KI-Bilder als Werkzeuge für Propaganda oder schlicht zur Illustration?

Objektiv und KI-Chip in Tortendiagram "Fact/Fake""

KI-generierte Bilder erobern Medien. Ein Fotograf schuf sogar ein Fotobuch über Russland, ohne dort gewesen zu sein. Ist das noch Kunst – oder schon Propaganda?

Bei der Antwort zur Regierungserklärung des nunmehr gescheiterten Bundeskanzlers Olaf Scholz am vergangenen Mittwoch sprach Oppositionsführer Friedrich Merz ein für ihn peinliches, von der Künstlichen Intelligenz erstelltes Video an. Das bei Instagram noch abrufbare, satirisch inspirierte Video, ein sogenannter Deepfake, wurde zum Ärger von Merz vom SPD-Parlamentarier Bengt Bergt geteilt.

Was im politischen Dialog ärgerlich ist, kann in der Medienberichterstattung ernste Folgen haben. Längst hat Künstliche Intelligenz den Einzug in die Redaktionen geschafft. Sie hilft bei der Übersetzung ausländischer Berichte, bei der Recherche, bei der den Publikumsgeschmack treffenden Themenauswahl und auch bei der Illustration von Beiträgen.

Es ist aber, wie einige Beispiele zeigen, trotzdem falsch, KI-Bilder per se als etwas Negatives für Politik und Journalismus zu bezeichnen.

Die KI gefährdet Arbeitsplätze im Journalismus, schafft aber zeitgleich den Bedarf für mehr Recherche. Denn die Möglichkeit von Deepfakes und weiteren KI-unterstützten Falschmeldungen muss bei Recherchen berücksichtigt werden.

Zudem ermöglicht die KI bei der Fotografie druckfähige Aufnahmen, wo vorher oft nur verwackelte, unterbelichtete Fotos möglich waren. Ein Grenzfall sind Bilder, die aus den verschiedensten Gründen nicht als Fotografien angefertigt werden können.

Es ist bezeichnend, dass die New York Times innerhalb nur eines Jahres zunächst die Zukunft der Fotografie wegen der KI in Zweifel zogen, danach aber gerade in den KI-Fälschungen eine Chance für die Renaissance der Fotografie sehen. Wir erleben zweifelsohne eine interessante Entwicklung.

Ich fahr’ nicht hin – mache aber trotzdem "Fotos"

Der belgische Fotograf Carl de Keyzer hatte in den späten 1980ern die damalige Sowjetunion besucht und fotografisch dokumentiert. Der Fotograf der renommierten Agentur Magnum lieferte mit seiner Fotoreihe "Portrait of the USSR: Homo Sovieticus" Zeitgeschichte. 1989 kam ein gleichnamiges Buch heraus, das auch heute noch Interessenten findet.

In einschlägigen Internetportalen wie Amazon werden für gebrauchte Exemplare des vergriffenen Buches bis zu 393 Euro verlangt. Hier sei ein Seitenhieb auf diese Plattformen erlaubt. Denn der Autor selbst bietet das Buch über seine Internetpräsenz für deutsche Kunden für vergleichsweise preiswerte 28 Euro an. Kunden in Belgien könnten es ab zehn Euro erwerben.

Nun bietet de Keyzer auch ein Nachfolgewerk im Selbstverlag auf seiner eigenen Internetpräsenz: "Putin’s Dream", Putins Traum heißt das Fotobuch, das jedoch nicht aus Fotos besteht.

Statt ausschließlich mit der Kamera entstanden die Bilder mit der Hilfe der KI. Der Autor verteidigt sich, er habe 2021 bereits ein Visum für Russland gehabt, dann aber wegen der Auffahrt von Panzern und Truppen an der Grenze Russlands zur Ukraine von seinem Vorhaben, nach Russland zu reisen, Abstand genommen.

De Keyzer nutzte alte von ihm selbst, zum Beispiel 2003 erstellte Aufnahmen aus Russland, fütterte damit die KI und ließ Bilder erzeugen, wie er sich das heutige Russland vorstellt.

Unter Kreativen herrscht (noch) der Konsens, dass es sich in so einem Fall nicht um Fotos, sondern um KI-Bilder handelt. Die Tatsache, dass de Keyzer eigene, selbst erstellte Fotos mithilfe von KI bearbeitet und nicht per Sprachbefehl komplett von der KI erstellte Bilder erzeugt, beinhaltet zweifelsohne eine eigene kreative bildgeberische Schöpfung.

Ob damit auch noch die allgemein verbreitete Ansicht, dass bei KI-Bildern keine Urheberrechte gelten, juristisch haltbar ist, müssten im Zweifel Gerichte entscheiden.

Ob das Gesamtwerk den Lesern einen Kauf wert ist, sollte dem Publikum überlassen werden.

Auch analoge Technik kann "lügen"

"Die Wahrheit ist das beste Bild", ein Spruch, der nach allgemeiner Überzeugung auf einen der berühmtesten Fotografen, den legendären Robert Capa (1913 – 1954) zutrifft. Unter diesem Titel gab es im vergangenen September eine Retrospektive des bürgerlich Endre Ernő Friedmann genannten Fotografen. "Im Krieg mit der Wahrheit" titelt die Neue Zürcher Zeitung einen interessanten Beitrag, in dem sie sich mit der Wahrheit Capas befasst, aber auch die KI ins Spiel bringt.

Der britische Künstler Philipp Toledano hat mit KI Bilder im Stil von Capa über den D-Day erstellt. Von Capa selbst existieren lediglich elf, teilweise hoffnungslos verwackelte Aufnahmen dieses entscheidenden Kriegstags des II. Weltkriegs.

Der von Dario Vereb für die NZZ erstellte Beitrag behandelt neben der erschreckenden Realität der KI auch die Zerstörung einer Legende um Capa. Es wurde lange behauptet, dass der Kriegsfotograf 100 Bilder erstellt habe, von denen der Großteil durch einen Laborfehler zerstört worden seien.

Tatsächlich aber muss Capa das Schlachtfeld in Panik bereits nach wenigen Minuten verlassen haben. Die Labor-Legende sollte kaschieren, dass auch Kriegsfotografen nicht immer furchtlos sind.

Capa hat offensichtlich auch Fotos, wie den 1936 fallenden Partisanen, ein ikonisches Bild, nachgestellt.

Toledanos KI-Werk zum Thema ist in diesem Fall, weil es von Anfang an künstlich markiert ist, eine Mahnung, auch analoge Fotos nicht als ultimative Wahrheit zu begreifen.

Wer Capas Bilder als Illustrationen akzeptiert, müsste doch konsequent auch die von Toledano und de Keyzer erzeugten Bilder billigen. Es sind Bilder, die Erzählungen zum Thema illustrieren könnten. Ebenso wie die gemalten Illustrationen in den Anfängen der Zeitungspresse oder wie Karikaturen in der heutigen Zeit. Aber Fotos sind es nicht.

Wie denken Sie darüber? Wie stufen Sie mit KI manipulierte Kunstwerke, die in Kalendern veröffentlicht werden, ein? Schließlich sind es die Medienkonsumenten, die entscheiden, was sie akzeptieren und was nicht.