Keine Zeit für Pazifisten
Seite 3: "Fundamental-Pazifismus": Unterlassene Hilfeleistung!
- Keine Zeit für Pazifisten
- Zweifelhaftes Lob des Pazifismus
- "Fundamental-Pazifismus": Unterlassene Hilfeleistung!
- "Realer Pazifismus": Mit Gewalt Verhandlungen erzwingen
- Kein Platz für "echten" Pazifismus: Gewalt gehört zum guten Ton
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Damit landen wir bei der Gretchenfrage an den aufrechten Pazifisten: "Frieden schaffen ohne Waffen"? Das ist doch unterlassene Hilfeleistung, geradezu zynisch! Wenn ein Staat einen anderen überfällt, ist es gerecht und notwendig, dagegenzuhalten. Und moralisch geboten, ihn dabei zu unterstützen, siehe aktuell Deutschland und der Westen.
Eine prinzipielle Ablehnung von Waffengewalt ist ein falscher "Fundamental-Pazifismus". Das sagt nun nicht irgendwer, sondern Franz Alt in einem Beitrag hier auf Telepolis:
Auch die Friedensbewegung muss in dieser Situation umdenken und ihren Appell 'Stoppt den Krieg' an die richtige Adresse richten, nämlich an den Aggressor in Moskau. Das ist schmerzlicher Real-Pazifismus im Gegensatz zum Fundamental-Pazifismus. Fundamental-Pazifismus heute ist ein Pazifismus im Sinne des Aggressors.
Dazu zitiert er als Kronzeugin die berühmteste Pazifistin, Bertha von Suttner:
Jedes Volk hat selbstverständlich das Recht zur Selbstverteidigung.
Auch Franz Alt ist damit bei der gebotenen Parteinahme gelandet. "Volk" setzt er, wie von Suttner, gleich mit "Staat". Damit sind die beiden nicht allein. Diese Gleichsetzung ist seit jeher der Renner, wenn von den Politikern und die sie soufflierenden Medien ein Krieg begründet wird: Der Feind will den braven Bürgern an ihren Besitz, ihr Wohlergehen und natürlich ihre Freiheit! Da müssen sie sich doch wehren, oder? Die Realität trifft das nicht.
Beide Kriegslager nehmen ihr Volk rücksichtslos in die Pflicht
Wenn Russland in die Ukraine einfällt, dann will es den Willen dieses Staats brechen, sich mit dem Westen gegen ihn gemein zu machen. So will die Moskauer Herrschaft ihren Weltmachtstatus aufrechterhalten. Dafür nimmt Putin sein Volk in die Pflicht. Es hat gefälligst dies zu unterstützen, Einschränkungen in Kauf zu nehmen und genügend Soldaten abzustellen.
Gefragt wird das Volk nicht, es hat keine Wahl. Bekanntlich macht es aber mit wie ihm geheißen. Wir müssen uns doch gegen die "Nazis" und die atomare Bedrohung des Westens verteidigen! Mit diesem "Wir", also Volk gleich Staat, wird der ziemlich ungemütliche Gegensatz weggewischt zwischen den Politikern, die die Ansagen machen, und den Bürgern, die diesen Ansagen zu folgen haben, unter Einsatz ihres Hab und Guts und ihres Lebens. Noch dazu für einen Zweck, Stichwort Weltmachtstatus, den partout ein Wassilij Normalmensch nicht hat.
Spiegelbildlich sieht es gegenüber aus. Seit Jahren verfolgt die ukrainische Staatsführung das Ziel, in die EU und in die Nato aufgenommen zu werden. Die einstmals engen Beziehungen zu Russland wurden immer mehr gekappt, bis hin zu offenen Feindschaftserklärungen.
Der Plan lautet: Mit Hilfe des Westens wird die Ukraine endlich zu einer respektablen und erfolgreichen Macht in Südosteuropa. Dafür leistet sich der Staat seit 2014 einen Bürgerkrieg gegen ihre östlichen Regionen – gegen das "eigene Volk", würde die Presse sagen, wenn es sich nicht um die gute Ukraine, sondern um das böse Syrien handelte. Denn diese Sorte Bürger macht bei der Feindschaft gegen Russland nicht mit.
Aber auch das Volk auf Linie bekommt die Ansagen von Selenskyjs Regierung hart zu spüren. Es hat alles zu mobilisieren für den Kampf gegen die angreifenden Russen und Zerstörung, Hunger und Tod hinzunehmen. Und dazu alle wehrfähigen Männer in die Schlacht zu werfen. "Wir" müssen uns gegen den "Aggressor" doch verteidigen? Als wenn der es auf den Bauernhof, die Familie oder das Auto von Jelenska Normalbürgerin abgesehen hätte.
Der ukrainische Staat lässt sein Volk bluten für seinen sehr von seinen Untertanen getrennten Zweck, sein Heil in den Armen des Westens zu finden – koste es dieses Volk, was es dafür bezahlen muss. Das kann dann schon den Verlust des Bauernhofs, der Familie und des Autos bedeuten. Denn das Material und die Menschen stellen schließlich die Mittel des Staats, mit denen er seine Gewalt ermöglicht und anwendet.
Im Krieg sind sie daher logisches Ziel der Auseinandersetzung – sofern sich das Volk es gefallen lässt, für den Staat, dem es unterstellt ist, den Krieg zu führen. Zivile Opfer und zerstörte Wohngebiete stellen daher keine Ausnahme dar, sondern gehören notwendig zu modernen Kriegen – zu studieren an allen der jüngeren (zum Beispiel Irak, Jugoslawien, Vietnam) und älteren Vergangenheit (Erster und Zweiter Weltkrieg).