JFK und die Dallas Cowboys

Aufklärung des Attentats auf John F. Kennedy – Die blinden Flecken des Warren-Reports: Un-Untersuchung (Teil 1).

Als die US-Regierung nach dem Attentat auf John F. Kennedy einen politischen Untersuchungsausschuss einsetzte, glaubten die Mitglieder ihre präsentierten Ergebnisse selber nicht. Auch nach 59 Jahren bleibt ein wesentlicher Teil der Akten gesperrt, obwohl der JFK-Act eine Veröffentlichung der letzten Dokumente für spätestens 2017 vorsah.

Vieles über Kennedys Feinde ist allerdings ein offenes Geheimnis, auch hat inzwischen mancher Zeitzeuge sein Gewissen erleichtert.

The day they blew out the brains of the king
Thousands were watching, no one saw a thing
It happened so quickly, so quick, by surprise
Right there in front of everyone's eyes
Greatest magic trick ever under the sun
Perfectly executed, skillfully done

Bob Dylan – Murder Most Foul

Aus den über die Jahre erfolgten Freigaben ist ersichtlich, dass man mit zurückgehaltenem Material 1964, 1975, 1978 und 1998 bestimmte Kreise vor Verdacht schützen wollte, welche die Ermittler von Anfang an schonten.

Die Aufklärung des Attentats fiel originär in die Zuständigkeit der Bundespolizei FBI. Einem bis 2017 zurückgehaltenen Memo zufolge galt direkt nach Oswalds Tod FBI-Chef Hoovers Sorge weniger der Aufklärung des Verbrechens als der Frage, ob man die Öffentlichkeit von der Täterschaft Oswalds überzeugen könne.

Alleintäter sei der angeblich verwirrte Kommunist Lee Harvey Oswald, der zwischenzeitlich in die Sowjetunion ausgewandert sei und sich dann öffentlich für Castro engagiert habe. Oswald soll eigenmächtig mit einem billigen Gewehr aus einem Gebäude, in dem er kurz zuvor Arbeit gefunden habe, beim dritten Schuss Kennedy von hinten im fahrenden Auto tödlich getroffen haben.

Bei einem Festnahmeversuch habe Oswald den tapferen Polizist J. D. Tippit erschossen. Der Nachtclubbesitzer Jack Ruby habe dann Oswald aus politischen Motiven spontan getötet. Weitere Beteiligte gäbe es nicht.

Politveteranen, die selbst Präsidenten waren oder werden wollten, hatten jedoch bereits kurz nach dem Mord wenig Zweifel, wo die Hintermänner zu suchen waren:

Harry S. Truman

Am Tag nach den Schüssen vom 22.11.1963 begann Ex-Präsident Harry Truman die Arbeit an einem Zeitungsartikel, der kaum zufällig genau einen Monat später ohne sonstigen Anlass erschien. Darin forderte Truman die Reduzierung des Auslandsgeheimdienstes Central Intelligence Agency (CIA) auf das Sammeln von Informationen.

Als er die CIA geschaffen habe, hätte er keine Mantel- und Dolch-Operationen in Friedenszeiten im Sinn gehabt. Stattdessen habe sich die CIA zu einem operativen und politischen Arm der Regierung entwickelt und werfe einen Schatten auf das Ansehen der USA als freie und offene Gesellschaft.

Dwight D. Eisenhower

In seiner berühmten Abschiedsrede hatte Eisenhower bereits 1961 eindringlich vor der Macht des von ihm so bezeichneten "Militärisch-Industriellen Komplexes" gewarnt. Amerika müsse wachsam sein, um dessen Einfluss zu widerstehen.

Der politisch unerfahrene Eisenhower hatte das politische Tagesgeschäft weitgehend Außenminister John Foster Dulles überlassen, der mit seinem Bruder Allen Dulles gleichzeitig die wichtigste Anwaltskanzlei der Öl- und Rüstungsindustrie führte.

Eisenhower hatte geheime Vorschläge von CIA-Direktor Allen Dulles abgelehnt, der fremde Staatschefs durch Attentate liquidieren wollte. Seit ihm die CIA mit dem U2-Abschuss die Fortsetzung des Kalten Kriegs aufgezwungen hatte, misstraute Eisenhower CIA-Direktor Dulles endgültig, konnte den gut vernetzten Spitzenbeamten jedoch nicht entlassen.

Robert Francis Kennedy

Justizminister Robert Kennedy wahrte nach dem Mord wie die meisten Politiker nach außen hin die Staatsräson. Hätte er seinen Verdacht offenbart, hätte dies einen Bürgerkrieg auslösen können.

Tatsächlich jedoch fragte er nach den Schüssen sogar direkt den stellvertretenden CIA-Chef Richard Helms, ob dessen Leute seinen Bruder getötet hätten.

Die Kennedys waren 1961 nach dem Debakel in der Schweinebucht zum Schluss gekommen, dass Allen Dulles die Kennedys über die Erfolgsaussichten der Invasion der Exilkubaner getäuscht hatte, um den Präsidenten in provozierter Not zum Einsatz von US-Militär zu zwingen.

John Kennedys überraschende Standhaftigkeit sowie die Entlassung der Führungsriege der CIA hatten ihm erbitterten Hass der CIA und der Exilkubaner eingebracht.

Earl Warren

Eine tragische Rolle fiel dem obersten Richter der USA, Earl Warren, zu. Als langjähriger Gouverneur von Kalifornien kannte der Republikaner, der Kennedy sehr geschätzt hatte, die politischen Verhältnisse bestens.

Bei den Präsidentschaftswahlen 1948 und 1952 hatte sich Warren selbst um eine Kandidatur beworben und dann Nixon unterstützt. Eisenhower machte Warren zum Vorsitzenden Richter des Supreme Courts.

Trotz seines Parteibuchs hatte Warren die gesetzliche Rassentrennung in Schulen für verfassungswidrig erklärt und das Verlesen der Rechte für Verhaftete eingeführt, was ihm auch im Lager der Demokraten und Bürgerrechtler Ansehen einbrachte.

Als der nachgerückte Präsident Johnson eine Woche nach dem Attentat Richter Warren um die Leitung einer politischen Untersuchungskommission bat, hatte dieser mehrfach abgelehnt. Eine politische Kommission hinter verschlossenen Türen verdrängte eine gebotene juristische Untersuchung.

Als oberster Richter wäre es Warrens Aufgabe gewesen, ggf. Urteile gegen Oswald-Mörder Jack Ruby zu kontrollieren, nicht aber selbst einem politischen Ausschuss pseudojuristische Autorität und Glaubwürdigkeit zu verleihen, die ihm schon wegen der sonstigen Besetzung nicht zukam.

Sämtliche sechs Kommissionsmitglieder, die Johnson Warren unterjubelte, waren entweder Nixon oder Johnson verpflichtet, oder beiden. Darunter eifernde Rassisten wie Johnsons Förderer Richard Russell Jr., oder John McCloy, der im Zeiten Weltkrieg über 100.000 Japaner internieren ließ und dabei die Bürgerrechte von US-Amerikanern missachtete.

McCloy hatte zuvor deutsche und italienische Faschisten finanziert, dann aber in Nürnberg als Hochkommissar Kriegsverbrecher begnadigt. Als Anwalt der texanischen Ölindustrie und der Wall Street, welche die Regierung Kennedy hart kritisierten, hatte auch McCloy mit den Brüdern gebrochen.

Johnson genoss einen schlechten Ruf. Als Lobbyist für die zur Kartellbildung neigende texanische Öl- und Rüstungsindustrie hatte er korrupte Freunde in Regierungsämter gelotst. Bis zum Attentat liefen gegen den damaligen Vizepräsidenten Johnson pressebekannte Ermittlungen, weil dessen engster Mitarbeiter Bobby Baker in Nachbarschaft zum Senat in einem Hotel versteckt einen diskreten Hostessen-Club für Lobbyisten und Politiker betrieb, der schließlich vom FBI verwanzt wurde.

Die Kreise rechter Milliardäre

In Dallas war Warren ähnlich verhasst wie Kennedy. In den Südstaaten hatte man die Amtsenthebung des obersten Richters der USA gefordert, weil Warren die Rassentrennung in den Schulen, das Verbot gemischter Ehen und Gesetze gegen die Unterdrückung von Kommunisten niedergeschlagen hatte.

Die durchweg rechts eingestellten texanischen Ölbarone sahen bereits im Steuersystem Anflüge von Kommunismus und unterstützten offen rassistische Gruppierungen. Die Milliardäre hatten gegen Kennedy mit Flugblättern, Radiosendungen und Anzeigen gehetzt. Den Mord durch einen angeblichen Kommunisten Oswald nahmen sie zum Anlass, um zum Eintritt in die antikommunistische John Birch Society aufzurufen.

Johnson gewann Warren schließlich mit dem Argument, dass Warren die Verantwortung für einen Nuklearkrieg trage, wenn er nicht verhindere, dass das Attentat mit Kuba oder der Sowjetunion in Verbindung gebracht werde. Solche ließen sich beim angeblichen Attentäter Oswald konstruieren.

Für einen nuklearen Erstschlag hatten Generäle wie Air Force-Chef Curtis LeMay seit 1947 offen plädiert und nach Vorwänden hierzu gesucht. Als casus belli hatten die Generäle die Kubakrise gesehen, woraufhin zwischen den Kennedys und dem Pentagon ein Kleinkrieg eskalierte. Warrens Ansehen sollte helfen, ein unerwünschtes Ergebnis zu vermeiden.

Zweifellos war Warren klar gewesen, dass das erwünschte Spektrum seiner Ergebnisse nicht nur außen-, sondern auch innenpolitisch begrenzt war. Ermittlungen in der Stadt Dallas, die politisch von ultrarechten Superreichen kontrolliert wurde, die zudem auch Richard Nixon, Lyndon B. Johnson und dessen Gegenkandidaten Barry Goldwater finanzierten, waren eine Farce.

Was von ihm erwartet wurde, hatte Warren drei Jahrzehnte zuvor bei den Anschuldigungen des populären Sechs-Sterne-Generals Smedley Butler beobachten können. Butler hatte 1933 das FBI vor einem rechtsgerichteten Staatsstreich gewarnt.

Ultrarechte Wall Street-Milliardäre, die in Präsident Franklin D. Roosevelt einen Kommunisten sahen, hätten Butler als Gallionsfigur für einen Militärputsch angefragt, um in den USA ein faschistisches System zu errichten.

Die Männer wollten die Anfang der 1930er Jahre von unzufriedenen Veteranen und ihren Verwandten gebildete "Bonus Army", die damals vor Washington D.C. lagerte, mit Butler als starkem Mann zum Marsch auf das Weiße Haus hetzen.

Wäre die Regierung den Anschuldigung des sogenannten Business Plots konsequent nachgegangen, so hätte man große Teile des US-Establishments verfolgen müssen, darunter J. P Morgan, Irenee Du Pont, Robert Sterling Clark, Grayson M.P. Murphy und vor allem den gut vernetzten Investmentbanker Prescott Sheldon Bush.

Nachdem die eigentliche Gefahr gebannt war, ließ ein Ausschuss die Sache im Sande verlaufen, die Presse, die mit den Industriellen verstrickt war, tat den Vorwurf als "Schwindel" ab.

Auch Warren vermied es, den ihm gut vertrauten Kreisen rechter Milliardäre zu nahe zu kommen. Diese saßen damals weniger in der Wall Street als in Texas. Den auffälligen Spuren, die zur von Ölbaronen bespendeten rechtsextremen John Birch Society führten, ging er nicht ernsthaft nach.

Der ehemalige Staatsanwalt Warren dürfte sich über die Zuverlässigkeit der Polizeiberichte von Dallas keine Illusionen gemacht haben. Trotz zweitägiger Haft lagen weder Vernehmungsprotokolle von Oswald vor noch war ihm der Beistand eines Anwalts gestattet worden.

Spuren nicht brauchbar gesichert

In Dallas waren Spuren nicht brauchbar gesichert worden, die Beweiskette wies Lücken und befremdliche Widersprüche auf. Selbst die Tatwaffe war bei ihrem Fund noch eine Mauser gewesen, hatte sich dann jedoch in eine Mannlicher Carcano verwandelt.

Mit Verspätung von 12 Minuten wurden offen auf dem Boden liegende Patronenhülsen gefunden, deren Anzahl in Berichten von zwei auf drei anstieg. Der Secret Service verhinderte eigenmächtig unter Androhung von Waffengewalt in Dallas die vorgeschriebene Obduktion an Kennedys Leichnam und entführte diesen stattdessen nach Maryland, wo das in keiner Weise zuständige oder qualifizierte Militär eine eigenmächtige Leichenschau durchführte.

Im Widerspruch zur Einschätzung der behandelnden Ärzte in Dallas wollten sie nur an der Rückseite Eintrittswunden erkennen. Der Hauptverdächtigte Oswald war in Polizeigewahrsam ermordet worden.

Kurze Wege

In Dallas waren die Wege bemerkenswert kurz:

Sowohl Nixon als auch Johnson kannten den Oswald-Mörder Jack Ruby persönlich. Johnsons Leute verkehrten häufig in Rubys Nachtclub; Ruby kolportiere 1947 als FBI-Informant an Nixons Komitee gegen unamerikanische Umtriebe. Zudem waren Oswald und Ruby mehrfach gemeinsam sowie auch noch ausgerechnet in Gesellschaft des ebenfalls ermordeten Polizisten J. D. Tippit gesehen worden.

Tippit verkehrte mit Funktionären der rechtsextremen John Birch-Society. Ruby war im Zeitraum des Attentats an der Daeley Plaza gesehen worden und durfte sich unbehelligt im Polizeirevier bewegen, wo er Oswald problemlos erschoss.

Nixons Förderer Prescott Bush hatte Verbindungen zu Oswald: Sohn George H. W. Bush war mit dem Ölindustriellen George de Mohrenschildt befreundet, der Oswald in Dallas unter seine Fittiche nahm und ihm zum Wohnen die Vermieterin Ruth Paine vermittelte. Paine hatte Oswald auch kurzfristig den Job im Schulbuchlager besorgt. Paines Schwiegermutter war eng befreundet mit der langjährigen Gespielin von CIA-Chef und Öllobbyist Allen Dulles.

Derselbe Dulles saß auch im Beirat des patriotischen Verlags, dessen Schulbuchlager in Dallas seit Kurzem in den fünften Stock des Sexton Buildings umgezogen war. Gebäudeeigentümer war der mit de Mohrenschildt befreundete Ölindustrielle Byrd, der auch die patriotische Civil Air Patrol gegründet hatte, in der ausgerechnet Oswald paramilitärisch ausgebildet wurde. Zu Byrds engen Freunden gehörte der Bürgermeister von Dallas, Earle Cabell, Bruder des von Kennedy entlassenen CIA-Vizedirektors Charles Cabell.

Der für die Sicherheit des Präsidenten zuständige Secret Service unterstand Finanzminister Clarence Dillon, einem engen Freund der Gebrüder Dulles. Die PR-Agentur, die sofort nach dem Attentat in den Medien Oswalds Auftreten als Kuba-Aktivist lancierte, war eine Tarnfirma der CIA.

Auch die Staatsanwaltschaft von Texas hatte ungewöhnliches Personal. So hatte der zuständige Ermittler im Kriegsgeheimdienst bei den Nürnberger Prozessen unter Hochkommissar John McCloy mitgewirkt.

Während Richter Warren nur widerwillig zu Werke ging, glänzte ein Mitglied der Kommission mit Übereifer, das man in jeder seriösen Untersuchung als Hauptverdächtigen behandelt hätte: Allen Welsh Dulles, seit Jahrzehnten Anwalt der Rüstungs- und Ölindustrie, Schatzmeister der Republikaner und von Kennedy entlassener Direktor der Central Intelligence Agency (CIA).

Am Auslandsgeheimdienst, der seine Aktivitäten professionell geheim hielt, waren bereits Eisenhowers Untersuchungskommissionen gescheitert. Warren versuchte es gar nicht erst.

Mit Oswald als verwirrtem Einzeltäter konnten alle Parteien leben. Warren spielte die ihm zugedachte Rolle und nahm damit inkauf, dass sein Name auf ewig mit einer Untersuchung in Verbindung gebracht werden würde, die nicht nur wegen selektiver sondern sogar falscher Wiedergabe von Zeugenaussagen als politisches Staatstheater in Erinnerung bleiben sollte. Trotz Ernennung auf Lebenszeit ging er bereits 1968 in Ruhestand.

Während die meisten US-Medien wie schon bei Smedley Butlers Business Plot staatstragend berichteten, hatte die damals in den USA populärste Journalistin Dorothy Kilgallen die Ermittlungen scharf kommentiert, setzte FBI-Chef Hoover mit einer geleakten Aussage von Jack Ruby unter Druck und bezeichnete den Warren Report als "lächerlich".

Die Mitglieder der Warren-Kommission ...

… glaubten ihrem Bericht selber nicht: Kommissionsmitglied John Sherman Cooper kritisierte die Folgerungen des Warren Reports von Anfang an sogar öffentlich.

Aus den Aufzeichnungen von Richard Russel folgt ebenfalls große Skepsis. Hale Boggs distanzierte sich später von der Alleintäter-These, pflichtete ihr 1966 wieder bei, dann jedoch attackierte er Hoover und das FBI und bedauerte, dass man in den Nachkriegsjahren eine Art Geheimpolizei zugelassen habe.

John McCloy äußerte sich zur Alleintäterschaft Oswalds zunächst skeptisch, stand aber loyal zu seinem Freund Dulles. Ebenso Ford, der 1976 gegenüber seinem französischen Amtskollegen einräumte, dass die Kommission in Wirklichkeit von einem Komplott ausging.

Als durchgehend überzeugt vom Warren Report gebärdete sich einzig nur Allen Dulles. Angesprochen auf die Widersprüchlichkeiten im Bericht kommentierte Dulles, das amerikanische Volk lese nicht.

Als in den 1970er Jahren erstmals die Mordprogramme der CIA ans Licht kamen, reagierten Mitglieder der Warren Kommission ungehalten darüber, dass ihnen diese verschwiegen wurden.

Auch die späteren Präsidenten und solche, die es werden wollten, äußerten sich hinter vorgehaltener Hand zumeist skeptisch.

Lyndon Baines Johnson

Nachfolger Lyndon B. Johnson verriet Walter Cronkite nach seiner Amtszeit im Vertrauen, dass ihn die Ergebnisse des von ihm beauftragten Warren-Berichts nicht überzeugten, lenkte aber sofort mit einer internationalen Verschwörungstheorie ab, machte ein andermal Kuba verantwortlich – und auch Vietnam, womit Johnson indirekt seinen Krieg rechtfertigte.

John Conally

Gouverneur John Conally hatte sich schon am Tag nach dem Attentat auf die Schussfolge festgelegt, die im Widerspruch zum späteren Befund des Warren Report stand. Nachdem sich Conally vergeblich auch um eine Präsidentschaftskandidatur bemühte hatte, raunte er 1982, dass auch er dem Warren-Bericht keinen Glauben schenke, seine Meinung über den Mord jedoch nie äußern werde. Dem Texaner reichte offenbar die "magische Kugel", von der auch sein Körper mehrfach getroffen worden sein soll.

Richard M. Nixon

Als Präsident Richard Nixon ein Jahrzehnt später wegen der Watergate-Affäre in Bedrängnis geriet, nötigte er den zum CIA-Chef aufgestiegenen Helms zur Loyalität mit dem Hinweis, dass "das ganze Schweinebucht-Ding" Aufmerksamkeit erfahren könne, etwa unter dem "Wer erschoss John?-Blickwinkel". Auf einer Aufnahme seiner knapp 4.000 Stunden gesperrter Tonbandaufzeichnungen soll sich Nixon erheblich deutlicher zum Kennedy-Mord geäußert und Namen genannt haben.

Gerald Ford

Als Mitglied der Warren Kommission war Gerald Ford bereit gewesen, eine Einschussstelle vom Rücken zum Nacken zu verlegen, damit die Flugbahn zum Hals passte. Nach Watergate aufgeflammte Zweifel versuchte er als Präsident erneut durch einen politischen Untersuchungsausschuss zu beschwichtigen.

Gegenüber dem französischen Präsidenten Valéry Giscard d'Estaing gestand Ford 1976 jedoch, die Kommission sei sich sicher gewesen, dass es sich um ein abgekartetes Spiel gehandelt habe, man habe jedoch die Hintermänner nicht ausmachen können.

Nelson Aldrich Rockefeller

Keine Kritik kam von Vizepräsident Nelson Rockefeller. Der einflussreiche Republikaner und Miterbe eines Milliardenkonzerns hatte im Zweiten Weltkrieg auch für das Außenministerium gearbeitet, wurde jedoch wegen seiner Präferenz für Diktatoren in Argentinien und Algerien von Truman entlassen.

Nelson Rockefeller brachte es zum Gouverneur von New York, saß im Geheimdienstausschuss der Regierung, finanzierte generös verdeckte CIA-Operationen seines Freundes Allen Dulles und bemühte sich selbst vergeblich um das Präsidentenamt.

Die Rockefellers hassten die Kennedys, weil diese ihre koloniale Unternehmenspolitik in Lateinamerika und Indochina nicht unterstützten, sowie für deren Steuerpolitik. Außerdem hatten sie eine Raffinerie auf Kuba an Castro verloren, gegen den Kennedy ihnen nicht hart genug war.

Nach Watergate berief Ford Rockefeller zum Vizepräsidenten. Der nach Rockefeller benannte Ausschuss, der den Warren Report prüfen sollte, verheimlichte der Öffentlichkeit die ihm bekannte Tatsache, dass die CIA fremde Staatschefs ermordete, durchaus also über Erfahrung im klandestinen Töten verfügte.

Hierzu unterschlug er 86 Seiten, auf denen die Morde und Mordversuche an Patrice Lumumba, Ngô Đình Diệm, Rafael Trujillo und Fidel Castro nachzulesen sind. Rockefeller hielt dem Warren Report die Treue, konnte sich aber nicht mit seinem Anliegen durchsetzen, den Verdacht auf Kuba zu lenken.

Ronald Reagan

Als Mitglied von Rockefellers verlogenem Ausschuss pflichtete Ronald Reagan dem Warren Report bei. Der patriotische Schauspieler hatte sich bereits in den 1950er Jahren für die CIA in TV-Spots als zuverlässiger Propagandist gegen den Kommunismus bewährt.

George H.W. Bush

In Reagans Windschatten gelangte George H. W. Bush zunächst als als Vizepräsident ins Weiße Haus. In Bushs Amtszeit als Präsident fiel 1992 der Spielfilm JFK, der zur Einsetzung eines neuen Ausschusses führte. Bush selbst wollte sich nicht einmal daran erinnern können, wo er sich befand, als er vom Kennedy-Mord hörte.

Zum 50. Jahrestag räumte 2013 auch der offizielle CIA-Historiker David Robarge ein, dass die CIA die Warren-Kommission belogen hatte.

J. D. Tippit

Streifenpolizist J. D. Tippit war ein Mann der Tat. Als Fallschirmjäger hatte Tippit im Zweiten Weltkrieg am Rhein gekämpft, litt an posttraumatischer Belastungsstörung und hatte sich dann in Veteranenkreisen herumgetrieben.

In Dallas ging Tippit zur Polizei, fiel dort nicht durch Ehrgeiz, aber Tapferkeit auf und arbeite nebenbei in einem Drive In-Restaurant. Er führte einen unsteten Lebenswandel und soll in Drogengeschäfte verwickelt gewesen sein.

Die Warren-Kommission räumte lediglich ein, der Wirt von Tippits Restaurant sei Mitglied in der John Birch Society. Die Männer hätten sich aber nie über Politik unterhalten. Tatsächlich jedoch war das Drive In ein beliebter Treffpunkt von Rednecks.

In einem bis 2017 zurückgehaltenen FBI-Dokument vom 4. Januar 1964 ist zu lesen, dass Tippit eine Woche vor dem Mord mit dem Dallas-Oberhaupt der rechtsextremen John Birch Society gesehen wurde, sowie mit Oswald. Ort des Treffens sei ausgerechnet der häufig von Polizisten frequentierten Nachtclub Carousel Club gewesen, dessen schillernden Betreiber Jack Ruby am 24.11.1963 Oswald erschoss.

Eine Viertelstunde nach dem Mord am Präsidenten war um 12.45 Uhr eine Personenfahndung nach einem Mann durchgegeben worden, den ein Zeuge am Fenster im fünften Stock mit einem Gewehr gesehen haben wollte. Obwohl alle Polizisten per Funk zur Dealey Plaza beordert wurden, fuhr Tippit in den benachbarten Stadtteil Oak Cliff, wo die Oswalds seit Kurzem wohnten.

Laut Warren-Bericht soll Oswald die 2,7 Meilen von der Daeley Plaza zum späteren Tatort des Tippit-Mords in einer Dreiviertelstunde per Bus und Taxis zurücklgelegt haben. Zu Fuß wäre dies nur im Laufschritt möglich gewesen, was jedoch niemand beobachtet hat.

Eine Zeugin berichtete demgegenüber, nach 13.00 Uhr habe bei Oswalds Haus ein mit zwei Personen besetzter Polizeiwagen zweimal ähnlich einer Hupe die Sirene kurz angetippt, Oswald habe kurz darauf das Haus verlassen und sei mitgefahren.

Um 13.18 Uhr wurden eine Meile entfernt Schüsse gemeldet: Tippit war unter unklaren Umständen in seinem Polizeiauto mit drei Kugeln verschiedener Fabrikate erschossen worden.

Zeugen der Tat sagten widersprüchlich aus. Manche berichteten von zwei Tätern, manche wollten Oswald gesehen haben. Ein Zeuge konnte sich an Oswald jedoch erst wieder erinnern, nachdem er selbst einen Kopfschuss überlebte. Tippit soll Oswald zum Auto gerufen und mit ihm geredet haben, bevor die Schüsse fielen.

Keinen Anstoß nahm Warren an dem Umstand, dass eine derart defensive Ansprache zur Festnahme eines schießfreudigen Attentäters bei einem erfahrenen Cop wie Tippit mehr als ungewöhnlich gewesen wäre.

Ein negativer Paraffintest spricht allerdings dagegen, dass Oswald an diesem Tag irgendeine Schusswaffe abgefeuert hatte – weder auf Kennedy noch auf Tippit. Auch stammen die drei tödlichen Kugeln von unterschiedlichen Fabrikaten, was auf mehrere Schützen hindeutet. Welches Ziel der nach Süden gefahrene Tippit angesteuert hatte, blieb gänzlich unbekannt.

Der Deutschamerikaner Joachim Joesten, der sich damals in Dallas umhörte, wies darauf hin, dass sich nur zwei Blocks entfernt vom Tatort die Privatwohnung von Jack Ruby befand. Ein Treffen von Tippit und Ruby dort lag also buchstäblich nahe, der Warren Bericht will dies jedoch übersehen haben.

Joesten stellte die Frage, warum vom heldenhaften Tippit, der sein Leben der Festnahme des Kennedy-Mörders geopfert haben soll, trotz hohen Medieninteresses damals kein einziges Foto erschienen war.

In dem Fall wäre nämlich wohl aufgefallen, dass Tippit erstaunlich große Ähnlichkeit mit Oswald aufwies. Ein heute bekanntes Foto von Tippit bestätigt diesen Befund. Zudem passte auch Tippits Alter von 31 Jahren besser zur Fahndungsmeldung, die einen Mann Anfang 30 beschrieb, während Oswald 24 Jahre alt war und zudem jünger gewirkt haben soll. Bei einer Gegenüberstellung konnte der Zeuge, der den Schützen am Fenster gesehen haben wollte, Oswald nicht identifizieren.

Joesten leitete daraus die kühne These ab, Tippit habe am Fenster im Schulbuchlager als schießender Oswald posiert, um dem bereits als Castro-Unterstützer legendierten Oswald den Präsidentenmord in die Schuhe zu schieben. Während Oswald kein plausibles Motiv zum Mord an Tippit hatte, hätten die Hintermänner ein starkes Interesse daran, Mitwisser wie Tippit und Oswald zu beseitigen – wie es Ruby Tage später an dem zunächst von der Szene geflüchteten Oswald verwirklichte.

Bemerkenswert an Joestens skurril anmutender These ist, dass ihm unbekannt gewesen sein dürfte, dass die CIA tatsächlich ähnlich aufwändige Täuschungstaktiken praktizierte: So setzte Desinformationsspezialist Robert Maheu Doppelgänger ein, um Spitzenpolitiker mit verfänglichen Filmaufnahmen in Misskredit zu bringen.

Der Leiter des Secret Teams William King Harvey tarnte politische Morde, in dem er sie durch Fehlspuren als solche politischer Gegner erscheinen und möglichst durch Personen erledigen ließ, zu denen die CIA Verbindungen plausibel abstreiten konnte, etwa Mafiosi.

Raffinierte Desinformationsoperationen konzipierten in der CIA untergekommene Literaten wie James Jesus Angleton, Cord Meier und E. Howard Hunt, denen es nicht an Kreativität fehlte. Um die Kunst der Täuschung zu optimieren, hatte CIA-Chef Dulles Jahre zuvor sogar einen bekannten Zauberkünstler mit einem entsprechenden Handbuch beauftragt.

Die Warren-Kommission schien sich nicht allzu sehr für den Tippit-Mord zu interessieren.

Jack Ruby

Der als "Nachtclubbesitzer" bezeichnete Jacob "Ruby" Rubenstein war Inhaber der Striptease Bar Carousel Club. Nicht im Warren-Report zu lesen war, dass der unterrangige Zuhälter in Dallas als Verbindungsmann für das Chicagoer "Outfit" und die in Louisiana beheimatete Südstaatenmafia fungierte, die gemeinsame Drogengeschäfte machten.

Als Nicht-Italiener war Ruby auf dem Zenit seiner Karriere in den beiden italo-amerikanischen Mafiafamilien angekommen.

Erst 1975 wurde bekannt, dass Ruby FBI-Informant war. Ruby berichtete 1947 als Informant an Richard Nixon für das Untersuchungskomitee House Un-American Activities Committee über das Treiben der Kommunistischen Partei. Nixon gab an, der in Dallas gut vernetzte Ruby sei ihm als einer von den "Johnson Boys" vom damaligen texanischen Senator empfohlen worden.

Gangster Ruby hatte zur Dallas Polizei intime Verbindungen. Die damals in den USA populärste Journalistin Dorothy Kilgallen, die Warrens Untersuchung misstraute, enthüllte 1964, dass in Rubys Nachtclub vor allem Polizisten dem Striptease beiwohnten.

Hinter verschlossenen Türen hätten dort Polizisten auch mit ihren männlichen Freunden gefeiert. Der unverheiratete Ruby bezeichnete einen Mann als seinen Freund. Der stadtbekannte Gangster konnte im Polizeipräsidium nahezu beliebig ein- und ausgehen.

Nicht im Warren-Report wurde vermerkt, dass zwei Zeugen sogar vor Gericht aussagten, Ruby habe sich in etwa zur Zeit des Kennedy-Attentats im Gebäude der Dallas Morning News in der Houston Street mit Blick auf die 500 m entfernte Daeley Plaza aufgehalten.

Deren mit der konservativen Dallas Elite eng verbundener Herausgeber hatte einst im Weißen Haus Kennedy Weichheit gegenüber dem Kommunismus vorgeworfen und nun eine Anzeige gedruckt, die Kennedy scharf angriff.

Auch auf dem Platz selbst wollen ihn Zeugen erkannt haben. Bis 2017 wurde die Aussage eines weiteren FBI-Informanten zurückgehalten, dieser habe mit Ruby auf der Daeley Plaza gegenüber dem Texas School Book Depositary gestanden, wo Ruby ein "Feuerwerk" angekündigt habe. Nach den Schüssen sei Ruby kommentarlos in Richtung Gebäude der Dallas Morning News gegangen.

Eine Stunde nach dem Anschlag trafen Zeugen Ruby auch im Parkland-Hospital an, als dort Kennedy und Conally behandelt wurden. Ruby suchte Oswald mehrfach ungehindert im Polizeirevier auf, erschoss ihn schließlich ohne plausibles Motiv und nahm hierfür die Todesstrafe inkauf.

Mehrere Zeugen bestätigten, dass sie Oswald und seinen Mörder Ruby mehrfach gesehen hatten. Club-Tänzerin Jada bezeugte, sie habe in der Bar Ruby nicht nur in Gesellschaft mit Oswald gesehen, sondern mit einer weiteren Person: J. D. Tippit, der dann in der Nähe von Rubys Privatwohnung erschossen wurde.

Bei Rubys Festnahme wurden zwei Pamphlete von Life Line gefunden, einem ultrakonservativen Radioprogramm, in dem der rechtsextreme Ölmilliardär H. L. Hunt täglich hetzte, aktuell gegen Kennedy.

Lee Harvey Oswald

Oswald hatte als Teenager in der paramilitärischen Jugendorganisation Civil Air Patrol das Fliegen und wohl auch das Schießen gelernt. Er ging zum Militär, wo er angeblich Radarspezialist wurde und auf Flughäfen diente, auf denen mit dem U2-Spionageflugzeug das damals geheimste CIA-Projekt abhob.

Für einen Marine ungewöhnlich wurde er in russischer und spanischer Sprache unterrichtet, was eine Verwendung im Marinenachrichtendienst Office of Naval Intelligence (ONI) nahelegt.

Der junge Mann, der sich stets in Gesellschaft strammer Antikommunisten bewegte, wurde über Nacht vom Kommunismus befallen, wanderte mit finanzieller Unterstützung des US-Außenministeriums in die Sowjetunion aus, heiratete dort und kehrte problemlos wieder in die USA zurück.

Entgegen dem üblichen Verfahren bei ausgereisten Geheimnisträgern legte die CIA keine hierfür vorgesehene Akte an. Demgegenüber ließ sich der ranghöchste CIA-Stratege für das Spiel mit Doppelagenten, James Jesus Angleton, persönlich über Oswald seit 1959 berichten.

Victor Marchetti, Ostaufklärer und Assistent von CIA-Direktor Helms, enthüllte 1974, dass der in den 1950er Jahren im Osten nahezu blinde Marinegeheimdienst als Kommunisten legendierte Amerikaner in die Sowjetunion "auswandern" ließ, bis diese nach geraumer Zeit "Heimweh" bekamen und zurückkehrten, um über ihre Erkenntnisse zu berichten. Das KGB beobachtete Oswald mit entsprechendem Argwohn.

Zurück in New Orleans und Dallas bewegte sich Oswald wieder ausschließlich in antikommunistischen Organisationen. Der Mann hinter Oswalds Arbeitgeber in Dallas, die Reily Foods Company, war ein geschworener Castro-Gegner, ebenso Oswalds Freunde de Mohrenschildt, Ferrie und Banister. De Mohrenschildt gab 1977 an, er habe Oswald im Auftrag des CIA-Chefs von Dallas James Walton Moore kontaktiert. Moores Akten gehören zum noch gesperrten Material.

Trotz seiner antikommunistischen Einstellung posierte Oswald im Radio als Marxist-Leninist und inszenierte ein Fair Play for Cuba-Komitee in New Orleans. Einem bis 2017 zurückgehaltenen Dokument meldete das FBI Wochen vor dem Attentat an die Kollegen in Dallas, dass das Fair Play for Cuba-Komitee nach Oswalds Umzug nach Dallas keine Mitglieder mehr hatte.

2017 gab man auch die 1976 an den späteren CIA-Direktor Richard Helms gestellte Frage frei, ob Oswald ein Agent der CIA etc. gewesen sei – nicht aber Helms Antwort.

Oswalds Ehefrau Marina berichtete von einer möglicherweise nur als Scherz gemeinten Unterhaltung, Oswald habe einen Anschlagsversuch auf den rechtsgerichteten Ex-General Edwin Walker begangen. Bei einem Schuss durchs Fenster am 10.04.1963 soll jemand den am Tisch sitzenden Walker mit einem Mannlicher Carcano-Gewehr verfehlt und keinen weiteren Schuss versucht haben.

Das FBI unterschlug einen Brief, den Oswald zwei Wochen vor dem Attentat an den rechtsextremen Ölmilliardär H. L. Hunt geschrieben hatte, in dem sich Oswald nach seiner Position erkundigte.

Die CIA brachte Oswald in weiteren Kuba-Verdacht, indem sie kolportierte, Oswald habe sich in der von ihr observierten kubanischen Botschaft in Mexiko um ein Visum bemüht. Es ist jedoch äußerst zweifelhaft, ob die Person, die sich dort als Oswald ausgegeben haben soll, authentisch war.

Der Leiter der CIA-Station in Mexico, Winston M. Scott, hatte zuvor Vorschläge von Allen Dulles abgelehnt, "Sachen unterm Tisch" zu machen. Er bemerkte, dass irgendeine Aktion vor sich ging, bei der er umgangen wurde. Scott äußerte zudem Unverständnis darüber, dass die CIA Oswalds Spuren nach Kuba intern nicht mehr mit Interesse nachging.

Für eine Beteiligung Oswalds an den Morden an Kennedy oder Tippit gibt es keinen gerichtsverwertbaren Beweis. Anders als gewöhnliche Überzeugungstäter bestritt Oswald jegliche Tat. Zu einer Verteidigung, die seine geheimdienstliche Vorgeschichte hätte enthüllen und zur Suche nach anderen Tätern hätte führen können, kam es aufgrund seiner Ermordung nicht mehr.

Jim Braden

Auf einem Foto ist ein Mann auf der Feuerleiter des Dal-Tex-Gebäudes zu sehen, manche wollen darauf auch einen aus dem Fenster ragenden Gewehrlauf erkennen. Das Dal-Tex-Building bot ein ungestörtes Schussfeld, im Gegensatz zum angeblichen Sniper's Nest im Schulbuchlager, wo eine Eiche auf der Dealey Plaza das Zielen erschwert hätte. Schüsse aus dem Dal-Tex-Gebäude hätten als solche aus dem benachbarten Schulbuchlager erscheinen können.

Im Dal-Tex-Gebäude wurde eine verdächtige Person festgenommen, die sich als "Jim Braden" ausgab. Der Mann hatte in dem Bürogebäude eigentlich nichts verloren und gab an, er habe nach dem Aufruhr vergeblich ein Taxi gesucht und daher in dem Haus einen Münzfernsprecher nutzen wollen. Man nahm ihn mit auf die Wache, entließ ihn jedoch unter unklaren Umständen ohne Aktennotiz.

Zwei Monate zuvor hatte der Kalifornier seinen ursprünglichen Namen Eugene Hale Brading legal in Jim Braden ändern lassen. Brading hatte 35 Verhaftungen wegen Betrugs, Unterschlagung und Einbruchs auf dem Kerbholz.

Unklar blieb, warum sich der kriminelle Kalifornier an diesem Tag in Dallas befand und auf der Dealey Plaza herumtrieb. Am Vortag soll Braden ein Büro des rechtsextremen Ölbarons H. L. Hunt aufgesucht haben. Bereits bei diesem Treffen soll zufällig ausgerechnet der Mafioso Jack Ruby zugegen gewesen sein, der Braden abends auch im Motel besucht haben soll. Die Warren-Kommission glänzte mit Desinteresse.

David Ferrie

Bei seiner Festnahme hatte Oswald einen Bibliotheksausweis eines gewissen David Ferrie bei sich. Redneck David Ferrie hatte in der von Ölmillionär David Byrd finanzierten Civil Air Patrol jungen Männern das Fliegen beigebracht. Lange wurde abgestritten, dass einer davon Oswald gewesen war.

Vor der Kubanischen Revolution hatte Ferrie im Auftrag der CIA Waffen für Castro nach Kuba geflogen. Nachdem Castro jedoch die US-Betriebe verstaatlichte – darunter auch Ölfelder und eine Ölraffinerie – hatten die CIA mit logistischer Unterstützung der Ölmilliardäre Exilkubaner für eine Gegenrevolution trainiert. Für deren Scheitern machte auch der exzentrische Ferrie Kennedy verantwortlich und forderte häufig lautstark, den Präsidenten zu erschießen.

Ferrie und Oswald waren mehrfach in New Orleans im Büro des Privatdetektivs Guy Banister gesehen worden.

Guy Banister

Ebenfalls nicht im Warren-Report erschien Oswalds Verbindung zu Privatdetektiv Guy Banister. Der Ex-Marinegeheimdienstler hatte als FBI-Agent inländische Gegenspionage betrieben, etwa im Kampf gegen kommunistische Umtriebe Universitäten in Louisiana mit Informanten infiltriert.

Die Tatsache, dass US-Behörden Geheimdienstmethoden gegen die eigene Bevölkerung anwandten, wurde erst 1971 bekannt. Nach seiner Pensionierung eröffnete Banister in New Orleans ein privates Detektivbüro, fußläufig von Büros von FBI, CIA und Marinegeheimdienst ONI.

Banister gehörte ebenfalls der rechtsextremen John Birch Society sowie der American Nazi Party an und zog Organisationen wie die antikommunistische Liga in der Karibik auf, die gegen Castro agitierten. Über diese Netzwerke versorgte er offenbar im Auftrag der CIA, die im Inland nicht operieren durfte, Exilkubaner mit Waffen. Nach Beilegung der Kuba-Krise verlor die Regierung Kennedy jedoch ihr Interesse an weiteren Abenteuern in Kuba.

Indizien zufolge wollte Banister auch Pro-Castro-Aktivisten infiltrieren. Banisters zweite Büroanschrift fand sich auf einem von Oswald verteilten Flugblatt eines fiktiven Fair Play for Cuba-Komitees, was eine Desinformationskampagne im Stil von Cointelpro nahelegt.

Oswald wäre demnach als Lockvogel für kommunistische Aktivisten aufgetreten, um diese auszuspionieren oder durch Reden oder Taten als vermeintlicher Kommunist zu diskreditieren. Ruby soll Oswald einem Zeugen als "Lee von der CIA" vorgestellt haben.

Soweit bekannt, hatte Oswald in den USA zu keinem einzigen Kommunisten Kontakt, sondern trieb sich unter strammen Antikommunisten wie den Exilweissrussen in Dallas und den Exilkubanern in New Orleans herum. Der Sohn des exilkubanischen CIA-Mannes Ricardo Morales räumte 2021 ein, dass sein Vater Oswald in einem CIA-Trainingslager gesehen habe. Als Ausbilder für Scharfschützen habe sein Vater ausgeschlossen, dass Oswald mit seinen überschaubaren Schießkünsten die Treffer gemeistert haben könnte.

Hätte Oswald in diesen rechtsextremen Kreisen erfahren, dass jemand nicht nur Castro, sondern auch den Präsidenten hätte töten wollen, wäre es die patriotische Pflicht eines Informanten gewesen, dies zu melden.

Tatsächlich konnte der Secret Service Ende Oktober und Anfang November Attentate in Tampa und Chicago vereiteln, bei denen Exilkubaner den Präsidenten mit Gewehren von Häusern erschießen wollten. In Chicago wurde der John Birch-Aktivist Thomasse Vallee, verhaftet, wie Oswald ein ehemaliger Marine, der als psychisch labil galt. Der warnende Informant nutzte als Codenamen erstaunlicherweise die Bezeichnung "Lee".

Sollte Lee Oswald wirklich der bis heute unbekannte V-Mann Lee gewesen sein, dann hätte er dem Präsidenten sogar das Leben gerettet. Und sollten dies Kennedys Feinde erfahren oder zumindest wegen desselben Namens geglaubt haben, dann hätten sie ein valides Motiv dafür gehabt, um am tatsächlichen oder vermeintlichen Verräter Rache zu nehmen, ihn etwa zu opfern.

Oswalds noch immer gesperrte Steuer-Unterlagen könnten Aufschluss über seine tatsächlichen Arbeitgeber liefern, etwa das FBI, die CIA, den Marinegeheimdienst ONI oder eben Banister.

Clay Shaw

Weil Banister mit dem Kennedy-Attentat zu prahlen pflegte, gerieten der inzwischen verstorbene Banister und dessen Freund David Ferrie in den Focus von New Orleans Bezirksstaatsanwalt Jim Garrison. Dieser verdächtigte den mit Ferrie befreundeten schillernden Geschäftsmann Clay Shaw einer Verwicklung in das Attentat.

Shaw hatte für die CIA Tarnfirmen betrieben, war in Waffenhandel verstrickt und besorgte unter einem Decknamen mehrfach einen bekannten Anwalt für Oswald.

Garrisons Ermittlungen beunruhigten die Geheimdienste so sehr, dass sie die Staatsanwaltschaft abhören ließen. Die durch den Garrison-Prozess aufgeflammte Skepsis am Warren-Report veranlasste CIA-Chef Helms 1967, an Vertrauensjournalisten und andere Meinungsführer eine Anleitung zu versenden, wie man Zweifler am Warren-Report als "Verschwörungstheoretiker" lächerlich machen solle.

Wie sich bis in die 1990er Jahre zurückgehaltene Akten belegen, erwiesen sich prominente Journalisten, die Garrison scharf angriffen, als Gewährsleute der CIA.

Als Der Spiegel 1967 über den Garrison-Prozess berichtete, schloss das Blatt einen vierten Schuss zwar nicht aus. Mit den Kritikern, die dem Warren-Report zahlreiche Ungereimtheiten nachgewiesen hatten, setzte sich Der Spiegel jedoch nicht inhaltlich auseinander, sondern diskreditierte etwa Joesten mit dem Hinweis, Joesten lebe in einem Wohnwagen. Bei einer Aufzählung von als lächerlich verbrämten Verschwörungstheorien erwähnte Der Spiegel immerhin auch beiläufig die Spur zu den Ölbaronen.

Tatsächlich tauchte sogar im Warren-Report zumindest der Name des rassistischen Milliardärs H. L. Hunt auf, der ultrarechte Gruppierungen bespendete und vor dem Kennedy-Besuch ein Flugblatt verbreitete, das den Präsidenten als "Verräter" bezeichnete. Doch Hunt war keineswegs der einzige texanische Ölbaron, der gegen Kennedy intrigierte.

Aufschlussreich am Warren-Report und den zögerlichen Aktenfreigaben ist vor allem, wohin man in Dallas und Washington nicht sehen wollte: zu den Rednecks, den sie finanzierenden ultrarechten Ölmilliardären (Teil 2), die CIA (Teil 3) und einen fanatischen Kennedy-Feind, der keine Grenzen kannte und sich sich seiner Unantastbarkeit bewusst war.