Klare Kante gegen Islamisten und andere Rechtsextreme
Islamismus vs. Rassismus: Politiker fast aller Parteien bewerben nach Terrorakt in Mannheim alte Abschiebepläne. Dies betrifft auch Opfer von Islamisten. Ein Kommentar.
Es ist natürlich auch Wahlkampfrhetorik, wenn kurz vor den Europawahlen wieder Politiker fast aller Parteien außer der Linken und den Grünen schnelle Abschiebungen nach Afghanistan und Syrien fordern. Derzeit sind Abschiebungen in beide Länder wegen der Sicherheitslagen dort ausgesetzt.
Aktueller Anlass für die Forderung, dies zu ändern, ist der islamistische Terrorangriff in Mannheim, bei dem ein abgelehnter Asylbewerber aus Afghanistan einen Polizisten tödlich verletzte. Weitere Personen, darunter der rechte Islamkritiker Michael Stürzenberger, mussten ins Krankenhaus eingeliefert werden.
Sollten wieder Abschiebungen nach Afghanistan ermöglicht werden, beträfe das allerdings eine ganze Reihe von Geflohenen, die keineswegs die Werte des islamistischen Taliban-Regimes teilen, sondern dort Repressalien fürchten müssten.
Trotz Mullah-Regime: Selbst in den Iran wird abgeschoben
Eine menschenrechtliche Kritik an diesen Vorschlägen formulierte die Legal Tribune Online (LTO). Auch Abschiebungen in das iranische Mullah-Regime sind momentan nicht ausgeschlossen. Da bei der letzten Innenministerkonferenz nicht einmal darüber abgestimmt wurde, ob der Abschiebestopp in das Land verlängert werden soll, ist er einfach ausgelaufen – aus Bayern wurden seither mindestens vier Menschen in den Iran abgeschoben.
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Genozid-Jahrestag ohne Abschiebestopp für Überlebende
Dort wurden auch bereits mehrere Männer hingerichtet, die sich mit der "Frau-Leben-Freiheit-Bewegung" nach dem Tod von Jina Mahsa Amini im Herbst 2022 solidarisiert hatten.
Schon bei jener Innenministerkonferenz im Dezember 2023 sollte sich ein Gremium damit befassen, wie Abschiebungen von verurteilten Straftätern auch nach Afghanistan und Syrien möglich gemacht werden können. Verurteilte Straftäter müssen nicht immer Islamisten sein oder schwere Gewalttaten begangen haben. Auch progressive kurdische Organisationen und Demos, an denen sich progressive iranische Kurden beteiligten, sind hierzulande von Repression betroffen.
Der Anschlag von Mannheim sorgt nun dafür, dass diese Vorschläge erneut eingebracht werden.
Keine Abschiebungen nach Afghanistan, Syrien oder Iran!
Im juristischen Fachmedium LTO heißt es dazu:
Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit bedroht ist. Und das gelte auch für die Abschiebung von so genannten Gefährdern oder Straftätern, die sich nach § 60 Abs. 8 AufenthaltsG nicht auf das Refoulementverbot der Genfer Flüchtlingskonvention berufen können.
Legal Tribune Online
Auch Klaus Blees vom Kompetenzzentrum Islamismus der Aktion 3. Welt Saar lehnt die Forderung entschieden ab, egal ob sie von Parteien der sogenannten Mitte kommen oder von Rechtsaußen.
Islamismus: Verfolgte vor Verfolgern schützen!
"Wenn die Jugendorganisation der AfD, die 'Junge Alternative', bei einer ‚Mahnwache‘ in Mannheim als Antwort auf die Tat die 'Remigration' von Flüchtlingen fordert, stellt sie sich auf die Seite der islamistischen Gewalttäter", so Blees im Gespräch mit Telepolis. "Denn diese Forderung impliziert de facto, Menschen, die vor islamistischer Gewalt geflohen sind, in ihre Herkunftsländer zu deportieren und dort erneut ihren islamistischen Verfolgern auszusetzen."
Islamistischen Terror klar benennen
Zugleich warnen Blees und die Organisation davor, den islamistischen Terrorangriff vom 31. Mai in Mannheim zu bagatellisieren. Denn bei diesem Tatbestand bleibt es auch, wenn die Angegriffenen, darunter Michael Stürzenberger, tief im rechten Milieu verankert sind und eher pauschalen Islamhass und rassistische Ressentiments schüren, als emanzipatorische Islamkritik zu betreiben.
Wie Stürzenberger und die Bürgerbewegung Pax Europa politisch einzuordnen seien, ändere nichts am verbrecherischen Charakter des Messerangriffs gegen sie, betont Blees. "Den Verletzten wünschen wir eine baldige Genesung."
Stürzenbergers NS-Relativierung bleibt kritikwürdig
Der Angriff dürfe aber nicht in politischen Kredit für sie umgemünzt werden – denn es bleibe zum Beispiel eine NS-Relativierung, wenn Stürzenberger bei seinen regelmäßigen öffentlichen Auftritten den Koran mit Hitlers "Mein Kampf" vergleiche.
Die Stellungnahme zeigt, dass es möglich ist, sowohl Rassismus als auch Islamismus zu bekämpfen. "Antisemitismus und Rassismus gemeinsam bekämpfen", ist das Motto einer Initiative im Vorfeld des fünften Jahrestages des Terroranschlags von Halle – der Täter Stephan Balliet hatte mit Islamisten Antisemitismus und Frauenhass gemeinsam, war aber kein Islamist und kann nirgendwohin abgeschoben werden.
Balliet wollte am 9. Oktober 2019 in die Synagoge eindringen, um möglichst viele Juden zu ermorden. Als die kompakte Tür einen Pogrom verhinderte, erschoss er auf offener Straße zwei Menschen.
Gegen Rassismus und Antisemitismus
"Antisemitismus und Rassismus gemeinsam bekämpfen", könnte auch ein wichtiges Motto gegen einen Schulterschluss mit Islamisten in der Palästina-Solidaritätsbewegung sein. Denn nach dem Pogrom der Hamas am 7. Oktober wurde zum Teil von einer antikolonialen Aktion gesprochen – und die Islamisten damit implizit zu Bündnispartnern von linken Israel-Kritikern erklärt.
Wie solche Querfronten gegen Israel funktionieren, konnte man in den letzten Monaten an vielen Universitäten in aller Welt sehen. Dort wurde oft nicht mal der kleinste Versuch unternommen, den Opfern des islamistischen Terrors vom 7. Oktober zu gedenken, was aktuell das Anliegen der Initiative Freiheit für die Geiseln der Hamas auf dem Bebelplatz in Berlin ist.
Gerade erst wurde der Tod von vier weiteren Geiseln, darunter der 79-jährige israelische Friedensaktivist Haim Perry, bekannt. Mehr als 120, von denen teilweise unklar ist, ob sie noch leben, sollen sich weiter in der Gewalt der Hamas befinden.
"Keine Querfront gegen Israel" sollte Konsens aller progressiven Kräfte sein. Da wäre schon viel gewonnen, wenn Islamisten, zu denen auch die Hamas gehört, genau behandelt würden, wie andere Ultrarechte: Die werden bekämpft und nicht als Bündnispartner gesehen.