Internet Governance: Rückblick 2015 und Ausblick 2016
Seite 2: Was wird 2016 bringen?
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Bald wird sich zeigen, ob die Chance, den IANA-Vertrag im September 2016 auslaufen zu lassen, bestehen bleibt. Der momentane Fahrplan sieht vor, dass die CCWG-ACC bis Ende Januar dem ICANN Board ihren Abschlussbericht vorlegt. Der ICANN Board übersendet dann dieses Paket zusammen mit dem ICG-Vorschlag an die US-Regierung.
Der US-Kongress hat bereits signalisiert, dass er ebenfalls noch einmal auf das Gesamtpaket schauen möchte. Der US-Kongress muss zwar in dieser Angelegenheit nicht formell zustimmen. Sollten dort aber Bedenken laut werden, kann das durchaus zu einer Verzögerung führen. Die Prüfung durch Regierung und Parlament könnte vier bis fünf Monate dauern. Bei grünem Licht aus Washington hätte ICANN dann bis zum 30. September 2016 Zeit, die notwendigen technischen Voraussetzungen zu schaffen, um die IANA Funktionen, eingebettet in die neuen Mechanismen, selbständig zu erfüllen.
Der Zeitfaktor spielt hier keine unerhebliche Rolle. Wenn die IANA Transition in den jetzt beginnenden US Wahlkampf hineingezogen wird, kann Unbill drohen. Dann wäre der 30. September 2016 als Termin nicht mehr zu halten. Eine letzte Option wäre eine Verlängerung des Vertrages bis zum 31. Dezember 2016. Dann würde es in den Händen der neuen US Administration liegen ob sie an der IANA Transition festhält oder das ganze Verfahren noch einmal neu aufrollt.
Im Interesse von ICANN und seiner Community wäre ein Schlussstrich unter diese zähe Debatte mehr als wünschenswert. Dann könnte sich ICANN wieder seinen eigentlichen Aufgabe - die Weiterentwicklung des Domainname Marktes und die Gewährleistung von Stabilität und Sicherheit im DNS - zuwenden.
Die beiden wichtigsten Konferenzen auf der globalen Bühne werden 2016 in Mexico stattfinden. Im Juni 2016 findet in Cancun die OECD-Ministerkonferenz statt. Auf dieser Konferenz wird es vor allem um das Thema Cybersicherheit und Digitale Wirtschaft gehen. Im November 2016 wird Mexico Gastgeber das 11. IGFs sein.
Das Thema Cybersicherheit wird sich auch bei den großen Gipfeltreffen in den Vordergrund schieben: Das G7-Treffen findet im Mai in Japan statt, das G20-Treffen im September in China. Die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika), die sich bei ihrem letzten Gipfeltreffen in Ufa für eine internationalen Konvention zu Cybersicherheit ausgesprochen haben, treffen sich im Sommer in Indien. Und die Staatschefs der Shanghai Cooperation Organisation im Herbst in Taschkent. Und dann wird das Thema auch wieder bei der 71. UN-Vollversammlung hochkommen.
Nicht minder brisant wird das Thema Datenschutz in der globalen Internet Governance Debatte hochkochen. Nach den Urteilen des Europäischen Gerichtshofes muss das Safe Harbour Abkommen neu ausgehandelt werden. Das ist zwar zunächst eine bilaterale EU-US Angelegenheit, aber das hat schon längst eine globale Dimension. Das trifft auch auf die regionalen Freihandelsabkommen TPP, TTIP, CETA und TISA zu. Möglicherweise wird sich auch die Welthandelsorganisation WTO bald mit dem Thema "Digitaler Handel" beschäftigen. Und mit Spannung warten man auf den ersten Bericht des neuen UN-Datenschutzbeauftragen.
Auch UNESCO, WIPO und ITU werden sich weiter mit Internet Governance befassen. Gespannt kann man sein, was die neu gegründet Study Group 20 der ITU zum Thema Internet der Dinge zu sagen haben wird.
Und neben diesen mehr oder minder offiziellen, meist zwischenstaatlichen Verhandlungen, haben sich immer mehr Multistakeholder-Plattformen gebildet, von denen ein nicht unerheblicher Einfluss auf die globale Internet Governance Politik ausgeht.
Die NetMundial Initiative (NMI) die sich aus der NetMundial Konferenz 2014 in Sao Paulo herausgebildet hat, hat ihr nächstes Treffen Ende Februar 2016 in Madrid. Die NMI sieht sich selbst als eine Plattform für Projekte die zur Umsetzung der Sao Paulo Prinzipien und der Sao Paulo Roadmap. 2019 ist nun eine Reviw-Konferenz im Gespräch die checken soll, wie Prinzipien und Roadmap umgesetzt wurden (NetMundial 5+). Dem NMI-Council gehören u.a. die amerikanische Wirtschaftsministerin Penny Pritzker, EU-Vizepräsident Andrup Ansip und der chinesische Internetminister Lu Wei an. Geleitet wird die NMI von fünf Co-Chairs, darunter Eileen Donnehue, Vizepräsidentin von Human Rights Watch und Jack Ma, CEO von Alibaba. Das Mandat das Gründungs-Council läuft im Juni 2016 aus.
Das Weltwirtschaftsforum (WEF), das auch in die NMI involviert ist, hat eine eigenes Projekt, die Future Internet Initiative (FII) gestartet. Beim Davoser Weltwirtschaftsforum Ende Januar 2016 werden fünf Workshops zum Thema Internet Governance veranstaltet, darunter einer zum Thema Fragmentierung des Internet und ein anderer zum Thema Digitaler Handel.
Die Global Internet Governance Commission (GIGC), die unter Leitung des ehemaligen schwedischen Ministerpräsidenten und Außenminister Carl Bildt vor zwei Jahren gegründet wurde, wird im Sommer ihren Bericht vorlegen. Darin wird u.a. ein neuer "Global Compact for Digital Privacy and Security" vorgeschlagen. Das ähnelt dem Vorschlag des Präsidenten des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, zur Ausarbeitung einer Europäischen "Charta für Digitale Grundrechte".
Zum Thema Menschenrechte im Cyberspace wird sich auch die "Freedom Online Coalition" (FOC) bei ihrer Jahrestagung in Costa Rica melden. Die FOC ist ein loses Bündnis von 29 Regierungen, darunter der deutschen Bundesregierung, mit starker Beteiligung der Zivilgesellschaft.
Nach der Cybersicherheitskonferenz im Den Haag (April 2015) wurde unlängst das neue "Global Forum for Cyber Expertise" (GFCE) formell mit Sitz in der holländischen "Stadt des Friedens" gegründet. Bis Februar 2016 läuft eine Ausschreibung für zwei GFCE Co-Chairs, die das Forum zu einem weiteren Player im Internet Governance Eco-System entwickeln sollen. Die nächste Cybersicherheitskonferenz findet 2017 in Mexico statt.
Und die Zahl der Akteure wird sich weiter vergrößern. Ende 2015 hat die chinesische Regierung in Wuzhen ein "World Internet Conference" mit mehr als 2000 Teilnehmern aus über 100 Ländern veranstaltet und dort die "Wuzhen Internet Initiative" (WII) gestartet. Chinas Präsident Xi hatte in Wuzhen verkündet, dass das Prinzip der Cybersouveränität das oberste Prinzip für Internet Governance sein müsste. Er bekam dafür Beifall vom russischen Ministerpräsident Medwedjew, der sich für die Anerkennung des Konzept eines "nationalen Internet Segment" stark machte. Die 3. World Internet Conference" ist für den Hebst 2016 in Wuzhen geplant.
Wolfgang Kleinwächter ist emeritierter Professor für Internet-Politik und -Regulierung an der Universität Aarhus. Er war von 2013 - 2015 ICANN Direktor und ist Sonderbotschafter der NetMundial Initiative.