlich nicht alleine. Auch die 43-jährige Juristin geht davon aus, dass sie in Freiheit nützlicher ist, als hinter Gittern zu schmoren. Der Gang nach Genf ist klar damit verbunden, den Druck auf Spanien zu erhöhen. Genf ist der europäische Sitz der UNO und deren Vertreter haben Spanien schon deutlich gerügt. Der Schweizer UNO-Experte Alfred de Zayas hatte zum Beispiel der EU eine "Verschwörung des Schweigens" über die Vorgänge in Katalonien vorgeworfen. In Katalonien würden unter den Augen der EU "viele Artikel des Internationalen Pakts über bürgerliche und politische Rechte verletzt".

Eine UNO-Arbeitsgruppe soll auch die Inhaftierungen prüfen, die nach Angaben des Anwalts Ben Emmerson "ein Affront gegen die Menschenrechte" seien und zum Ziel hätten, dass die Politiker "ihre Rolle als politische Vertreter des katalanischen Volkes" erfüllen könnten.

In einem weiteren Interview erklärte sie sich überzeugt davon, dass die Schweiz sie nicht an Spanien ausliefern werde. Das sei mit den Anwälten geprüft worden und sei "illegal". Zwar haben sich auch in der Schweiz schon offizielle Stimmen in diese Richtung geäußert, doch ob das Land angesichts des zu erwartenden spanischen Drucks daran festhält, bleibt abzuwarten.

Es war und ist einem demokratischen Staat unwürdig, wie die Schweiz mit der Baskin Nekane Txapartegi umgeht. Das Folteropfer sollte an Spanien ausgeliefert werden, obwohl ihre Strafe sogar schon verjährt war, wie sich kurz vor der Auslieferung zeigte. Die Baskin wurde durch die Vorgänge allerdings retraumatisiert. Die Schweiz hat das versucht, obwohl Spanien immer wieder wegen Folter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verurteilt wird. Auch bisher hat die Baskin keinen gesicherten Status.

Nun kommen die Eidgenossen damit, dass ihr keine Gefahr mehr drohe, um ihr Asyl zu verweigern, womit klar ist, dass sich Bern nicht mit Madrid anlegen will. Man darf gespannt sein, ob die Schweiz mit Politikern wie Gabriel anders umgeht, die zum Glück nicht gefoltert wurden, aber Morddrohungen von spanischen Rechtsradikalen erhalten haben. Die Zentralregierung habe nichts für ihre Sicherheit getan.