Kiesewetter-Mord: Bundesanwaltschaft verweigerte Ermittlern Akten

Seite 3: Telefonliste

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Nicht genug: Auch mit der sogenannten Garagen-Adress-Liste von Uwe Mundlos will es dem Nachrichtendienst ähnlich ergangen sein wie mit den Phantombildern. Auf der Liste stehen über 40 Namen von Personen inklusive Telefonnummern aus Jena, Chemnitz, Rostock oder Nürnberg. Vier V-Männer sind darunter, einer war "Corelli" alias Thomas Richter. Drei Personen kamen aus Ludwigsburg. Zwei von ihnen befragte der Ausschuss zum Ende der Sitzung ebenfalls, der dritte ist vor Jahren verstorben.

Diese Telefonliste, die die Polizei im Januar 1998 bei einer Razzia in Jena in einer von Zschäpe gemieteten Garage fand, - daher der Name - und seitdem im Besitz des BKA war, soll dem LfV von BaWü, wie Dittrich erklärte, erst Anfang 2013 zur Verfügung gestellt worden sein. Und erst daraufhin will das Amt von den engen und langjährigen Verbindungen zwischen den Neonazi-Szenen von Chemnitz, Jena und Ludwigsburg gewusst haben.

Aufgelöst

Der größte Schlag gegen die Mordermittler beim LKA in Stuttgart erfolgte von ganz oben nur ein halbes Jahr nach der Aufdeckung des NSU. Zunächst hatte das LKA mit seiner SoKo Parkplatz noch dem BKA zugearbeitet, als sogenannter "regionaler Ermittlungsabschnitt", kurz: "RegEA". Doch zum Mai 2012 wurde die Gruppe aufgelöst. Der Beschluss fiel exakt einen Tag nach dem fünften Jahrestag des Kiesewetter-Mordes am 26.4.2012.

Dass die Ermittlungen längst nicht abgeschlossen waren, belegte die Einsetzung der Ermittlungsgruppe (EG) Umfeld durch den Innenminister im Januar 2013. Warum löst man eine Ermittlungsgruppe auf und gründet eine nächste?, fragte sich der Abgeordnete Boris Weirauch, SPD. Vielleicht liegt die Antwort in den fehlenden Kompetenzen der EG Umfeld, die nur folgenlose Befragungen durchführen durfte, aber keine zwingenden Vernehmungen. Als "Papiertiger" bezeichneten mehrere Mitglieder des NSU-Ausschusses im Bundestag sie.

Durfte das von oben angeordnete Ermittlungsziel "Böhnhardt und Mundlos" nicht gefährdet werden?

Vorgabe des Generalbundesanwaltes

Jedenfalls: Mit der Abschaltung des RegEA BaWü waren die Mordermittler des Bundeslandes von vielen Informationen abgeschnitten. Weil das LKA Kritik äußerte, kam es zu einem aufwendigen und komplizierten Verfahren. Die Fahnder aus Stuttgart mussten zum BKA nach Meckenheim reisen, wo sie Akteneinsicht nehmen konnten.

Wenn sie Akten ausgehändigt haben wollten, mussten sie nicht nur die Seitenzahlen angeben, sondern auch eine rechtliche Begründung liefern. Das Prozedere sei eine Vorgabe des Generalbundesanwaltes (GBA) gewesen, erklärte Axel Kühn, der damals die NSU-Ermittlungen im BKA leitete, dem Untersuchungsausschuss. Nach zielgerichteten, koordinierten Mordermittlungen sieht das nicht aus. In den Augen des Ausschussvorsitzenden Drexler ein "obskures Verfahren", das einer "Ermittlungssperre" gleichkomme.

Ganz Ähnliches berichtete der damalige Leiter der Abteilung Staatsschutz beim LKA von Baden-Württemberg, Karl-Heinz Ruff. Die Aktenherausgabe sei sehr "zeitaufwendig" gewesen oder von der Bundesanwaltschaft sogar "verweigert" worden.

Allerdings muss sich auch das Landeskriminalamt Fragen gefallen lassen. Denn die erwähnte "Garagenliste" von Mundlos will der Staatsschutz, so Ruff, zwar auch erst nach Aufdeckung des NSU erhalten haben, "Ende 2011, Anfang 2012", der Landesverfassungsschutz jedoch musste ein weiteres Jahr darauf warten. Wurde die Liste nicht von Amt zu Amt weitergegeben?

Die Mundlos-Liste führt direkt zur damaligen ludwigsburger Neonazi-Szene. Zschäpe und Mundlos waren ab Mitte der 1990er Jahre oft in der Stadt, Böhnhardt manchmal, und Mundlos zuletzt 2000 oder sogar 2001, als die NSU-Gruppe bereits mit dem Morden begonnen hatte.

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