Journalisten regieren mit - und wie!

Seite 2: Mainstream-Medien nehmen Partei für oder gegen die Optionen von der Mainstream-Politik

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Thomas Meyer liegt richtig, wenn er sagt, dass Journalisten und Medien immer öfter mitregieren. Aber sie tun es nicht aus eigenem Antrieb, aus eigener Initiative, mit eigener Agenda. Mainstream-Medien nehmen Partei für oder gegen die Optionen, die von der Mainstream-Politik angeboten werden. Und sie machen - allzu oft geschlossen - Front gegen politische Alternativen außerhalb des Mainstreams.

Mainstreammedien, sagt Uwe Krüger, reflektieren in aller Regel den Diskurs der politischen und wirtschaftlichen Elite. Je wichtiger das Thema, desto klarer kommt dieser Wirkmechanismus ("Indexing" in der Fachsprache) zur Geltung. Das heißt im Umkehrschluss: Sollten sich in einer relativ geschlossenen politisch-wirtschaftlichen Elite Risse auftun und konträre Handlungsoptionen zum Vorschein kommen, werden sich auch die Medien entsprechend öffnen.

So kann man auch erklären, warum im Vorfeld des Irakkriegs 2003 amerikanische und britische Medien relativ geschlossen agierten, während in Deutschland durchaus kriegskritische Stimmen zu vernehmen waren; die Schröder-Regierung hatte sich dem Irakkrieg bekanntlich verweigert und damit einen gewissen medialen Spielraum eröffnet.

Weil es so schön ist, noch ein kleines Gedankenspiel zum Thema: Der westliche Medienmainstream hat in seiner großen Mehrheit sowohl den Sturz Saddam Husseins als auch den Sturz Gaddafis als auch den (noch ausstehenden) Sturz Assads unterstützt. Insoweit hat er zweifellos mitregiert.

Nun malen wir uns aus, in der Regime-Change-Schule wäre ein kleiner Dissens aufgetreten. Führende westliche Publizisten hätten 2003 Folgendes gesagt: Ja, gewiss, Saddam Hussein muss weg. Aber das hat unseres Erachtens keine Priorität, das hat noch Zeit, kann auf später verschoben werden. Viel wichtiger wäre es, erst einmal Gaddafi zu erledigen. Und dann kommt Assad dran. Und erst wenn wir mit den beiden fertig sind, kümmern wir uns um Saddam. Wie wir wissen, hat der Mainstream nicht so argumentiert, sondern sich der vom Pentagon vorgegebenen Reihenfolge gefügt. Hätte es anders sein können? Wie einer meiner Professoren zu sagen pflegte: Das ist denkbar, aber nicht vorstellbar. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die zweite eingangs erwähnte These Thomas Meyers fragwürdig. Er sagt, die Gewichte zwischen Politik und Medien hätten sich grundlegend verschoben, Journalisten behielten am Ende immer die Oberhand, seien immun gegen Kritik, ja geradezu "unbelangbar". Selbst am Ende übler Kampagnen, schreibt Meyer, stehe fast immer die triumphale kollektive Selbstbestätigung: "Gänzlich unfehl- und unbelangbar sind außer den Journalisten nur noch die Götter - und selbst die werden mittlerweile gerne vom Thron gestoßen."

Ist das wirklich so? In Wahrheit sind selbst die göttergleichen Alpha-Journalisten gefährdet, wenn sie aus der Reihe tanzen. Man denke an den nicht verlängerten Vertrag des früheren ZDF-Chefredakteurs Nikolaus Brender (siehe den Beitrag Nähe zwischen Politikern und Journalisten beim ZDF von Marcus Klöckner auf Telepolis) oder an die Affäre um den "Report"-Moderator und -Redaktionsleiter Franz Alt Anfang/Mitte der 1980er Jahre.

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