Internet-Beauftragter der SPD fordert Vorgehen gegen Markengrabbing

Jörg Tauss will den Missbrauch von Markennamen im Domainbereich unterbinden

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"Webspace" war nur der Anfang, fürchtet der Internet-Experte der SPD, Jörg Tauss. In einem Brief an die Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin hat er deswegen den Vorschlag gemacht, die Lücken bei der Eintragung von Markennamen zu schließen und gegen Markengrabber mit Geldstrafen vorzugehen.

"Leicht ist es, im Internet ein Unternehmen aufzuziehen. Leicht ist es aber auch, sich eine Abmahnung einzufangen", sagt der Bonner Anwalt Boris Höller im Hinblick auf den Fall Webspace, der im Sommer die deutsche Internetgemeinde in Aufruhr versetzte. Damals hatte der in Markenrechts-Streitverfahren einschlägig bekannte Münchener Rechtsanwalt Freiherr von Gravenreuth mehrere kleine Internetprovider abgemahnt, die den Begriff Webspace für die Beschreibung ihrer Angebote benutzten. Den hatte ein Mandant des streitbaren Anwalts nämlich Anfang Juni 1999 als Markenzeichen beim Deutschen Patent- und Markenamt eintragen lassen. Gleichzeitig wurde den Unternehmen eine Kostennote von 1290,- Mark serviert, da ein Anwalt schließlich fürs Briefe Schreiben bezahlt werden will.

Bei einem Streitwert von 50.000 Mark war bei vielen der Abgemahnten guter Rat teuer. Das Markenrecht ist eine komplizierte Angelegenheit, aber intuitiv erschien es keinem der Angeschriebenen richtig, dass ein allgemein gültiger und beschreibender Begriff gerade in der Kategorie Internet korrekt als Marke eingetragen wurde. Trotzdem erschien es mehreren finanzschwachen Firmen ratsamer, auf eine teure Klage vor Gericht zu verzichten, die verlangten Unterlassungserklärungen zu unterschreiben und die verlangten Gebühren zu bezahlen. Inzwischen hat das Landgericht Bochum allerdings bestätigt, dass die Marke Webspace eigentlich nicht eintragungsfähig sei und die erhobenen Ansprüche hinfällig seien. Das Landgericht München I wies Anfang Dezember außerdem die auf Erstattung der Abmahnkosten gerichtete Klage gegen einen jungen Provider zurück, der wegen seiner Domain "web4space.de" mit einem Brief aus der Kanzlei von Gravenreuth bedacht worden war.

Der klare Fall von "Markengrabbing" hat nicht nur zur Gründung einer Netz-Initiative gegen den Missbrauch von Schutzrechten und die dahinter verborgenen Bereicherungsvorhaben geführt, sondern beschäftigt inzwischen auch die Politik: Jörg Tauss, der über die Jahrtausendwende zum offiziellen Beauftragten der SPD-Bundestagsfraktion "Neue Medien" avancierte, hat sich Mitte der Woche in einem Brief an die Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin dafür ausgesprochen, die Markenanmeldungs-Verfahren zu überarbeiten und den offensichtlichen Missbrauch bei der Markeneintragung mit empfindlichen Strafen zu belegen.

Tauss geht davon aus, dass beim Webspace-Fall und ähnlich gelagerten Vorkommnissen "sowohl die Eintragung der Marke als auch das Mittel der Rechtsverfolgung durch anwaltliche Abmahnung weniger der Verteidigung der berechtigten Interessen der Markeninhaber diente, als vielmehr primär die aktive Generierung von Gebührenansprüchen der beteiligten Rechtsanwälte zum Ziel hatte." Für die Zukunft rechnet der SPD-Bundestagsabgeordnete angesichts der "Goldgräberstimmung" beim Geschäft mit der Reservierung der Domain-Namen mit einer Zunahme beim Marken- und Domaingrabbing und der damit verbundenen "künstlich erzeugten Konfliktfälle".

"Egal ob Profis aus der Multimediabranche, Studenten oder Informatikfreaks", zitiert Tauss aus einem Bericht von Spiegel Online, alle wollten sich ihre "Nuggets" im Web nun als Marke sichern, um es auch in der realen Welt mit jedem Konkurrenten (gewinnbringend) aufnehmen zu können. So habe man beim anscheinend vom Boom rund um die Webmarken überforderten Patentamt im Dezember vergangenen Jahres für 1999 mit insgesamt 74.000 Markenanmeldungen gerechnet, was eine Zunahme von 7,9 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeute.

"Bug" im Markenrecht

Als Grund für die - zumindest zeitweilig - erfolgreichen Fälle von Markengrabbing und den damit verbundenen Kapitalisierungsbestrebungen macht Tauss eine rechtliche Besonderheit des Markenrechts verantwortlich: Bei Anmeldung einer Marke dürfe aufgrund der Rechtslage das Patentamt nur in sehr engen Grenzen die Schutzwürdigkeit der zur Anmeldung gebrachten Marken überprüfen. Eine Klärung der materiellrechtlichen Fragen - insbesondere ob die Marke überhaupt schutzwürdig sei - obliege somit im wesentlichen den örtlich zuständigen Zivilgerichten.

Bereits durch die bloße Eintragung einer Marke erlange der Inhaber jedoch eine starke formale Position, die er gegenüber allen anderen Verwendern dieses Begriffs für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüche nutzen könne. Wichtig sei dabei vor allem die fünfjährige "Benutzungsschonfrist" ab Eintragung der Marke beim Deutschen Patentamt. Innerhalb dieser Zeit müsse die Marke vom Rechtsinhaber nicht einmal benutzt werden. Trotzdem habe er die Möglichkeit gegen identische oder verwechslungsfähige Kennzeichnungen im vollen Umfang Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche durchzusetzen. Die Nichtbenutzung einer Marke sei erst dann relevant, wenn ein angeblicher Markenverletzer sich darauf vor Gericht berufe.

Ein Ausweg aus der Misere durch eine Verfügung gegen die "böswillige" Registrierung von Markennamen, wie er in den USA mit dem kürzlich verabschiedeten "Trademark Cyberpiracy Prevention Act" gegen das "Cybersquatting" beschritten wurde, steht dem deutschen Gesetzgeber nicht zur Verfügung, fürchtet Tauss. Das deutsche Markengesetz stelle nämlich die Umsetzung einer EU-Richtlinie zum Markenschutz dar. Diese Richtlinie beinhaltete praktisch keinen gesetzgeberischen Spielraum für die nationale Legislative.

Strafen bis zu 5000 Mark für Markengrabber?

Der Internet-Experte der SPD schlägt Däubler-Gmelin daher vor, eine neue Stelle oder ein Markengericht erster Instanz beim Patentamt dem bisherigen Rechtsweg vorzuschalten, die Feststellungen über die materielle Rechtmäßigkeit einer Marke treffen können sollten. Zugleich, so Tauss' Forderung, "sollen Anzeigeerstatter wie auch Markenanmelder in Fällen offensichtlichen Missbrauchs der Anmelde- bzw. Anzeigemöglichkeit von dem Gericht zur Zahlung einer Gebühr beginnend ab 500 bis zu 5000 Mark je Anzeige bzw. Meldung verpflichtet werden können." Von diesen Maßnahmen verspricht sich Tauss eine erzieherische Filterwirkung für eine Vielzahl der zu erwartenden Fälle markenrechtlicher Streitigkeiten.

Doch selbst wenn Tauss mit seiner Forderung auf offene Ohren stoßen würde, dürften Domain-Namen-Streitigkeiten die Gerichte noch länger beschäftigen. Für Verwirrung sorgte kürzlich etwa das Oberlandesgericht Hamburg mit einem Urteil, dem zu Folge beschreibende Begriffe und Gattungsnamen wie Webspace, Computer oder Bier nur noch mit einer Ergänzung als Webadresse eingetragen werden dürfen. Zahlreiche Domaingrabber, die immer noch darauf hoffen, aus ihren frühzeitig registrierten Branchen- oder Gattungsnamen Profit zu schlagen, würden damit ebenso vor einer "Existenzkrise" stehen, wie viele Webanbieter, die Millionen in ihre auf solchen Namen beruhenden Dienste investiert haben.