Irak-Krieg kann die USA zwischen 100 Milliarden und 1,9 Billionen US-Dollar kosten
Schätzungen möglicher Kriegskosten gehen weit auseinander; viel Geld kostet die USA nach einer Berechnung aber auch der Nahostkonflikt und die Unterstützung Israels
Rechnen kann man bekanntlich viel und mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Daher fällt verrechnen leicht, zumal wenn man bestimmte Interessen hat. Die Bush-Regierung hatte dem Kongress gegenüber einmal Kosten in Höhe von 40 Milliarden Dollar für einen natürlich schnellen und erfolgreichen Krieg gegen den Irak genannt. In einem anderen Bericht wurden jetzt hingegen Kosten zwischen 99 Milliarden und 1,9 Billionen Dollar ausgerechnet. Und würde man dann noch die laufenden Kosten für die Unterstützung Israels hinzurechnen, könnte die Sache für die USA wirklich teuer kommen - sieht man einmal vom Rest der Welt ab.
Ob die Regierung mittlerweile die Kosten für verschiedene Szenarien realistisch gerechnet hat, weiß man nicht. Der Golfkrieg 1991 soll 61 Milliarden Dollar gekostet haben. Die Amerikaner mussten aber in Wirklichkeit viel weniger aufbringen, weil die Alliierten, darunter Deutschland, bis auf 8 Milliarden Dollar alles bezahlt haben. Und Glück hatte die US-Regierung eigentlich auch noch, da die wirtschaftlichen Folgen, etwa die gestiegenen Ölkosten, kurzfristig und relativ geringfügig waren.
Schätzungen im Kongress für einen neuen Krieg gingen von Kriegskosten zwischen 40 und 200 Milliarden aus (Milliarden-Budget für Bush und Rumsfeld). Lawrence B. Lindsey, ein Berater des Weißen Hauses, hatte im September mögliche Aufregung im Vorwahlkampf zu glätten gesucht und gesagt, die Kosten würden sich auf höchstens 1 bis 2 Prozent des US-amerikanischen Bruttosozialproduktes belaufen. Das entspräche 100 bis 200 Milliarden Dollar (Kriegskosten sind Peanuts). Die jährlichen Rüstungsausgaben des Pentagon liegen alleine schon bei 350 Milliarden Dollar. Die Ausgaben für den Krieg würden die schon bestehende Verschuldung nicht wesentlich erhöhen, ein Krieg sich auch kaum wirtschaftlich niederschlagen, so Lindsey.
Vor allem Kosten, die nach dem Krieg entstehen, wurden nicht berücksichtigt
Der Bericht War with Iraq: Costs, Consequences, and Alternatives, der eben von der angesehenen American Academy of Arts and Sciences (AMACAD) veröffentlicht wurde, kommt allerdings zu anderen Ergebnissen, vornehmlich wenn man unerwünschte Szenarien stärker mit einbezieht. Im schlimmsten Fall, so William Nordhaus von der Yale University, könnten sich die Kosten auf bis zu 1,9 Billionen Dollar addieren. Das sind immerhin über fünf Mal mehr als die 270 Milliarden Dollar, die das Congressional Budget Office für den schlimmsten Fall eines drei Monate dauernden, auch mit Bodentruppen geführten Krieges und einer fünfjährigen Besetzung ausgerechnet hatte.
Nordhaus ist die verfügbaren Berechnungen der Kriegskosten durchgegangen und hat festgestellt, dass man beim Starren auf den schnellen Krieg, den die US-Regierung natürlich propagiert, vornehmlich Kosten außer Acht gelassen hat, die nach dem Krieg entstehen können. So setzt Nordhaus eine längere Besetzung und friedenserhaltende Missionen auf 75 bis 500 Milliarden Dollar an. Dazu könnten Gelder für den Wiederaufbau von über 100 Milliarden und für humanitäre Hilfe mit mindesten 10 Milliarden kommen. Im besten Fall geht Nordhaus von etwa 99 Milliarden Dollar aus, die die USA aber weitgehend alleine aufbringen müssten, wenn sie ohne UN-Resolution handeln (für den Irak soll der Krieg hingegen 230 Milliarden Dollar allein aufgrund zerstörter Infrastruktur gekostet haben). Jetzt schon haben die USA ein Defizit von 150 Miliarden Dollar, Tendenz weiter steigend. Bush plant trotz höher Ausgaben weitere Steuersenkungen, was zudem die Staatsverschuldung verstärkt und nicht notwendigerweise zur wirtschaftlichen Stabilität betragen muss. Insgesamt betragen die öffentlichen Schulden 6,330,682,270,007.28 Dollar.
Wirtschaftlich könnte ein Krieg sich das ganze Jahrzehnt auswirken und im besten Fall zu einem Gewinn von 17 Milliarden oder im schlechtesten Fall zu einem Verlust von 400 Milliarden aufgrund der Turbulenzen in den Ölmärkten und einer aus steigenden Rohölpreisen sowie sinkendem Produktivitätswachstum folgenden Rezession führen, die sich natürlich auch global auswirken würde:
"Die Gefahr, in eine Rezession zu geraten, ist real, besonders wenn man davon ausgeht, dass die amerikanische Wirtschaft Ende 2002 sehr langsam gewachsen ist."
Die Auswirkungen erhöhter Verteidigungsausgaben werden vermutlich nur einigen Rüstungskonzernen zugute kommen. Zumindest im ersten US-Golfkrieg hat sich die Erhöhung der Rüstungsausgaben um 0,3 Prozent des Bruttosozialprodukts nicht positiv auf die Wirtschaftsausgewirkt ausgewirkt, das Bruttosozialprodukt ist um 1,3 Prozent gesunken.
Ein anderer Beitrag des Berichts von Steven Millar (Harvard University) warnt davor, dass ein Krieg nicht notwendig billig und schnell zu gewinnen sein wird. Hussein habe beispielsweise nun genügend Zeit gehabt, sich auf einen Angriff vorzubereiten. Vor allem kritisiert er, dass die US-Regierung bislang eher von "rosigen Szenarien" auszugehen scheint, aber nicht - öffentlich - erläutert, was passiert, wenn der Krieg in eine Katastrophe ausartet. Carl Kaysen (MIT), John Steinbrunner (University of Maryland) und Martin Malin (AMACAD) warnen hingegen vor der Abkehr der US-Regierung vom internationalen Recht und den internationale Institutionen. Besonders die militärische Orientierung der Bush-Regierung, die keine ebenbürtige Macht neben sich dulden will, fördere eben jene asymmetrischen Reaktionen auf die globale Macht der USA, die diese Strategie eigentlich bekämpfen will.
Kostenstelle Mittlerer Osten
Und es gab noch eine weitere Kosteneinschätzung der amerikanischen Politik im Hinblick auf den Mittleren Osten, d.h. auf die Unterstützung Israels. Insgesamt habe die USA, so der Wirtschaftsberater Thomas Stauffer in einem Vortrag an der University of Main, der im Auftrag des US Army War College die Analyse vorgenommen hat, an die 1,6 Billionen Dollar seit 1973 an Israel gezahlt. Das sei doppelt soviel, wie der Vietnam-Krieg gekostet habe.
Israel ist der größte Empfänger amerikanischer Auslandshilfe. Allein im Haushaltsjahr 2003 wird Israel 2 Milliarden Dollar für militärische und 720 Millionen Dollar für wirtschaftliche Hilfe erhalten. Um die drei Milliarden Dollar hat es auch früher jährlich bekommen. Zudem hat Ägypten 117 Milliarden Dollar und Jordanien 22 Milliarden an Hilfe im Austausch für die Unterzeichnung der Friedensverträge erhalten, die politisch auch, so Stauffer, zum "gesamten Unterstützungspaket" für Israel gehören.
Dazu aber kommen weitere Kosten. Nach dem Krieg 1973 hatte Präsident Nixon Israel wieder mit Waffen ausgestattet, was zu einem Ölembargo gegen die USA führte, wodurch die USA angeblich 420 Milliarden Dollar (im Wert von 2001) verloren haben sollen. Die Verteuerung des Öls habe zusätzlich 450 Milliarden gekostet. Nach dieser Erfahrung haben die USA die strategische Ölreserve eingerichtet, die mindestens 130 Milliarden verschlungen haben soll.
Einen Teil der Militärhilfe, der eigentlich zum Kauf amerikanischer Waffen gedacht sei, stecke Israel in den Erwerb eigener Hardware, was den Verlust von 125.000 Jobs zur Folge habe. Zudem können mit dem Pentagon verbundene Rüstungskonzerne auch Systeme von Israel kaufen. Mit der finanziellen und technischen Unterstützung der USA sei Israel ein großer Rüstungsproduzent geworden. Die Hälfte der exportierten Industriegüter sind Waffen. Dadurch wird Israel zugleich ein Konkurrent der USA. Manchmal werden auch amerikanische Waffenverkäufe von Israel blockiert, wie der Verkauf von F-15 Kampfflugzeugen an Saudi-Arabien in den 80er Jahren. Auch die weiteren Handelsrestriktionen, die die USA wegen der Unterstützung Israels treffen, würden jährlich 5 Milliarden Dollar oder 70.000 Arbeitsplätze an Verlusten bringen.
Prekär sind die Berechnungen Stauffers auch allein schon deswegen, weil Israel gerade von der US-Regierung weitere vier Milliarden Militärhilfe wegen der gestiegenen Ausgaben im Kampf gegen die Intifada bzw. die Selbstmordanschläge und einen Kredit über acht Milliarden für die kränkelnde Wirtschaft gefordert hat.
Natürlich, alle Berechnungen dieser Art sind Milchmädchenrechnungen, die nur aufgrund der Annahme bestimmter Voraussetzungen funktionieren, niemals aber wirklich alle Faktoren mit einbeziehen können. Je kürzer der Zeithorizont, desto schiefer wird bei der Einschätzung von Kriegskosten die Rechnung. Im Fall von Irak wäre beispielsweise auch wichtig gewesen, einem Krieg die Kosten eines weiteren "containment" mitsamt Sanktionen gegenüberzustellen. Zudem kann eine Berechnung von Kosten eines internationalen Konflikts und dessen Folgen für ein einzelnes Land angesichts der wirtschaftlichen Verflechtungen kaum als realistisch gelten. Überdies findet ein Krieg nicht nur in einem Land statt, sondern hat Auswirkungen auf viele Konfliktzonen auf der ganzen Welt, in diesem Fall eben besonders auf den Nahen Osten, aber auch auf den gesamtem Mittleren Osten und auf alle Länder mit muslimischen Bewohnern. Vermutlich aber dürfte Krieg trotz mancher kurzfristiger Erfolge stets die teuere Lösung bleiben, zumal Konflikte in aller Regel dadurch nicht gelöst, sondern nur neue geschaffen werden.