Kernkraft und Klimapolitik
Seite 2: Langlebige Spaltprodukte
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Ein Kernkraftwerk ist prinzipiell ein ganz normales Wärmekraftwerk, in dem ein Generator, von einer Dampfturbine angetrieben, Strom erzeugt. Nur wird die Wärme zur Dampferzeugung im normalen Kraftwerk durch Verbrennen fossiler Brennstoffe erzeugt, im AKW durch Abbremsen von Kernstrahlung, die dadurch in Wärme umgewandelt wird.
Dazu muss man aber erst einmal genug Kernstrahlung erzeugen, um genügend Wärmeenergie zu gewinnen. Das geschieht durch die Kernspaltung. Dabei wird ein spaltbarer Atomkern (Uran 235, Plutonium 239 oder Uran 233) durch ein Neutron mit entsprechender Energie zertrümmert, wobei neben radioaktiven Spaltprodukten auch Neutronen erzeugt werden. Diese spalten weitere spaltbare Kerne (Kernkettenreaktion), während die Spaltprodukte entsprechend ihren Halbwertszeiten unter Aussendung radioaktiver Strahlung zerfallen.
Die Zerfallsprodukte sind meist wieder radioaktiv und zerfallen weiter. Die meisten der in der Zerfallsreihe auftretenden Isotope haben kurze Halbwertszeiten. Sie liefern daher in kurzer Zeit sehr viel radioaktive Strahlung, deren Energie zum Heizen des Dampferzeugers genutzt werden kann. Aber leider entstehen auch langlebige Isotope mit Halbwertszeiten von einigen Dutzend (Cäsiums135, Strontium 90) bis zu Tausenden von Jahren (Plutonium 139).
Selbst wenn man die Bildung von Plutonium durch Verwendung von aus Thorium erbrüteten Uran 233 vermeidet, erhält man auf jeden Fall langlebige Spaltprodukte, die eine sichere Endlagerung der radioaktiven Abfälle über mehrere hundert Jahre erforderlich machen, inklusive einer entsprechenden Kühlung (siehe Majak-Unfall).
Sichere Endlagerung heißt nicht nur völlige Sicherheit vor Freisetzung in die Umwelt durch technische Defekte, sondern auch völlige Sicherheit vor unbefugten Zugriffen. Aus diesen Abfällen lassen sich nämlich ohne großen Aufwand schmutzige Bomben bauen. Das sind zwar keine Kernwaffen im herkömmlichen Sinne, aber die radioaktive Strahlung reicht für eine Terrorwaffe völlig aus.
Solange geordnete staatliche Verhältnisse bestehen ...
Wenn eine schmutzige Bombe in oder über einer Stadt gezündet würde, würden sicher sehr viele Bewohner verstrahlt werden und die Stadt würde unbewohnbar, genauso wie Pripjat nach der Tschernobyl-Katastrophe. Terroristen, Warlords und Kriminelle wissen das. Wer kann über hunderte Jahre sicher ausschließen, dass solche Leute nicht irgendwann doch in den Besitz des radioaktiven Materials gelangen, wenn es in größeren Mengen verfügbar ist und irgendwo gelagert wird?
Natürlich nicht, solange geordnete staatliche Verhältnisse bestehen. Aber wie schnell es zu Krieg, Bürgerkrieg und Chaos kommen kann, hat sich in letzter Zeit in Ex-Jugoslawien, Syrien, dem Irak und Libyen gezeigt. Und in Libyen sind in dem Durcheinander wahrscheinlich einige chemische Kampfstoffe abhandengekommen, auch wenn selbstverständlich versucht wurde, die Kampfstoffbestände zu sichern und zur Vernichtung außer Landes zu bringen.
Es gibt Gerüchte, dass in Libyen erbeutete Kampfstoffe dann später in Syrien von Islamisten eingesetzt wurden. Ein Kampfstoffeinsatz durch den IS scheint jedenfalls belegt. Die Herkunft der Kampfstoffe ist allerdings nicht sicher bekannt.
Glücklicherweise gelang es in Libyen wenigstens, alles vorhandene radioaktive Material (Yellow Cake) aus einem Forschungsreaktor in Tajoura, das zum Bau einer schmutzigen Bombe geeignet gewesen wäre, sicherzustellen und außer Landes zu bringen. Auch der Verbleib der Atomwaffen nach dem Zerfall der Sowjetunion zeigt, wie schnell bei großen gesellschaftlichen Umbrüchen riesige Probleme aus der notwendigen Sicherung von extremen Gefahrgütern entstehen können.