Kanada: Senat stimmt für Legalisierung von Marihuana
In acht bis zwölf Wochen dürfen Volljährige in der ehemaligen britischen Kolonie Cannabis in begrenzten Mengen legal als Genussmittel kaufen
Gestern Abend stimmte der kanadische Senat mit einer Mehrheit von 52 zu 29 Stimmen und zwei Enthaltungen für die Vorlage C-45. Sie hebt das 1923 eingeführte Verbot von Marihuana auf. Das geschieht allerdings nicht mit sofortiger Wirkung, sondern erst nach einer formellen Zustimmung der englischen Königin und der Festsetzung eines konkreten Datums durch die kanadische Bundesregierung.
Dieser Starttermin soll innerhalb der nächsten acht bis zwölf Wochen liegen. Der vorher angepeilte 1. Juli scheiterte am Einspruch der zehn Provinz- und drei Territoriumsregierungen, die mehr Zeit für die Durchführung der Vorbereitungen forderten. Sie können Details der Freigabe selbständig und unterschiedlich regeln. Ontario wird das legalisierte Rauschsmittel beispielsweise in den staatlichen Läden verkaufen, die dort ein Alkohol-Monopol haben. In Neufundland und Labrador können es auch Lebensmittelhändler anbieten, wenn sie eine Lizenz beantragen.
Kanadier gaben 2017 umgerechnet mehr als 5,7 Milliarden Euro für illegale Marihuanakäufe aus
Die Erteilung von Lizenzen zum Anbau liegt dagegen in der Hand der Bundesregierung. Ebenfalls bundesstaatlich geregelt ist die erlaubte Höchstmenge (30 Gramm), die Verpackung (einfarbig), ein Werbeverbot, das Mindestalter für den legalen Erwerb (18 Jahre) und die Höchststrafe für den Verkauf an Minderjährige (14 Jahre). Ein Verbot der Teilnahme am Straßenverkehr unter Marihuanaeinfluss soll in einem gesonderten Bundesgesetz geregelt werden, das der Polizei auch das Recht einräumt, entsprechende Kontrollen durchzuführen.
Aus der Steuer, die nach dem Inkrafttreten der Legalisierung auf Marihuana erhoben wird, erwartet sich der kanadische Finanzminister Bill Morneau Einnahmen in Höhe von umgerechnet fast 300 Millionen Euro jährlich. 75 Prozent davon sollen in den Bundeshaushalt fließen, die restlichen 25 in die der Provinzen und Territorien. Grundlage dieser Schätzung ist eine im Januar veröffentlichte Statistik, der zufolge die Kanadier 2017 umgerechnet mehr als 5,7 Milliarden Euro für illegale Marihuanakäufe ausgaben.
Import aus US-Bundesstaaten bleibt vorerst verboten
Die kanadische Bevölkerung befürwortet die Freigabe in Umfragen mit großer Mehrheit. Sie ist sogar so populär, dass sie als wichtige Ursache für den Wahlsieg der Liberal Party 2015 gilt (vgl. Kanada: Befürworter einer Legalisierung von Marihuana wird neuer Premierminister). Zu dieser Stimmung trugen auch Äußerungen hochrangiger Polizisten bei, die ein Scheitern der Verbotspolitik konstatierten.
Kanada ist weltweit das zweite Land, das den im 20. Jahrhundert verbotenen Konsum von Marihuana im 21. Jahrhundert wieder offiziell freigab. Es ist allerdings deutlich größer, entwickelter und wirtschaftlich bedeutender, als das kleine Uruguay, das 2014 der Vorreiter war.
In den USA wurde Marihuana in den letzten fünf Jahren durch Volksabstimmungen in den Bundesstaaten Alaska, Kalifornien, Colorado, Oregon, Massachusetts, Maine, Nevada und Washington legalisiert (vgl. Bürger in Kalifornien, Nevada und Massachusetts erzwingen Legalisierung von Marihuana). Marihuana, das dort legal angebaut oder erworben wurde, darf allerdings vorerst nicht nach Kanada eingeführt werden.
Welttrend zur Lockerung
In Kolumbien, Chile, Spanien, mehreren indischen Bundesstaaten, Südafrika und den Niederlanden ist Cannabis zwar nicht offiziell, aber faktisch legal; in den meisten anderen lateinamerikanischen Staaten, Russland, Italien, Portugal der Schweiz, Osterreich, Tschechien, Slowenien und mehreren australischen Bundesstaaten hat man den Konsum weitgehend entkriminalisiert.
Das deutsche Betäubungsmittelgesetz, das Marihuana verbietet, liegt im Zuständigkeitsbereich des Bundes. Dort planen die alten und neuen Koalitionspartner Union und SPD bislang nicht, etwas Grundsätzliches zu ändern. Die Details der Strafverfolgung sind jedoch (anders als Strafgesetzgebung und die Strafprozessordnung) Ländersache, weshalb die einzelnen Bundesländer ihren Polizisten und Staatsanwälten Vorgaben machen können, wie sie mit bestimmten Fällen umgehen (vgl. "Historisch betrachtet willkürlich und bis heute weder intelligent noch zielführend").
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