Islamischer Feminismus

In Barcelona findet der erste internationale Kongress des islamischen Feminismus statt, die Befreiung der Frauen soll mit der Wiederherstellung des wahren Islam und einem "Gender Jihad" erfolgen

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In Barcelona findet dieses Wochenende der erste internationale Kongress des islamischen Feminismus statt. Veranstaltet wird er von der Junta Islamica Catalana, und es dürfte symptomatisch sein, dass ein solcher Kongress nicht in den muslimischen Ländern stattfindet. Programmatisch ausgerufen wird ein Geschlechter-Dschihad (Gender jihad). Gemeint ist damit der "Kampf gegen die männliche chauvinistische, homophobe und sexistische Lesart der heiligen Texte" des Islam.

Yaratullah Monturiol. Bild: Web of Islam

Der Leiter der Junta Islamica Catalana, Abdennur Prado, der auch das Manifest zum Gender Jihad verfasst hat, ist allerdings ein Mann, der sich aber seit langem für einen aufgeklärten Islam einsetzt. Yaratullah Monturiol, Präsidentin der Vereinigung, sagte in ihrer Eröffnungsrede, dass es den Veranstaltern darum gehe, den "muslimischen Frauen wieder ihre eigene Stimme" zurückzugeben und die Öffentlichkeit auf eine größer werdende Bewegung für die Gleichheit der Geschlechter aufmerksam zu machen. Es müsse damit Schluss sein, "dass wir uns in die Privaträume einschließen".

Kritik äußerte sie an der "patriarchalischen und kriegerischen Vision mancher Muslims, die die Welt zerstört". Die Frauen würden keinen neuen Islam erfinden wollen, aber Offenheit und eine "ethische Vision" einbringen. Monturiol will den Islam von innen heraus verändern und versteht den islamischen Feminismus als eine Neuinterpretation des Koran durch Frauen "mit lingustischem und theologischem Wissen", um die patriarchalischen Deutungen zu entkräften und alternative Interpretationen anzubieten. Damit soll zugleich die "islamische Orthodoxie und westliche Stereotypen" zurückgewiesen werden. Gefordert wird Gleichberechtigung auf gesetzlicher, wirtschaftlicher und politischer Ebene. Die Unterdrückung und Unterordnung sei aber nicht auf den Islam selbst zurückzuführen, sondern eben nur auf eine einseitige Auslegung des Koran und der Scharia.

Für Monturiol befinden sich die islamischen Feministinnen in einem großen, kaum lösbaren Dilemma. Im Westen werde allgemein der Islam als Gefahr betrachtet und für die in seinem Namen praktizierte Unfreiheit verantwortlich gemacht. Die Frauen würden in diesem "Kreuzzug" des Westens zum Sündenbock. Auch die westlichen Feministinnen würden nämlich islamische Frauen nicht anerkennen, die sich emanzipieren, aber gleichzeitig Musliminnen bleiben wollen. Die westlichen Feministinnen hätten immer auch ethnozentrische und prokolonialistische Ansichten vertreten. Eine Befreiung der Frauen wäre in diesem Weltbild nur möglich durch eine Loslösung vom Islam. Das aber zerreiße die Frauen. Aber die Musliminnen hätten sich auch zu lange in ihre Rolle gefügt und über ihre Unterdrückung geschwiegen. Es sei jetzt auch die Aufgabe des internationalen islamischen Feminismus die Stimme zu erheben, wenn Frauen unterdrückt werden, egal in welchem Land.

Abdennur Prado verteidigt auch den Ansatz, den Islam durch eine Neuinterpretation der Texte zu reformieren, die Frauen aus dem Joch der Männer zu befreien und die Gleichberechtigung zu ermöglichen. Seiner Ansicht will sich der islamische Feminismus von der gerne im Westen verbreiteten Ansicht abgrenzen, dass der Islam nicht zu reformieren sei und dass eine Befreiung der Frauen mit einer Abkehr von der Religion verbunden sein müsse. Man müsse mithin nur den "wahren Islam" freilegen, der nicht unterdrückerisch sei. Daher sei der islamische Feminismus nicht nur eine politische oder soziale Bewegung, sondern auch eine "geistige Wiederherstellung der Botschaft des Koran". Das sei auch deswegen notwendig, weil die vielfach geäußerte Ansicht, dass die westliche Kultur der islamischen überlegen sei, nicht hilfreich ist, sondern den Fundamentalismus erst recht als Gegenbewegung stärke. Auch die Vermischung von islamischer und westlicher Kultur, wie dies in der Türkei geschehen ist, sei gescheitert. Dort werde der traditionelle Islam jetzt vom politischen Islam (Islamismus) bedroht. Daher müsse man auf die "zahlreichen Elemente im traditionellen Islam zurückgehen, die mit einem demokratischen System und den Menschenrechten kompatibel sind".