Kein Dreier im Gehirn

Warum der Mensch höchstens zwei Aufgaben gleichzeitig lösen kann

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Der Urmensch hatte anscheinend ein relativ entspanntes Leben - jedenfalls wenn man davon ausgeht, dass die Evolution im Interesse des Überlebens einer Spezies in der Regel dafür sorgt, dass die Form der Funktion folgt. Einer Antilope hinterherzujagen und gleichzeitig ein Auge auf potenzielle Räuber zu haben, das dürfte das typische Multitasking gewesen sein, das unseren Vorfahren abverlangt wurde. Den potenziellen Sexualpartner auf dem Beifahrersitz mit witzigen Geschichten zu überzeugen, auf den Verkehr zu achten und gleichzeitig einen neuen Radiosender zu suchen, das hätte nicht nur Adam und Eva überfordert - es ist definitiv auch heutigen Menschen zu viel. Zumindesten den meisten (Multitasking funktioniert doch).

Dass dem so ist, wissen Psychologen schon lange. Arbeitnehmer, die dauernd zwischen verschiedenen Aufgaben wechseln müssen, geraten nicht nur unter Stress, sondern erfüllen auch jede dieser Aufgaben in suboptimaler Qualität. Bei Autofahrern, die gerade das Handy oder Navi bedienen, verlängert sich die Reaktionszeit messbar. Das liegt daran, dass das Gehirn keine echte Gleichzeitigkeit kennt. Es arbeitet wie ein Prozessor, der seine Rechenzeit in Scheiben einteilt, die er für die geforderte Leistung bereitstellt. Doch auch der Wechsel selbst braucht Zeit - und das verlängert die Gesamt-Bearbeitungszeit im Vergleich dazu, würde man jede Aufgabe wirklich nacheinander ausführen.

Grenzen der Gleichzeitigkeit

Doch auch diese gefühlte Gleichzeitigkeit hat noch Grenzen. Das haben französische Forscher jetzt in einer Studie herausgefunden, die das Wissenschaftsmagazin Science veröffentlicht. Die Neurologen ließen 32 Probanden Buchstaben sortieren - eine simple Aufgabe, die aber zufallsgesteuert von einer zweiten Aufgabe unterbrochen wurde.

Dabei wurden die Versuchsteilnehmer dann entweder aufgefordert, Problem 1 abzubrechen und sich nur noch um die zweite Frage zu kümmern - oder sie sollten zusätzlich auch noch Problem 1 im Auge behalten, um nach der Bearbeitung der zweiten Aufgabe wieder darauf zurückzukommen. Zusätzlich setzten die Forscher auch noch unterschiedlich hohe Belohnungen für das korrekte Lösen der Probleme aus.

Wenn Menschen zwei Ziele A und B gleichzeitig verfolgen, teilen sich die zwei Frontallappen die Arbeit, indem sie simultan die zwei Ziele und damit verbundene Handlungen repräsentieren. Der hinterste Teil der Frontallappen ermöglicht es, zwischen den zwei Zielen hin- und herzuschalten, also eines zu verfolgen, während das andere Pause hat. Diese Teilung zwischen den Hemisphären erklärt, warum Menschen nicht mehr als zwei Aufgaben korrekt ausführen können. (Bild: Etienne Koechlin, Inserm-Ens Lyon)

Das erste Ergebnis, das die Wissenschaftler schildern, ist gut nachvollziehbar: Egal, ob die Probanden nun eine der Aufgaben abbrechen durften oder nicht, die Erfolgswahrscheinlichkeit war stets mit der Höhe der Belohnung für die Lösung korreliert. Das Belohnungszentrum spielt beim Multitasking offenbar eine wichtige Rolle. War die für Aufgabe 1 anstehende Belohnung allerdings an sich schon sehr hoch, dann spielte der Lohn für Lösung 2 eine geringere Rolle. Die physiologischen Grundlagen dieses Resultats testeten die Forscher mit Hilfe der funktionellen Magnetresonanztechnik (fMRT). Hier zeigte sich ein spannendes Bild: Das Belohnungszentrum teilt seine Arbeit offenbar auf beide Gehirnhälften auf.

In der rechten Hälfte repräsentierte Belohnungen wurden von einer Änderung bei der primären Aufgabe nicht beeinflusst - und umgekehrt. Doch auch die Problembearbeitung selbst vollzog sich in den beiden Gehirnhälften strikt getrennt. Dabei schnappte sich die linke Gehirnhälfte in der Regel die erste Aufgabe, die rechte Hälfte kam dann beim zweiten Problem zum Einsatz.

Die Informationsverarbeitung selbst beschränkte sich dann stets auf eine von beiden Hälften. Das erklärt, meinen die Forscher, warum selbst das eingeschränkte Multitasking, dessen der Mensch fähig ist, schnell an seine Grenzen stößt - es stehen eben nicht mehr als zwei Gehirnhälften zur Verfügung. Das testeten die Verfasser des Papers, indem sie prompt eine dritte Aufgabe einführten. Wie zu vermuten ist, scheiterten die Probanden nun genau dann, wenn sie nach dem Bearbeiten des dritten Problems wieder zur ersten Aufgabe zurückkehren sollten. Deren Platz hatte nun offenbar Aufgabe 3 eingenommen.