Jülich bekommt Europas leistungsstärksten Rechner
Die Europäische Kommission will Europa zum "KI-Kontinent" machen. Dafür entstehen sieben KI-Fabriken, die Entwicklern Zugang zu Supercomputern bieten.
Die EU-Kommission unter Ursula von der Leyen will Europa zum „KI-Kontinent“ machen. Bereits im Januar letzten Jahres hatte von der Leyen das Ziel ausgegeben, den Grundstein für mindestens fünf KI-Fabriken zu legen. Jetzt steht fest: Es werden mindestens sieben. Eine davon wird in Deutschland entstehen, aber auch die ehemaligen PIIGS-Staaten Griechenland und Spanien sind dabei.
KI-Fabriken als vernetzte Zentren des KI-Kontinents
Die KI-Fabriken sollen KI-Entwicklern Zugang zu Hochleistungsrechnern bieten und sie beim Training großer KI-Modelle unterstützen. Die einzelnen KI-Fabriken in Europa sollen miteinander vernetzt werden und ein dynamisches KI-Ökosystem bilden. Der Schwerpunkt liegt auf Entwicklungen in den Schlüsselbereichen Gesundheit, Umwelt und Mobilität.
Seitens der EU wird die Hälfte der Kosten aus den Programmtöpfen „Digitales Europa“ und „Horizont Europa“ finanziert. Insgesamt stellt die EU dafür eine Milliarde Euro zur Verfügung.
Die insgesamt sieben Vorschläge, die zum ersten Stichtag am 4. November eingereicht und genehmigt wurden, stammen aus fünfzehn EU-Mitgliedstaaten und zwei mit der EU assoziierten Staaten. Bei den einzelnen Projekten soll die KI-Fabrik um einen oder mehrere bestehende Supercomputer oder einen neuen Supercomputer herum entstehen.
Eine KI-Fabrik wird in Finnland entstehen. Beteiligt sind die Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Polen und Norwegen. In Italien entsteht eine Fabrik mit Beteiligung weiterer Staaten. Partner sind Österreich und Slowenien. Spanien baut seine Fabrik zusammen mit Portugal, Rumänien und der Türkei.
Deutschland, Luxemburg, Schweden und Griechenland werden ihre Anlagen allein errichten. Zypern und Slowenien haben Interesse bekundet, eigene Anlagen zu bauen oder sich bestehenden Projekten anzuschließen. Das Potenzial der einzelnen Fabriken ist unterschiedlich. Die leistungsfähigste Anlage entsteht in Deutschland.
Schnellster Rechner Europas entsteht in Jülich
Am Forschungszentrum Jülich entsteht mit JUPITER der erste europäische Exascale-Rechner. Der neue Jülicher Supercomputer soll als erster Rechner in Europa die Grenze von einer Billion Rechenoperationen pro Sekunde durchbrechen.
Damit wird er deutlich schneller sein als Deutschlands derzeit schnellster Supercomputer JUWELS, der ebenfalls in Jülich steht. JUWELS, der 2020 fertiggestellt wurde, schafft 85 Petaflops, das sind 85 Billiarden Rechenoperationen pro Sekunde.
Die Abkürzung Flop, auch FLOP geschrieben, steht für „Floating Point Operations Per Second“. Ein Flop entspricht also einer Gleitkommaberechnung (Addition oder Subtraktion) pro Sekunde. Flops werden verwendet, um die Gesamtleistung eines Computersystems zu berechnen und mit anderen Systemen zu vergleichen. 1000 Petaflops entsprechen einem Exaflop.
JUPITER soll in der Spitze mehr als 70 Exaflop/s bei 8-Bit-Berechnungen mit geringerer Genauigkeit erreichen. JUPITER wird mit knapp 24.000 NVIDIA GH200 Grace Hopper Superchips ausgestattet sein, die speziell für rechenintensive Simulationen und das Training von KI-Modellen optimiert sind.
Der Supercomputer wird von einem deutsch-französischen Konsortium unter der Leitung von Eviden gebaut. Finanziert wird der Supercomputer zur Hälfte aus EU-Mitteln, zu je einem Viertel aus Bundesmitteln und aus Mitteln des Landes Nordrhein-Westfalen.
35 Millionen Euro für den griechischen Daedalos
Wie JUPITER wird auch der griechische Supercomputer Daedalos zur Hälfte von der europäischen Supercomputing-Initiative EuroHPC JU finanziert. Der 35 Millionen Euro teure Supercomputer wird bei seiner Inbetriebnahme Ende 2025 mit 60 Petaflops etwa drei Viertel der Leistung von JUWELS erreichen.
Zum Zeitpunkt seiner Fertigstellung wird Griechenland zu den 15 europäischen Ländern gehören, die über einen Supercomputer verfügen. Bei seiner Inbetriebnahme wird er zu den 30 schnellsten Rechnern gehören.
Zusammen mit der notwendigen gebäudetechnischen Infrastruktur wird Daedalos insgesamt 40 Millionen Euro kosten. Anders als in Deutschland werden die restlichen knapp 60 Prozent der Kosten nicht aus staatlichen Mitteln, sondern aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung finanziert.
Das Gesamtprojekt der KI-Fabrik läuft in Griechenland unter dem Namen Pharos (Leuchtturm). Der Supercomputer wird in einem der monumentalen Industriegebäude der ehemaligen französischen Bergbaugesellschaft von Lavrio in der strukturschwachen Region Ostattika installiert. Dort werden die notwendigen Voraussetzungen und die Infrastruktur für die Aufnahme des „Daedalos“-Systems geschaffen. Das denkmalgeschützte Gebäude wird als Teil der denkmalgeschützten Industrieanlagen der ehemaligen Bergbauregion der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die KI-Fabrik selbst wird ihren Sitz im naturwissenschaftlichen Forschungszentrum „Demokritos“ haben.
Die griechische KI-Fabrik soll ein „Leuchtturm“ für Gesundheit, Nachhaltigkeit und Kultur werden, so der Plan der Initiatoren. „Die Entwicklung von ‚Daedalos‘ und der KI-Fabrik parallel zu den fortschrittlichsten europäischen Ländern wird es Griechenland ermöglichen, gleichberechtigt an der nächsten Phase der Vernetzung von KI-Fabriken in ganz Europa teilzunehmen und die Produktion neuer europäischer Produkte und Dienstleistungen zu fördern. Es wird das Niveau der Bereitstellung effektiver Dienstleistungen für die Bürger verbessern“, erklärt das griechische Ministerium für digitale Governance.
Konkret werden sich die KI-Projekte in Griechenland auf die Entwicklung anonymisierter und KI-fähiger Gesundheitsdatensätze (z. B. die umstrittenen elektronischen Patientenakten) konzentrieren, um eine prädiktive Analyse chronischer Krankheiten und eine personalisierte Gesundheitsversorgung zu ermöglichen. Die KI-Fabrik soll das kulturelle Erbe und die Sprache Griechenlands digitalisieren und mithilfe von KI bewahren.
Ferner versprechen die Programmplaner, dass Pharos angesichts des Klimawandels und des Energiebedarfs KI-basierte Lösungen in den Bereichen erneuerbare Energien und Ressourcenmanagement unterstützen und den CO2-Fußabdruck mithilfe von KI reduzieren wird.