"Keine Ahnung vom Militär - wie eine Hausfrau"

Bild: Dirk Vorderstraße; Lizenz: CC BY 2.0

Verteidigungsministerin von der Leyen will die Bundeswehr als Arbeitgeber attraktiver machen und stößt mit ihrem Programm "Aktiv. Attraktiv. Anders." auf Kritik

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Die Mitarbeiter müssen raus aus ihren Komfortzonen - die Botschaft wird als Inhalt vieler Krisensitzungen wiedergegeben, in denen Unternehmensführer ihre Arbeitnehmer zu mehr Produktivität, Kreativität, Innovation usw. mobilisieren wollen. Die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen geht als Chefin der Bundeswehr einen anderen Weg. Sie will die Unterkünfte der Soldaten zu Komfortzonen machen, zu "Wohlfühlstuben", wie in einem Focus-Bericht über ihr neues Maßnahmenpaket süffisant angemerkt wird.

Die vielseitig eingesetzte CDU-Politikerin trägt, so scheint es, ihre erste größere bundespolitische Rolle, die der Familienministerin, mit hinein in die nächsten Posten. Als Arbeitsministerin mischte sie sich immer wieder in Belange, die zu ihrem alten Ressort gehörten, zur Verärgerung der Familienministerin Schröder. Auch scheint ihr ein gewisses Vergnügen daran geblieben zu sein, konservative Kreise vor den Kopf zu stoßen, auch vor Männerrunden zeigt sie wenig Scheu, wird erzählt.

Legte sie sich als Familienministerin mit ihrer Krippenoffensive gegen traditionalistische Bewahrer des Hausfrau-am-Herd-Schemas an, so bekommt sie es nun mit ihrer Familienoffensive bei der Bundeswehr mit den Recken traditionalistischer Anschauungen über den Soldatenberuf zu tun. Deutlich abzulesen an der Kritik ihrer Pläne, wie sie im eingangs genannten Bericht vom Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr Harald Kujat zitiert wird: "Von der Leyen führe die Bundeswehr 'wie eine Hausfrau' - und habe keine Ahnung vom Militär."

Die "Attraktivitätsoffensive"

Anstoß zur Kritik ist die "Attraktivitätsoffensive" (Focus) von der Leyens. Ziel der Ex-Arbeitsministerin ist, die Bundeswehr zu einem attraktiven Arbeitgeber zu machen, dafür will sie die Arbeitsbedingungen verbessern. Wie die SZ den "bunten Strauß an Einzelmaßnahmen" zusammenfasst, soll es "in der Truppe (...) familienfreundlicher zugehen, der Umgangston soll ein anderer werden, und Soldaten sollen sich auf ihren Stuben wohlfühlen".

Als Einzelpunkte herausgehoben werden in der Berichterstattung, welche die Bildzeitung eingeleitet hatte, die Bestückung der Soldatenunterkünfte mit Mini-Kühlschränken und Flachbildschirm-TV-Geräten - was Assoziationen übertriebenen Luxus' hervorruft, aber praktisch damit zu erklären ist, dass Röhrengeräte kaum mehr auf dem Markt sind -, eine bessere Krippenversorgung zur "Vereinbarkeit von Familie und Dienst", Teilzeitmöglichkeiten, weniger Versetzungen, Übernahme der Kosten für Internetanschlüsse und Telefon, mit Möglichkeiten zur Heimarbeit, aber vor allem, damit der Kontakt der Soldaten zur Familie erleichtert wird. Dazu eine Reform der Weiterbildung, schnellere Bearbeitung von Bewerbungen, Coaching-Seminare für das gesamte Führungspersonal u.a.

"Nicht in Kindertagesstätten, sondern in Sicherheit im Einsatz investieren"

Binnen zwei Jahre soll das Programm mit dem Motto "Aktiv. Attraktiv. Anders." umgesetzt werden. An anderer Stelle ist von fünf Jahren die Rede, für welche die 100 Millionen Euro Kosten angesetzt werden.

Seitens der Verteidigungsministerin, die damit die Bundeswehr zu einem in der Wirtschaft konkurrenzfähigen Arbeitgeber machen will - "Die Freiwilligenarmee Bundeswehr soll jedem Vergleich mit der Wirtschaft standhalten" -, sei dies im laufenden Verteidigungsbudget inbegriffen, verursache also keine zusätzlichen Kosten für den Steuerzahler.

Der Ex-Generalinspekteur der Bundeswehr, Harald Kujat, ist nicht der einzige, dem das zu weit geht. Er fordert, dass das Geld besser für Einsatzausrüstung investiert werden sollte.

Viel mehr als mit einer Kindertagesstätte wäre der Familie eines Soldaten geholfen, wenn sie wüsste, dass alles für seine Sicherheit im Einsatz getan wird.

Von den Grünen kommt die Kritik, dass "im Etat für 2014 Flatscreens, Minikühlschränke und Garderobenspiegel nicht vorgesehen seien". Der SPD-Wehrexperte Rainer Arnold spricht von einem "vermessenes Versprechen" im Zusammenhang mit der Attraktivität der Bundeswehr.

Nebelkerzen

Den eigentlich politisch interessanten Punkt touchiert die Verteidigungspolitikerin der Linken, Christine Buchholz, die ebenfalls zum Flachbildschirm greift, um ihre Kritik anzusetzen. Buchholz meint, dass die "mangelnde Attraktivität" nichts mit fehlenden Flatscreens zu tun habe, "sondern mit den Auslandseinsätzen".

Tatsächlich kann man sich darüber wundern, dass solche Maßnahmen, die augenscheinlich den Wünschen von vielen Bundeswehrangehörigen entsprechen, wie die positive Reaktion des Bundeswehrverbandes zeigt, derart Erregung verursachen, während wichtigere, kritischere Themen zur Bundeswehr in den Hintergrund geschoben werden. Zum Beispiel die Diskussion über verstärkte Auslandseinsätze (Deutsche Soldaten sollen nach Mogadischu) oder den Einsatz von Drohnen, der nicht vom Tisch ist.