Justiz gegen "Corona-Richter": Einschüchterung, Rechtsbeugung – oder beides?

Seite 2: Gefährdung des Kindeswohls: Greift § 1666 BGB?

Die Nachrichtenseite, die äußerst kritisch über die Corona-Maßnahmen berichtet und als Querdenker-nah gilt, heißt es hingegen, die Zuständigkeit Dettmars beruhe zumindest teilweise auf § 1666 BGB, was von Bundesverwaltungsgericht in einem gleich gelagerten Fall bestätigt worden sei. Der Paragraf regelt die gerichtlichen Befugnisse beim Verdacht auf Gefährdung des Kindeswohls. Aus diesem Grund stehe der Vorwurf der Rechtsbeugung gegenüber Dettmar "auf äußerst tönernen Füßen", heißt es auf der Seite.

Eine aktuelle Umfrage des ARD-Deutschlandtrends scheint die Skepsis des Amtsrichters gegen Masken für Schulkinder übrigens zu bestätigen. Demnach sprachen sich lediglich 37 Prozent der Befragten für Masken für Schulkinder während des Unterrichts aus. Unter Hamburger Schülern, die als Vergleichswert ebenfalls gefragt wurden, fanden sogar nur 27 Prozent, dass Masken im Unterricht eine gute Idee sind.

Dass auch die Gutachter Ziel von Hausdurchsuchungen wurden, ist zumindest ungewöhnlich. Betroffen war auch der Regensburger Psychologe Christof Kuhbandner. Der Kritiker einiger Corona-Maßnahmen hatte auch bei Telepolis mehrere Texte veröffentlicht. Für eine Stellungnahme war er nicht unmittelbar erreichbar - die Polizei hatte bei der Razzia zur Beweissicherung auch sein Mobiltelefon konfisziert.

Gutachter Kuhbandner zu Telepolis: kein persönlicher Kontakt zum Richter

"Ich kenne weder den Richter persönlich noch habe ich außerhalb der üblichen Verfahrensschritte bei gerichtlich eingeholten Gutachten mit dem Richter Kontakt gehabt", so Kuhbandner in einer schriftlichen Stellungnahme. Von der Qualität seines wissenschaftlichen Gutachtens könne sich jede Person selber überzeugen, da es im Rahmen des Gerichtsbeschlusses vollständig veröffentlicht wurde.

"Dass man eine Hausdurchsuchung erleiden muss, nur weil man der Anfrage eines Gerichtes nach einem wissenschaftlichen Fachgutachten nachgekommen ist, das ist natürlich sehr unangenehm", so der Psychologe gegenüber Telepolis: "Ob der Vorwurf gegen den Richter nachvollziehbar und schwer genug ist, als dass man als bloßer Gutachter so etwas erleiden muss, kann ich als juristischer Laie nicht beurteilen, das müssen die entsprechenden Experten:innen beurteilen."

Der Hamburger Anwalt Strate, der den Weimarer Richter Dettmar vertritt, zieht das erwartungsgemäß in Zweifel. Die Entwicklung dieses Verfahrens lasse ihm "Angst und Bange" um den Rechtsstaat werden, schrieb er in seiner Erklärung. Strate ist sich sicher: "Sein Effekt ist die Einschüchterung einer unabhängigen Richterschaft."

Indes stellte gegenüber der Bild-Zeitung der Sprecher der Staatsanwaltschaft Erfurt, Oberstaatsanwalt Hannes Grünseisen, eine Einstellung des gesamten Ermittlungsverfahrens in Aussicht. Sollten sich bei der Auswertung des in dieser Woche sichergestellten Materials keine neuen Beweismittel für einen hinreichenden Tatverdacht ergeben, werde das Verfahren gegen Dettmar wohl eingestellt.

Dann spätestens müsste in diesem Fall die Frage nach der Legitimität der staatlichen Maßnahmen im Verhältnis zum gesellschaftlichen Nutzen diskutiert werden. Ein wenig so wie bei der Debatte um Maskenpflicht an Schulen eben.

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