"Klappmesser gibt es schon für 2,50 Euro"

Seite 3: Alarmierende Fakten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Diese kleine, noch dazu unvollständige Zusammenstellung zeigt, wie häufig bei Auseinandersetzungen ein Messer zum Einsatz kommt - und zwar quasi in allen Lebenslagen. Das ARD-Magazin Kontraste nahm sich ebenfalls des Problems an und ermittelte erschreckende Zahlen:

Kandel, Lünen, Flensburg - kaum ein Tag vergeht ohne eine neue Meldung über brutale Messerattacken. Doch offizielle Statistiken zu den Übergriffen mit Stichwaffen gibt es bislang kaum. Auf Anfrage von KONTRASTE haben nun viele Bundesländer erstmals Zahlen ermittelt. Das Ergebnis: Seit 2015 werden bei tätlichen Auseinandersetzungen immer häufiger Messer benutzt. Die Täter sind meist junge Männer, mancherorts sind Ausländer bzw. Flüchtlinge klar überrepräsentiert. … Auf Anfrage von Kontraste haben zehn Bundesländer Zahlen zu Straftaten mit einem Messer recherchiert. Das Ergebnis zeigt überall eine Steigerung seit 2014: in Hessen etwa um 29 Prozent, in Brandenburg um 55 Prozent, und in Baden-Württemberg um 13 Prozent.

Kontraste, rbb

Allein für die Stadt Leipzig heißt das laut Pressesprecher der dortigen Polizei, Andreas Loepki: "Die Zahl der Fälle, in denen Messer eine Rolle spielten, ist von 62 im Jahr 2014 auf 138 in 2017 gestiegen. Also um 123 Prozent." Allerdings kamen nicht in allen Fällen die Messer auch zum Einsatz.

Die Frankfurter Allgemeine Zeitung berichtete:

Allein in Berlin sind im vergangenen Jahr 2737 Menschen - vor allem junge Männer, auch erschreckend viele Jugendliche - mit dem Messer auf jemanden losgegangen. Die Tendenz ist steigend, und immer größer wird Umfragen zufolge auch die Angst in der Bevölkerung, Opfer einer Messerattacke zu werden.

FAZ

Der Landesvorsitzende der GdP NRW, Arnold Plickert, konstatiert gegenüber Telepolis:

Unsere Kolleginnen und Kollegen schildern uns, dass sie das Gefühl haben, dass Messerattacken zunehmen. Das ist leider bittere Realität. Dabei müssen wir unterscheiden zwischen Messern, die offiziell als Waffe gelten, weil sie eine längere, feststellbare Klinge haben, und einem ganz normalen Haushaltsmesser. Außerdem macht es einen Unterschied, ob mit dem Messer gedroht oder sogar zugestochen wurde, oder ob die Polizei das Messer bei einer Personenkontrolle nur gefunden hat, ohne dass es zuvor gezogen worden ist.

Arnold Plickert

Die tätlichen Auseinandersetzungen würden immer brutaler, so Plickert:

Schlägereien gab es auch früher schon. Aber da war Schluss, wenn einer am Boden lag, heute wird nachgetreten. Wir haben es auch mit organisierter Gewalt zu tun, mit organisierten Massenschlägereien, wo sich ganz gezielt zur Massen-Rauferei verabredet wird, außerdem mit Käfig-Kämpfen, meistens ausgetragen zwischen zwei Männern, bei denen es keine Tabus gibt. Daran sind meistens Angehörige des Rocker-Milieus und der Türsteher-Szene beteiligt.

Arnold Plickert

Doch noch etwas anderes macht dem Gewerkschafter Sorgen:

Jugendliche bewaffnen sich vielfach zum potentiellen Selbstschutz. Sie gehen davon aus, dass jeder ein Messer dabei hat. Dabei sind das hochgefährliche Waffen - und dennoch anders als Gewehre und Pistolen überall zu kaufen. Küchenmesser gibt es für ein paar Euro im Haushaltsladen. Im Waffenladen werden Hunderte Jagdmesser, Wurfmesser, Taschenmesser und Klappmesser angeboten - die Preise beginnen bereits bei 2,50 Euro.

Arnold Plickert

Die Verantwortung für die Vermeidung von Messerstechereien sieht Plickert vor allem in den Elternhäusern:

Im Prinzip ist da jetzt die gesamte Gesellschaft gefordert. Wir müssen den Kindern Werte vermitteln. Das ist Aufgabe der Schulen, aber zuallererst einmal der Elternhäuser. Kinder müssen früh lernen, gewaltfrei zu kommunizieren und auch Konflikte ohne Gewalt, insbesondere ohne Einsatz von Waffen auszutragen. Schulen sind keine gefährlichen Orte, da braucht niemand eine Waffe zu tragen. Und Eltern müssen dafür sorgen, dass ihre Kinder nicht irgendwelche zufällig rumliegenden Messer einstecken. Das ist ihre Sorgfaltspflicht.

Arnold Plickert

Warnung vor Selbstbewaffnung

Die vielen Meldungen über Gewalttaten im öffentlichen Raum verunsichern zunehmend die Gesellschaft, manche versuchen sich zu schützen, indem sie sich eine Schreckschusspistole oder Pfefferspray beschaffen. Davor warnt Plickert eindringlich:

Nach der Kölner Silvesternacht ist die Nachfrage nach dem kleinen Waffenschein sprunghaft gestiegen. Ende des vergangenen Jahres gab es in NRW bereits mehr als 140 000 Inhaber des sogenannten kleinen Waffenscheins. 50 000 mehr als zwei Jahre zuvor.

Schreckschusspistolen oder Pfefferspray bei sich zu tragen, birgt enorme Risiken. Zum einen können selbst Schreckschusspistolen tödliche Verletzungen hervorrufen, und Pfefferspray kann sehr schnell zur Selbstverletzung führen. Wenn es angewandt wird, ist die Hand zittrig, es ist eine Ausnahmesituation, da kann es leicht passieren, dass der Strahl versehentlich gegen die eigene Person gerichtet wird, oder diese zumindest in Mitleidenschaft gezogen wird. Außerdem gibt es immer das Risiko, dass der Täter größer und stärker ist, als die angegriffene Person. Das kann dazu führen, dass er ihr die Waffe entwendet und gegen sie richtet.

Sehr viel sinnvoller, als Waffen oder Pfefferspray mit sich zu tragen, sind Selbstverteidigungskurse, vor allem aber, ein paar Verhaltensregeln einzutrainieren: Wenn sich jemand an einem öffentlichen Ort in einer Gefahrensituation befindet, die von einer anderen Person ausgeht, dann ist es hilfreich, Passantinnen und Passanten ganz gezielt anzusprechen. Nicht bloß "Hilfe" rufen, sondern z. B.: "Sie da, der Herr mit dem grünen Parker', oder 'die Dame mit dem bunten Regenschirm, würden Sie mir bitte helfen?"

Wer sich einer Gruppe von potentiellen oder tatsächlichen Aggressoren gegenübersieht, ist gut beraten, sich gezielt einen aus der Gruppe rauszusuchen, ihn anzusehen und nur ihn anzusprechen. Das bricht die Gruppendynamik auf der Gegenseite. Außerdem gibt es ein Gerät, dass sich jede Frau besorgen kann, das einfach an dem Riemen der Tasche befestigt werden kann, und das die meisten Angreifer in die Flucht schlagen dürfte: Ein Warngerät, das einfach zu bedienen ist, und losheult wie eine Sirene.

Arnold Plickert