"Jordis" ein Jahr in Haft - Amnestie International fordert "sofortige Freiheit"
Seite 3: Die Schicksalsfrage: Zustimmung zum Haushalt
- "Jordis" ein Jahr in Haft - Amnestie International fordert "sofortige Freiheit"
- Vergebliche Hoffnungen auf die neue spanische Regierung
- Die Schicksalsfrage: Zustimmung zum Haushalt
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Ultimativ fordern sie das für eine Zustimmung zu dessen Haushalt, ohne deren Stimmen er scheitert. Regierungschef Torra hatte auch schon ein Ultimatum gestellt bis November gestellt, womit natürlich die Verabschiedung des Haushalts gemeint war.
Zwischenzeitlich sah es so aus, als würde Torra dieses Ultimatum zurücknehmen, da es der Republikanischen Linken (ERC) nicht gepasst hat. Doch er hat es noch einmal bestätigt, trotz der Krise im Unabhängigkeitslager, die zunächst beigelegt schien. Allerdings verfolgen die Fraktion von Puigdemont und die ERC immer klarer unterschiedliche Strategien.
Zuletzt haben sich Puigdemont und drei weitere Parlamentarier nicht einer Auflage von Llarenas Gerichtshof gebeugt, in der er nun über seinen Gerichtshof die katalanische statt die baskische Parlamentsautonomie aushebeln will.
Llarena hatte in die Souveränität eingegriffen und bestimmt, dass die inhaftierten und exilierten Abgeordneten Stellvertreter bestimmen sollten, was nach den Parlamentsstaturen alleinige Kompetenz des Parlaments ist. Dem kamen beiden ERC-Abgeordneten Oriol Junqueras (ERC-Präsident) und Raül Romeva nach, nachdem es scheinbar eine Einigung mit Puigdemonts PdeCAT gab.
Letztlich haben sich Puigdemont, Sànchez, Jordi Turrull und Josep Rull aber geweigert, formal ihre Funktionen niederzulegen und sie komplett zu delegieren. Sie wollen weiter das Heft in der Hand behalten und stets nur vor jeder Abstimmung ihre Stimme delegieren. Das hatten die Parlamentsjuristen allerdings kritisiert, deren Einschätzungen nicht bindend sind. Sie hatten erklärt, dass ihre Stimmen deshalb nicht gezählt werden können.
Es stellt sich immer wieder die Grundsatzfrage, wie weit man sich auf Vorgaben aus Spanien einlässt, die selbst dort wohl kaum von geltendem Recht gedeckt sind, wie die Eingriffe in die baskische Parlamentsautonomie schließlich gezeigt haben. Allerdings hat das nun dazu geführt, dass die Unabhängigkeitsparteien keine Mehrheit mehr im Parlament haben.
Damit ist klar, warum Torra sein Ultimatum bekräftigt hat. Diese Situation ist mittelfristig untragbar und führt entweder unweigerlich am Haushalt zum Bruch und zum Ungehorsam auch gegen die neue sozialdemokratische Regierung oder zu Neuwahlen in Katalonien.
Es ist offensichtlich, dass Puigdemont deutlich machen will, dass Spanien nicht nur über die Zwangswahlen im Dezember die Mehrheiten in Katalonien verfälschen wollte, sondern es nun über die Justiz tut, weil das über den Verfassungsparagraphen 155 misslang.
Klar ist, dass Puigdemont und seine Sammlungsbewegung "Crida" Stimmen von ERC zurückgewinnen will, wenn die sich gegen den klaren Willen der zunehmend rebellierenden Basis auf einen Kurs hält, der die Umsetzung der Republik verschiebt, ohne eine klare Perspektive auf ein baldiges Referendum nach Vorbild Schottlands oder Quebecs zu haben.
Den Spaltungskeil tiefer treiben
Natürlich bleiben die spanischen Sozialdemokraten nicht untätig. Sie versuchen über den Haushalt den Spaltungskeil deutlich tiefer in die katalanische Bewegung zu treiben. Sánchez hat sich mit dem Podemos-Chef Pablo Iglesias nun auf Grundlinien für einen Haushalt geeinigt, die er selbst nicht sonderlich gut findet.
Vor allem ist hier die massive Erhöhung des Mindestlohns (SMI) zu nennen, gegen den die Unternehmerverbände und der Internationale Währungsfonds (IWF) schon jetzt Sturm laufen. Der SMI soll von derzeit knapp 736 Euro im kommenden Jahr auf 900 Euro monatlich angehoben werden. Das wäre eine nie dagewesene Erhöhung um 22,3%. Das würde einen Kaufkraftschub bedeuten, nachdem er über viele Jahre in der Krise und neoliberaler Austeritätspolitik eingefroren war.
Damit soll es vor allem der ERC extrem schwer gemacht werden, gegen den Haushalt zu stimmen. Das hat sie allerdings angekündigt, sollten die absurden Rebellionsanklagen bestehen bleiben. Tatsächlich muss man sich auf den Deal nicht einlassen. Er ist ein vergiftetes Bonbon.
Will Sánchez den SMI tatsächlich anheben, um sich auf einen erfolgreichen Kurs wie Portugal zu begeben, um mit einer Abkehr vom Austeritätskurs das Land aus der Krise zu holen, kann er das jederzeit tun. Dafür wird er die Stimmen der Katalanen erhalten, wie er sie zur Abwahl von Mariano Rajoy und seiner Korruptionspartei erhielt.
Allerdings verknüpft er die Frage mit dem Haushalt, obwohl der SMI damit nichts zu tun hat. Denn mit dem Haushalt ist auch sein Präsidentensessel verbunden. Ohne den durchzubringen, müsste es eigentlich Neuwahlen geben. Allerdings ist sogar wahrscheinlich, dass er auch den Haushalt der ultrakonservativen verlängert, um das gerade eingenommene Amt nicht wieder zu verlieren.
Pragmatisch genug ist das Stehaufmännchen dafür, da er stets links blinkt, um dann rechts zu überholen. Das zentrale Ziel dieses Haushalts dürfte sein, die Katalanen zu spalten und Podemos bei der Stange zu halten. Die Schuld, dass der Mindestlohn nicht erhöht wurde, können beide Parteien dann den Katalanen unzulässig zuschieben.
Reale Abkehr vom Austeritätswahn nicht wirklich vorgesehen
Im Haushalt kann man erkennen, dass eine reale Abkehr vom Austeritätswahn nicht wirklich vorgesehen ist. Besonders deutlich sieht man das an den Arbeitsmarktreformen. Hatten Sozialdemokraten und Podemos einst versprochen, die Reform der rechten Vorgänger aus dem Jahr 2012 komplett zu schleifen, sollen nun nur die "schädlichsten Aspekte" dieser Reform geändert werden, heißt es wachsweich.
Podemos hat hier vollständig die Hosen heruntergelassen. Die Linkspartei wollte nicht nur Rajoys Reform streichen, sondern auch die PSOE-Reform aus dem Jahr 2010, mit dem die Sozialdemokraten schon den Kündigungsschutz fast vollständig ausgehebelt hatte. Gegen beide Reformen waren Gewerkschaften mit Generalstreiks Sturm gelaufen.
Erreicht würde, wenn der Haushalt tatsächlich von der EU-Kommission abgenickt wird - was ohnehin fraglich ist - dass die von der PSOE in der Krise abgeschaffte Vermögenssteuer erneut eingeführt wird. Doch erst Vermögen über 10 Millionen Euro soll mit einer Steuer (1%) belegt werden.
Auch Besserverdiener sollen wieder, nach vielen Steuererleichterungen, etwas stärker besteuert werden. Der Steuersatz für Jahreseinkommen über 130.000 Euro soll um zwei Prozentpunkte steigen und über 300.000 um vier Punkte steigen.
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