Japan will Informations-Shinkansen bauen

Hochgeschwindigkeitsnetze und mittelalterliche Poesie

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Nach dem Vorbild der Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszüge, die in den siebziger Jahren Japans Transportsystem revolutionierten, ist Japan im Begriff, einen landesweiten Hochgeschwindigkeitsbackbone für Datenübertragungen aufzubauen. Das sagte Taichi Sakaiya, Generaldirektor der nationalen Wirtschaftsplanungsagentur (EPA) in einem Interview mit Nikkei Communications.

Laut Taichi Sakaiya erfordert das 21. Jahrhundert einen neuen Zugang zu Fragen der Informations- und Kommunikationstechnologien. Um zukünftigen Bandbreitenbedürfnissen entsprechen zu können, wird in diesem Jahr das sogenannte "Petanet Projekt" gestartet. Dafür will man die existierende "Wavelength Division Multiplexing"-Technologie (WDM) verbessern, um eine 250-fache Leistungssteigerung zu erreichen. Die bestausgebaute Übertragungsstrecke in Japan zwischen Tokyo und Osaka hat derzeit eine Kapazität von 40 Terabit/s. Mit Glasfaserkabeln und verbesserter Übertragungstechnik will man das Peta-Level erreichen (10 hoch 15, im Vergleich zu tera = 10 hoch 12).

Voraussetzung dafür ist der beschleunigte Ausbau des unterirdischen Glasfasernetzes von Nippon Telegraph and Telecom (NTT) mit seinen 148.000 Anschlusstellen. Von diesen beruhen derzeit 36 Prozent auf Glasfasertechnologien, wodurch bereits mehr als die Hälfte der japanischen Bevölkerung an einen Glasfaserbackbone angeschlossen ist. Bis zum Jahresende soll diese Rate auf 75 Prozent gesteigert werden.

Damit bleibt aber noch die Frage, wozu diese enormen Übertragungs-Kapazitätenin genutzt werden sollen. Internetnutzungsgebühren und lokale Telefontarife in Japan sind hoch und abgeshen von den großstädtischen Zentren will die "Internetrevolution" in Japan nur träge Fuß fassen. Die Antwort der staatlichen Planungsagentur auf dieses Problem ist recht verblüffend. Man will einen Wettbewerb für die multimediale Gestaltung zeitgenössischer Waka-Gedichte ausschreiben. Diese Form der Dichtkunst entstand in der Nara-Periode im 8.Jahrhundert! Doch auch wenn dieses Nebeneinander von High-Tech und mittelalterlicher Poesie europäischen Geistern als widersprüchlich erscheinen mag, so hat die Ankündigung des Aufbaus des Informations-Shinkansen Hand und Fuß. Die staatliche Planungsagentur, deren Leiter Taichi Sakaiya ist, stand im Zentrum der japanischen industriellen Revolution und brachte das Land auf die technologische Überholspur. Mathematisch korrekt will man beginnend am 31.12.2000 ein Jahr lang den Beginn des neuen Jahrtausends feiern und das intensiv nutzen, um der Bevölkerung die Vorteile der Informationstechnologien vor Augen zu führen. Neben Waka-Gedichten sollen weitere traditionelle Kulturformen und Spiele wie z.B. japanisches Schach in digitalisierter Form die Netznutzung beschleunigen helfen.