Keine Spur vom Mann im Mond

ESA-Forschungssonde SMART-1 funkte zu Testzwecken erste Bilder vom Mond zur Erde

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Europas erster Mond-Gesandter ist auf Tuchfühlung mit dem irdischen Trabanten gegangen. Unterwegs in wissenschaftlicher Mission soll die 367 Kilogramm leichte, kühlschrankgroße ESA-Sonde SMART-1 den Mond ab Ende Februar aus einem 300 bis 3.000 Kilometer hohen Orbit genauestens unter die Lupe nehmen. Die ersten Mondbilder, die SMART-1 kürzlich zu Testzwecken machte, liegen jetzt vor. Wenn der Satellit seinen Endorbit endlich erreicht, seziert und analysiert er den Mond so intensiv wie noch kein anderes Raumfahrzeug zuvor.

Bereich um den Mouchez-Krater. Bild: ESA/Space X

Immer noch ist der erdnächste fremde Himmelskörper ein Buch mit sieben Siegeln. Weiterhin ist das Wissen über den Mond auffallend lückenhaft, was in besonderem Maße für seine erdabgewandte Seite gilt. Aber auch seine Polregionen sind weitgehend unerforscht. Und obwohl in den 90er Jahren zwei Orbiter indirekte Anzeichen für das Vorhandensein von Wasser fanden, konnte noch nicht einmal die Anwesenheit von Wassereis bislang bestätigt werden.

Selbst auf die Frage, ob der Mond womöglich vor etwa 4,5 bis 4,6 Milliarden Jahren entstand, als die Erde mit einem marsgroßen Himmelskörper kollidierte, gibt es noch keine hinreichende Antwort - bislang. Denn was bis dato noch blanke Theorie oder Spekulation ist, soll der ESA-Orbiter SMART-1 ("Small Missions for Advanced Research in Technology"), der bereits am 15. November 2004 erstmals in den Mondorbit eintauchte und sich seitdem dem Mond spiralförmig nähert, in den nächsten Monaten lüften.

SMART noch nicht im Endorbit

Tatsächlich stehen die Chancen nicht schlecht, dass SMART-1 in absehbarer Zeit die "lunaren" Wissenslücken schließt, in die noch unerforschten dunklen Krater des Mondsüdpols blickt und Ausschau nach Spuren von Wassereis hält, ja sogar Informationen über einen geeigneten Standort für eine spätere Mondstation sammelt. Denn seit seinem bilderbuchmäßigen Start am 28. September 2003 mit der nicht gerade erfolgsverwöhnten Ariane-5-Trägerrakete vom Weltraumbahnhof Kourou in Französisch-Guayana, befindet sich der Satellit in exzellentem Zustand, seither arbeiten die Instrumente des ESA-Spähers perfekt.

Zumindest eines davon legte jetzt zu Testzwecken eine Kostprobe seines Könnens ab. Wie die ESA jüngst bekannt gab, machte SMART-1 im Rahmen einer Reihe von Testuntersuchungen mit dem Miniaturkamerasystem AMIE (Advanced Moon Micro-Imager Experiment) kürzlich erste Nahaufnahmen des Mondes aus einer Höhe von 1.000 bis 5.000 km.

Der Ionenantrieb war bis zum 29. Dezember eingeschaltet und erlaubte SMART-1, immer niedrigere Schleifen um den Mond zu ziehen. Zwischen dem 29. Dezember und 3. Januar 2005 wurde der Motor abgeschaltet, um es den Wissenschaftlern zu ermöglichen, mit ihren Untersuchungen zu beginnen. Zu diesem Zeitpunkt machte die AMIE-Kamera besagte Nahaufnahmen. "Wir führen mehr Messungen und Testuntersuchungen durch, bis der Antrieb am 9. Februar wieder gestartet wird, um die Sonde spiralförmig näher an den Mond zu bringen", erklärt der SMART-1-Chefwissenschaftler der ESA, Bernard H. Foing. "SMART-1 wird am 28. Februar einen Orbit zwischen 300 und 3000 Kilometern erreichen und die erste fünfmonatige Phase der vorgesehenen wissenschaftlichen Untersuchungen beginnen."

Minikamera AMIE. Bild: ESA

450 Gramm schwer

AMIE ist eine aus verschiedenen Filter bestehende 450 Gramm schwere Farbkamera, die sowohl im sichtbaren als auch im UV- und im nahen Infrarot-Bereich operiert und hochauflösende Bilder der Mondoberfläche schießen soll. Sie soll die Mondoberfläche aus verschiedenen Winkeln heraus fotografieren und dadurch Informationen über die Topographie und Struktur der Mondkruste sammeln. Anhand der multispektralen Daten lassen sich sehr präzise dreidimensionale Karten und Darstellungen der Mondoberfläche errechnen.

Dass die zu erwartende AMIE-Fotoserie substantiell sein könnte, machen die ersten Testbilder deutlich: Die übermittelten Fotos zeigen ein Gebiet auf 75 Grad nördlicher Breite des Mondes. So offenbart sich auf dem ersten Foto ein zerklüftetes Gebiet mit zahlreichen Einschlagkratern verschiedener Größe. Während der größte hiervon, Brianchon (Durchmesser: 134 Kilometer), auf der mittleren linke Seite des Bildes zu sehen ist, versteckt sich der zweitgrößte Krater, Pascal, auf der unteren Hälfte des Fotos. "Dieses Bild war der erste Beweis, dass die AMIE-Kamera im Mondorbit immer noch einwandfrei funktioniert,", freut sich Jean-Luc Josset von Space-X, der Chefwissenschaftler der AMIE-Kamera. Auf dem zweiten Foto präsentiert sich der komplexe Einschlagkrater Pythagoras, der einen Durchmesser von 120 Kilometern hat.

Zehn wissenschaftliche Experimente

Unter der wissenschaftlichen Nutzlast, die gerade mal 17 Kilogramm auf die Waage bringt, befinden sich neben AMIE noch neun andere Experimente, die primär Aufschluss über die (exo-)geologische Beschaffenheit und Topographie des Mondes geben sollen. Neben leistungsstarken Röntgen- und Infrarot-Spektrometern zählt hierzu insbesondere das unter der Federführung des Max-Planck-Instituts für Aeronomie in Katlenburg-Lindau gebaute Infrarot-Spektrometer SIR. Es soll die mineralogische Zusammensetzung der Mondoberfläche anhand der reflektierten Infrarotstrahlung systematisch untersuchen. Das nur zwei Kilogramm schwere Instrument arbeitet auf bis zu 266 unterschiedlichen Wellenlängen und erlaubt so eine detaillierte Analyse des Gesteins.

Flankiert wird SIR von dem hochauflösenden Röntgenspektrometer D-CIXS, das den Mond im kurzwelligen Röntgenbereich vollständig kartographieren und chemisch analysieren soll. "SMART-1 soll nun beginnen, mit seinem Infrarot-Spektrometer SIR - zusammen mit dem Röntgen-Spektrometer D-CIXS - die chemische Zusammensetzung der Mondoberfläche zu bestimmen", bestätigt Bernard Foing den Auftrag der beiden wichtigen Instrumente.

Einschlagkrater Pythagoras. Bild: ESA/Space X

Ionentriebwerk

Ein essentielles Ziel der SMART-1-Mission besteht darin, ein neuartiges solar-elektrisches Antriebssystem zu testen, das die zukünftige interplanetare Raumfahrt beflügeln soll: den Ionenantrieb, der mit zehnmal höherer Effizienz als herkömmliche chemische Antriebe arbeitet. Tatsächlich überzeugte SMARTs Antrieb bislang - nennenswerte Probleme tauchten nicht auf.

Eine mit einem Ionenantrieb bestückte Raumsonde wie SMART kommt mit einem Bruchteil der Treibstoffmenge aus. Bei SMART-1 sind es gerade einmal 70 Kilogramm Xenon-Edelgas, das in einem dünnen fortwährenden Strahl aus dem Triebwerk strömt. Das Ionentriebwerk von SMART-1 arbeitet dabei mit Strom, der über die beiden 14 Meter langen bordeigenen Solarpanele erzeugt wird.

Der neuartige Ionenantrieb könnte später einmal völlig neue Navigationsmöglichkeiten ermöglichen und damit Bahnmanöver erlauben, die bei künftigen solaren und interplanetaren ESA-Missionen wie etwa dem Solar Orbiter (Start 2010) und BepiColombo zum Merkur (Start 2012) zum Einsatz kommen soll.

Der Ionenanstrieb von SMART-1 bei einem Test. Bild: ESA

Schnelligkeit ist nicht Trumpf

Bei dem Flug zum Erdtrabanten war Schnelligkeit nicht wichtig. Wofür eine Raumsonde mit gewöhnlichem chemischen Antrieb, wie beispielsweise einst Lunar Prospector etwa nur drei Tage benötigte, brauchte SMART-1 immerhin 16 Monate, obwohl die Sonde bis zu 16.000 Stundenkilometer schnell ist.

Die Erklärung für die augenscheinliche Bummelei liegt im Hauptziel der Mission. Dass nämlich der Flug zum Mond gleich dreimal länger dauert als die interplanetare Exkursion von MARS EXPRESS zum Roten Planeten, hing damit zusammen, dass SMART-1 zuerst auf eine erdnahe Umlaufbahn ging, sich dann von hier aus in einer elliptischen Flugbahn allmählich zum Mond empor schraubte. Daher musste SMART bis dato eine Reihe von komplizierten Manövern und Vorbeiflügen am Mond in Kauf nehmen. Erst am 28. Februar dieses Jahres ist der gewünschte Orbit erreicht.

Zu guter Letzt trägt aber auch der Testlauf des Triebwerks zu der vermeintlichen "Verzögerung" bei. Schließlich geht es darum, eine Technologie zu erproben, die noch in den Kinderschuhen steckt, wie ESA-Forscher Michael Khan bestätigt: "Wir haben eineinhalb Jahre Zeit zu lernen, wie ein Raumfahrzeug mit geringem Schub funktioniert."

Solange SMART-1 auf Dienstreise ist, ist eine Landung auf dem Erdtrabanten übrigens nicht vorgesehen. Erst nach "Dienstschluss" wird der Sonden-Veteran irgendwann mit dem guten alten Mond in direkten Kontakt treten und erst dann hoffentlich (und nicht vorher) eine glatte Bruchlandung hinlegen. Vielleicht kommt ja dann endlich einmal der sagenumwobene Mann auf dem Mond aus seinem Versteck, um der Sonde seine Aufwartung zu machen.