"Ist das dein erster Banküberfall, Liebling?"

Über das Buch "Vabanque. Bankraub. Theorie. Praxis. Geschichte."

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Die Stilisierung eines Bankräubers zum Revolutionär ist einfacher zu bewerkstelligen als die eines Revolutionärs zum Bankräuber. Die dem Bankraub innewohnende Geste der Rebellion lässt sich, gerne auch im nachhinein, als antikapitalistischer Akt deuten. Dessen berühmte Frage - "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?"- im Kopf liebäugelt so mancher Brecht-Fan mit dem Phänomen Bankraub.

Der Bankräuber ist eine mythische Figur. Er lässt sich mit Bedeutungen aufladen, wo in Wirklichkeit keine sind. So waren Bonnie und Clyde im Kino stets Spiegelungen ihrer Zeit, waren nacheinander infantile Waffenfetischisten (Gun crazy), sexbesessene Rock'n'Roll-Fans ( The true Story of Bonnie Parker), wurden bei Nicholas Ray Opfer ihres Milieus (They live by night), bis der Romantizismus der siebziger in Arthur Penns und Robert Bentons Film schließlich zwei frühe Hippies gebar. Seit Mitte der 90er Jahre ist der Mythos um jene ‚natural born killers' erweitert worden, die Gewalt als finalen Persönlichkeitsausdruck begreifen - sozusagen die medienkritische Ergänzung von MTV. (Reservoir Dogs)

Mit dem Gros der wirklichen Bankräuber haben all diese Modelle sehr wenig gemein. Typische Bankräuber definieren sich weder durch Gewalt, noch haben sie Freude daran. Sie sind nicht unbedingt psychopathisch oder zwanghaft veranlagt, sind selten Außenseiter und in keinem besonderem Maße unterprivilegiert. Angepasste, oft sogar sympathische Menschen mit gesellschaftskonformen Wünschen sind sie, denen es oft nicht nur ums Geld geht, sondern auch um Werte wie Liebe, Freundschaft, Loyalität, Familie. 85 Prozent der Bankräuber sind Ersttäter, die wenigsten von ihnen wollen den Klassenkampf in die Schalterhallen hineintragen (auch wenn sie es, wie Burkardt Driest, später behaupten). Oft träumen sie vielmehr von einem sicheren Platz im "geordneten Elend der Verhältnisse".