Kapitalismus kaputt?

Seite 2: Kleine Finanzblasenkunde

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In den USA wurden hingegen die Schleusentore der Notenbanken bereits weit aufgerissen. Auf 1,5 Billionen Dollar summieren sich etwa die Maßnahmen, mit denen die US-Notenbank Fed den Absturz der US-Börsen zu revidieren versucht, die den schwersten Einbruch seit 1987 verzeichneten. Der Leitzins wurde auf nahezu null Prozent abgesenkt.

Trotz dieser absurden Liquiditätsspritzen scheint die Lage sich kaum noch zu beruhigen - die wichtigsten Indizes stürzten auch am Montag ab. Ausgelöst wurde die Panik an den Börsen durch die Ankündigung der Trump-Administration, den Reiseverkehr zwischen den USA und der EU einzustellen.

Die "Finanzspritzen", mit denen zusätzliche Liquidität in die panischen Märkte gepumpt wird, werde das "Anleiheportfolio" der Fed "von aktuell 4,2 Billion Dollar um ein Drittel nach oben" treiben, kommentierte trocken die FAZ diese Notfallmaßnahme.

Eine Quantifizierung der nun platzenden Liquiditätsblase scheint an dieser Stelle sinnvoll: Die US-Notenbank hält bereits jede Menge "Wertpapiere" in ihren Bilanzen, die sie in den vergangenen 12 Jahren aufkaufte, um das Weltfinanzsystem zu stabilisieren und die ökonomische Expansion der Weltwirtschaft zu ermöglichen.

Vor dem Zusammenbruch der transatlantischen Immobilienblasen ab 2008 hielt die Fed kaum Papiere in ihren Bilanzen, erst im Zuge der einer Gelddruckerei gleichkommenden Aufkaufprogramme für all die Schrottpapiere, die im Gefolge der Immobilienblasen emittiert wurden (zumeist handelte es sich um Hypothekenverbriefungen), ist die Bilanz der Fed von rund 800 Milliarden Euro auf rund 2,4 Billionen hochgeschnellt.

Hiernach wurde der Aufkauf von "Wertpapieren" auf den Finanzmärkten durch die Notenbanken, im Fall der Fed etwa US-Staatsanleihen, zur neuen Normalität, bei der de facto Schulden in die Notenbankbilanzen aufgenommen und frische Liquidität dem Finanzsystem zugeführt wurde - was de facto auf die besagte Gelddruckerei hinausläuft, die nur deswegen keinen Inflationsschub auslöste, weil sie in die Finanzsphäre injiziert wurde, um steigende Kurse, also eine Wertpapierpreisinflation zu befördern.

Die Bilanz der Fed schwellte von 2,4 Billionen US-Dollar 2010 auf rund 4,2 Billionen 2015 an. Nun steht ein weiterer, gigantischer Sprung auf knapp 6 Billionen an, der es bis Montagabend nicht vermochte, die tollen Märkte zu beruhigen.

Alle Ideen und Planspiele, die Schrottpapiere in den Notenbankbilanzen abzubauen, sind - ähnlich der Schäublerischen Schwarzen Null, dem neoliberalen Gerede von der Eigenverantwortung der Unternehmer oder den Fiskalregeln der Eurozone - somit bereits Makulatur.

In der EU, wo die Geldpolitik Teil der nationalen Auseinandersetzungen um die Krisenpolitik war, bei denen der expansive Kurs der EZB Draghis den monetären Gegenpol zum schäublerischen Spardiktat bildete, sieht es nicht besser aus: Hier stieg die Bilanzsumme von einer Billion 2005, über zwei Billionen 2008, auf inzwischen auf 4,5 Billionen an "Wertpapieren" an. Ähnlich verhält es sich bei der Bank of Japan, die vor allem - ähnlich der Fed - Staatsschulden aufkaufte.

Diese Liquiditätsblase, die akut zu platzen droht, weist in ihrer Aufstiegsgeschichte eine grobe historische Zweiteilung auf, die mit der Zinswende der Fed einhergeht. Bis 2015 strömte aufgrund der Nullzinspolitik der Fed anlagesuchendes Kapital in Schwellenländer wie der Türkei, Brasilien, Südafrika, etc., um dort kurzfristige Blasenbildungen zu befördern.

Ab 2016, als die Fed die Zinsen wieder anzog, brachen diese kreditfinanzierten Booms in den einstmals als Lokomotiven der Weltwirtschaft gehandelten Schwellenländern zusammen, was etwa rechtsextremen Figuren wie einem Jair Bolsonaro den politischen Aufstieg in Brasilien ermöglichte.

Zugleich verlagerte sich die Spekulationsdynamik wieder in die Zentren des Weltsystems, so etwa der Dow Jones zwischen 2015 und 2020 seinen Wert nahezu auf knapp 30 000 Punkte verdoppeln konnte - bis vor kurzem.