Ist Ablästern über Daniel Küblböck jugendgefährdend?

Die Prüfaufgaben der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM)

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Zu den Medientagen 2003 berichtete die KJM erstmals über ihre Aufgaben und Ziele. Nun – fast ein Jahr später – sind erste Ergebnisse dokumentiert

Am 2. April 2003 begann anlässlich des Erfurter Schüleramoklaufs die – allerdings schon länger geplante – KJM ihre Arbeit. Obwohl als Ursache des Amoklaufs Ballerspiele (die der Schüler allerdings auf seinem dafür zu alten PC gar nicht spielen konnte) und nicht Pornografie vermutet wurden, machte die KJM anschließend zunächst mit Schutzsystemen gegen Pornografie von sich reden: Zunächst wurden nur zwei Systeme akzeptiert, später kamen noch weitere hinzu.

Die meisten seit Jahren üblichen Jugendschutz-Systeme haben bislang jedoch noch nicht den Segen der KJM, was für deutsche Webseitenbetreiber unter Umständen ebenso viel Ärger bedeutet, als wenn sie gleich ganz auf den Jugendschutz verzichtet hätten. Im Ausland sind solche Vorrichtungen ohnehin ziemlich unbekannt: Auch wenn deutsche Jugendschutzsysteme wie "Über 18" inzwischen neben des deutschen Personalausweises beispielsweise auch US-Pässe abfragen können, besitzen die wenigsten US-Amerikaner überhaupt ein solches Dokument. Dennoch haben deutsche Behörden bereits ausländische Erotik-Webmaster angeschrieben und das Fehlen der dort nicht vorgeschriebenen Alterskontrolle moniert.

Neben Erotik auch Gewalt und Rechtsextremismus im Visier

Außerdem ging die KJM gegen zu offenherzige Internet-Sexangebote auch direkt vor oder reicht sie an Jugendschutz.net weiter. Während es dabei anfangs hauptsächlich um Pornografie ging, sind inzwischen auch Gewalt und Rechtsextremismus ein Thema.

Die Organisation der KJM entstammt jedoch den Landesmedienanstalten und wird somit über die GEZ-Gebühren finanziert. Es ist daher nahe liegend, dass sie sich nicht nur ums Internet, sondern auch um Privat-TV und -Radio kümmern soll. Und tatsächlich entfällt etwa 50 Prozent der KJM-Tätigkeit auch auf den privaten Rundfunk – der Rest aufs Internet.

Da Pornos im deutschen Rundfunk generell verboten sind, konnten die einschlägigen Rammelkanäle nur mit einem ebenfalls recht aufwendigen Verfahren sowie der Umdefinition als "Mediendienst" genehmigt werden. In der Vergangenheit waren derartige Vorhaben trotz technischer Umkodierung als Digitalsignal in der Austastlücke – damit es garantiert kein Fernsehsignal mehr ist – gescheitert.

Privat-TV braucht eine Kontrollinstanz, öffentlich-rechtliche Sender nicht

Für die öffentlich-rechtlichen Sender reicht dagegen bislang eine Selbstkontrolle; hier geht der Gesetzgeber offensichtlich von höheren moralischen Werten vor und die KLM hat nichts zu melden, wenn im Krimi bereits um 20.30 Uhr ein besonders blutiger Mord passiert – sofern es denn auf einem öffentlich-rechtlichen Sender geschieht. Eine Leiche im Privat-TV darf dagegen erst zu späterer Stunde auftauchen.

Die Liste der bereits von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien BPJM indizierten Medien ist insbesondere bei Webseiten nicht öffentlich, da man sonst einen "Werbeeffekt" befürchtet: Was verboten ist, macht ja bekanntlich erst besonders scharf und gerade das Anbieten und Bewerben indizierter Werke ist ja verboten, der Verkauf dagegen nicht unbedingt, dies gilt nur beispielsweise bei volksverhetzenden Werken. Auf der Website der BPJM werden überhaupt keine Verbote erwähnt; anderswo im Web sind zumindest Aufstellungen indizierter Bücher, Filme und Computerspiele zu finden. Die Telemedien – also Webseiten und Rundfunksender – werden dagegen nicht gelistet.

Eine Liste indizierter Webseiten wäre Werbung

Die KJM indiziert dagegen selbst nicht, sondern gibt bei Beanstandungen die Meldungen mit Wunsch auf Indizierung an die BPJM oder an Jugendschutz.net weiter oder prüft wiederum von der BPJM übergebene Fälle, ob eine Indizierung angebracht ist. Tatsächlich aussprechen kann diese dann jedoch nur die BPJM. Deshalb sind die von der KJM im ersten Halbjahr 2004 bearbeiteten Fälle und der Arbeitsbericht auch öffentlich einsehbar.

Von Januar bis Juni 2004 lagen der KJM insgesamt 129 Indizierungsanträge zu Websites vor, die von der BPJM mit der Bitte um Stellungnahme übermittelt worden waren. In 83 Fällen sprach die KJM für eine Indizierung durch die BPJM, in drei Fällen dagegen, acht Websites waren zum Zeitpunkt der Prüfung bereits nicht mehr abrufbar. Die übrigen 35 Fälle sind noch in der Prüfung. Umgekehrt hat die KJM im Berichtszeitraum die Aufnahme von zwei websites in die Liste der jugendgefährdenden Medien bei der BPJM beantragt, 19 weitere Anträge auf Indizierung sind noch in der Pipeline.

BPJM und KJM arbeiten sich gegenseitig zu

Der Wunsch auf Indizierung im Web betrifft etliche Websites mit Kinder-Modellen, eine Site mit Brutalprügelvideos, um die Umstände deren Entstehung schon einige Prozesse laufen und eine stramm deutschtümelnde Site. Die Seiten mit "nur" jugendgefährdenden Inhalten stammen ebenfalls mehrheitlich aus den Bereichen Erotik und "rechte Gesinnung", wobei allerdings auch das Satiremagazin Zyn ins Visier der Jugendschützer geraten ist und der "Schwanzvergleich" – was am Jungenklo üblich ist, ist im Web noch lange nicht erlaubt.

Der Rundfunkbereich zeigt dabei größere "Stilblüten" als der Webbereich: Wer hätte beispielsweise gedacht, dass das Zeigen von "Krieg der Sterne – Episode VI: Die Rückkehr der Jedi-Ritter" mit dem Jugendschutz kollidiert? Doch beim Pay-TV-Programm Premiere müssen alle Filme, die von der FSK nicht "ab 6", sondern erst "ab 12" (und natürlich auch "ab 16" und "ab 18") eingestuft sind, mit einer Jugendschutz-Vorsperre versehen werden, wenn sie vor den sonst vorgeschriebenen Uhrzeiten laufen, also sprich: nicht abends oder nachts, sondern als Wiederholung unter Tage.

Beanstandet: Jedi-Ritter, Papstwitze, Supergurken

Ansonsten ist das Radau-Boulevard-Fernsehen mit reißerischen Pseudo-Nachrichtensendungen häufiges KJM-Beobachtungsobjekt, bei dem die Sensationslüsternheit der Zuschauer angeheizt und Kindern ein falsches Weltbild vermittelt wird, doch auch Witze über den Papst in den RTL "Freitag Nacht News" oder über Deutschlands Supergurke in einer Morgenshow von Delta-Radio wurden untersucht – und beruhigenderweise doch für nicht jugendgefährdend befunden, ebenso wie die Dschungelshow selbst, die zwar nicht gegen die Menschenwürde verstieß – weil die Teilnehmer sich ja freiwillig zum Dschungelaffen machen – aber knapp an der Jugendgefährdung vorbeischrammte, weil sie der Jugend mit dem Blödsinn ohne Zweifel ein schlechtes Vorbild geben.

Auch auf Anwälte zu schießen, wurde nicht als "jugendgefährdend" oder "schlechtes Vorbild" eingestuft. Dafür erwischte es einige Musikclips wie den Anti-Drogen-Clip zu "Zur Erinnerung" von Ferric MC – welche Auswirkungen Drogen haben, kann also erst ab einem bestimmten Alter und somit nur zwischen 20 und 6 Uhr gezeigt werden. Ebenso wurde eine fiktionale Arabella-Talkshow beanstandet, die noch etwas über das Original hinausging, in dem ja auch schon am Nachmittag eine Partnerin suchende SM-Fans vor verdutzten Teenies auftreten: Die erfundene Show "Arabella – Die Abschlussklasse 2003" brachte unter anderem Selbstmordversuche und Abtreibung als Talkthemen. Beanstandet wurde hierbei wie auch bei den Diskussionen um Big Brother oder Schönheitsoperationen immer nur der Zeitpunkt der Ausstrahlung, so wie auch beim Abspielen von Sexgeräuschen von Anrufern unter Tage auf Delta Radio. Etwas absurd erscheint da der Fall "Anatomie des Verbrechens", bei dem der ab 20.15 gesendete Film selbst unbeanstandet blieb, der bereits um 19.55 laufende Werbetrailer jedoch – weil vor 20 Uhr gesendet und mit den "deftigsten" Szenen bestückt – zu Ärger führte.

Auf Anwälte darf geschossen werden, auf Polizisten nicht

Ein Alternativsender, FSK Freies Senderkombinat aus Hamburg fing sich auch Ärger ein: im dort gespielten Musiktitel "Polizei Osterei" wird nach Ansicht der KJM zur Gewalt gegen Polizisten aufgerufen. Komplett daneben gegriffen hat schließlich der Premiere-Kanal MGM, der einen Film (Mc Quade – der Wolf) in der bereits indizierten, ungeschnittenen Fassung ausstrahlte. Das ist unabhängig von der Uhrzeit (in diesem Fall 23.30) verboten.

Beim Radio und Fernsehen scheint die KJM also – auch wenn es im Einzelfall nach Haarspalterei aussehen mag – vernünftig operieren zu können. Auf das Internet lässt sich die Idee der Sendezeitbeschränkung dagegen nicht übertragen und ob andere Länder freiwillig die strengen deutschen Jugendschutzsysteme übernehmen werden, ist trotz Einrichtung dementsprechender Webseiten – die im Übrigen schlimmer blinken und flackern als so manche Sexseite – noch eher beim Rechtsradikalismus denkbar als bei den Sex-Seiten, zumal nun von Seiten der Nutzer der bereits zugelassenen, doch für den Gebrauch außerhalb Deutschlands in dieser Form ungeeigneten Face-to-face-Altersüberprüfungssysteme, die den Besuch eines deutschen Postamts voraussetzen, systematische Abmahnwellen gegen Webseitenbetreiber gefahren werden, die Systeme wie die bislang nicht anerkannte reine Ausweiskontrolle benutzen, um ihre ausländischen Kunden nicht plötzlich auszusperren.

Kein Sex bitte, wir sind in Deutschland!

Insgesamt hat die KJM bei 250 von 275 geprüften Websites Verstöße festgestellt, Jugendschutz.net bei 1556 Websites, wobei dort 3400 Beschwerden eingegangen sein sollen. 825 dieser Websites kamen aus Deutschland. Bei Filtersystemen, die nach entsprechender Einstellung des Browsers durch die Eltern Seiten mit Gewalt oder Erotik ausblenden, konnten sich KJM und Jugendschutz.net dagegen bislang zu keiner Entscheidung durchringen.