Klimaziele und Inkompetenz

Seite 2: Lastmanagement und Ladestationen

Christoph Jehle hat kürzlich in seinem Artikel "Was bewegt sich bei der Stromversorgung?" über die Forderung des Bundesrats nach Einführung von Smart Metern und den Anspruch der Verbraucher auf dynamische Verträge geschrieben. Smart Meter sind digitale Zähler, die ihre Daten laufend an eine Zentrale melden und so dynamische Verträge ermöglichen, bei denen der Strom zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich teuer ist.

Solche Verträge sind notwendig für ein Lastmanagement. Die Idee dabei ist simpel: Wenn wenig Strom vorhanden ist, wird er teurer und die Kunden schalten Geräte, die warten können, ab. Wenn viel Strom vorhanden ist, wird er billiger und die zuvor abgeschalteten Geräte werden mit dem billigeren Strom betrieben. Dadurch wird der Verbrauch an die vorhandene Strommenge angepasst.

Allerdings liegt der Teufel mal wieder im Detail. Die Elektrogeräte im Haushalt müssen zum größten Teil zu bestimmten Zeiten laufen, unabhängig vom Strompreis. Die Lampe muss leuchten wenn es dunkel ist und wenn ich zu einer bestimmten Zeit essen will, muss ich davor kochen. Zeitunkritisch sind nur wenige Geräte wie Waschmaschine und Geschirrspüler und die Leistungen dieser Geräte sind relativ gering.

Ob der Aufwand für das Lastmanagement dafür lohnt, darf bezweifelt werden. Vermutlich ist der Einbau der Smartmeter und der entsprechenden Steuerungstechnik teurer als die ganze mögliche Stromkosteneinsparung.

Ganz anders sieht es allerdings beim Ladestrom für die Elektroautos aus. Dort geht es um sehr viel größere Leistungen und Strommengen und ein Smartmeter ist in jeder öffentliche Ladestation für die Abrechnung sowieso notwendig.

Wir müssen in Deutschland in der nächsten Zeit ein flächendeckendes dichtes Netz von Ladestationen schaffen. Das ist eine unumgängliche Notwendigkeit für den weiteren Übergang zur Elektromobilität. Deshalb müssen hier entsprechende Standards geschaffen werden, die Gesetzeskraft haben.

Dabei sollte man natürlich genau überlegen, was man vorschreibt, denn damit wird die Entwicklung auf Jahre, vielleicht sogar Jahrzehnte hinaus festgeschrieben. Aber wir müssen uns nun mal jetzt entscheiden, wie unsere Zukunft aussehen soll.

Zunächst muss festgelegt werden, für welche Leistung das Ladenetz ausgelegt werden soll. Es geht hier nicht um ein Schnelladenetz mit möglichst hohen Leistungen, damit die riesigen Batterien von Hi-End-Edelkarossen wie dem Tesla Modell S oder Porsche Taycan in kurzer Zeit aufgeladen werden können. Derartige E-Autos als Langstreckenlimousinen sind so notwendig wie ein Kropf.

Wenn die Industrie sie als Hi-End-Produkte und Statussymbol anbieten will, so möge sie das tun und dafür auch noch ein Schnellladenetz an den Autobahnen schaffen. Aber bitte ohne Förderung vom Steuerzahler.

Anders sieht die Sache bei Kleinwagen und Mittelklassefahrzeugen sowie Kombi's und Kleinbussen/Lieferfahrzeugen aus. Wir haben derzeit zwar mit 47 Millionen zugelassenen PKW viel zu viele Fahrzeuge auf unseren Straßen, aber man wird auch in Zukunft sicher derartige Autos brauchen, vermutlich zwischen 10 und 20 Millionen in Deutschland. Mit einer angenommenen durchschnittlichen Lebensdauer von 15 Jahren ergibt sich ein Bedarf von 650 000 - 1,5 Mio Neuzulassungen pro Jahr (bisher über 3 Mio/Jahr). Und diese Fahrzeuge müssen mit Strom fahren.

Derzeit ist die deutsche Industrie allerdings überhaupt nicht in der Lage, in den nächsten Jahren derartige Zahlen an E-Autos zu produzieren, weil dafür keine Batterien vorhanden sind.

Batteriefabriken

Zur Zeit schießen zwar die Batteriefabriken weltweit wie Pilze aus dem Boden, auch in Deutschland werden 4 neue Batteriewerke mit riesiger Produktionskapazität gebaut (Tesla in Grünheide, 100 GWh/a, SVolt im Saarland 24 GWh/a, CATL am Erfurter Kreuz, 14 GWh/a und VW/Northvolt in Salzgitter, 16 GWh/a), aber erstens sind die alle noch im Bau und zweitens sagt keiner, wo die benötigten Mengen der Rohstoffe Kobalt , Lithium und Nickel herkommen sollen. Selbst wenn man die geringere Speicherdichte von Lithiumeisenphosphatakkus in Kauf nimmt, um auf Kobalt und Nickel zu verzichten, werden riesige Mengen Lithium benötigt, die kaum verfügbar sind.

Ich gehe davon aus, dass die Akkuzellen auch weiterhin der Flaschenhals seien werden, der die Produktionszahlen bestimmt. Deshalb sollte man Hybridfahrzeuge mit einer elektrischen Reichweite von etwa 100 km (ca 20 kWh Akkukapazität) bauen.

Das sehen die Verantwortlichen in der Autoindustrie offenbar ähnlich und die meisten großen Autohersteller (außer Tesla) bieten eine größere Anzahl von Hybridmodellen als reine E-Autos an. Man kann natürlich darüber streiten, ob diese Fahrzeuge für ihr zukünftiges Einsatzprofil im Rahmen der Energiewende optimal ausgelegt sind. Meist reichen die Batterien nur für 30-50 km, sinnvoll wären 100 km.

Und die Benzinmotoren sind meist total überdimensioniert für Fahrzeuge, die eigentlich elektrisch gefahren werden sollten. Der Verbrennungsmotor soll ja nur dazu dienen, dass man die Akkukapazität voll ausnutzen kann und nicht liegen bleibt, wenn man sich mal verschätzt hat. Eine Nutzung als Langstreckenlimousine im Verbrennermodus darf höchstens in Ausnahmefällen vorkommen. Aber man kann mit diesen Fahrzeugen sehr viel CO2 einsparen, wenn man sie konsequent mit Ökostrom lädt.

Leider ist das derzeit praktisch nicht möglich, denn die wenigsten Fahrer wissen genau, wann überschüssiger Ökostrom im Netz ist. Deshalb können sie nicht genau dann laden. Außerdem brächte ihnen das auch keine Vorteile, da der Strom ja zu jeder Tageszeit gleich viel kostet.

Dynamischer Tarif

Wenn der Gesetzgeber hier einen dynamischen Tarif vorschreiben würde, bei dem der Peakstrom deutlich günstiger ist als zu anderen Zeiten und dazu eine Steuerung, die ein Laden exakt zu Peakzeiten ermöglicht, würden die E-Autos einen ordentlichen Beitrag zum CO2-Sparen leisten und gleichzeitig durch sinnvollen Verbrauch des Peakstroms die Netze entlasten und so Freiheitsgrade für den dringend notwendigen weiteren Ausbau der Ökostromerzeugung schaffen.

Als Lademöglichkeit verfügen die meisten E-Fahrzeuge über einen Typ-2-Anschluss, mit dem sie meist mit 11 kW geladen werden können. Damit kann eine leere 20 kWh-Batterie in etwa anderthalb Stunden auf 80% aufgeladen werden. Der Typ-2-Stecker ist Standard an allen öffentlichen Ladesäulen in Deutschland und verfügt über zwei Kommunikationspins.

Hier müsste man nur ein entsprechendes Softwareprotokoll schaffen, durch das ein gezieltes Laden zu Peakstromzeiten möglich ist. Dies Protokoll muss dann natürlich an allen Ladestationen (außer Schnellladestationen)zwingend vorgeschrieben sein und per Update auch auf den bereits vorhandenen Fahrzeugen und Ladestationen installiert werden.

Damit der Ladepeakstrom wirklich billiger wird, könnte man ihn von der EEG-Umlage befreien. Das würde warscheinlich auch noch die EEG-Umlage senken, denn dadurch, dass der Peakstrom sinnvoll verwendet wird, muss er nicht mehr zu Dumpingpreisen verschleudert werden und wenn man für den gesamten, zur Peakzeit erzeugten Strom dann nur 2 ct/kWh mehr Erlös erzielt, sinkt die EEG-Umlage insgesamt, solange der Ladestromanteil nicht über ca 30% liegt.

Das ginge natürlich zu Lasten der Großverbraucher in der Industrie, die dann den Peakstrom nicht mehr geschenkt bekommen.

Kraftwerksreserveleistung für Dunkelflauten

Und wenn wir schon dabei sind, Standards festzulegen, sollten wir auch gleich noch zusätzlich ein Protokoll mit einbauen, das eine Rückeinspeisung von Strom im Notfall vorsieht. Viele E-Autos sind sowieso rückspeisefähig und man sollte diese Möglichkeit generell vorsehen.

Da bei länger andauernden Störungen auch die größte Autobatterie schnell leer ist, sollte man vorsehen, dass die Hybridfahrzeuge im Stand als Notstromaggregate in einem virtuellen Kraftwerk genutzt werden können, damit auch bei größeren Störungen die einzelnen Niederspannungsnetze autonom in einem Notmodus betrieben werden können, solange Treibstoff vorhanden ist.

Technisch ist das ohne großen Aufwand machbar. Und wenn es in den Bafa-Förderbedingungen gefordert wird, wird es keinen Produzenten geben, der sich weigert, diese Technik zu implementieren. Auch die Autokäufer werden sich nicht dagegen sträuben, denn erstens ist es sinnvoll, auf diese Weise eine Notfallreserve für das Stromnetz zu schaffen (auf dessen Funktionieren sie ja selbst auch angewiesen sind) und zweitens geht es um mehrere Tausend Euro Zuschuss zum Autokauf. Natürlich muss die Vergütung des erzeugten Notstroms gesetzlich geregelt werden, ebenso wir die Frage, wer in welchen Situationen berechtigt ist, die Nutzung dieser Option auszulösen.

Damit könnte man in einer Übergangszeit auch die notwendige Kraftwerksreserveleistung für Dunkelflauten schaffen, die ja nur selten benötigt wird, aber vorhanden sein muss. In ferner Zukunft kann man dann diese Reserveleistung successive durch Langzeitspeicher ersetzen, wenn diese dann irgendwann zur Verfügung stehen und auch genügend Ökostrom erzeugt wird.

Und die Hybridvariante hat neben dem geringeren Akkubedarf einen weiteren Vorteil: Den kleineren Akku kann man auch mit geringeren Ladeleistungen in vertretbarer Zeit aufladen. Das ermöglicht es, die vorhandenen Leitungen der Niederspannungsnetze als Basis für die Ladeinfrastruktur zu nutzen. Dort sind nämlich noch einige Reserven vorhanden, die bisher aber nicht genutzt werden konnten, weil man nicht riskieren kann, dass durch Überlastung die Hauptsicherungen kommen.

Mit einer smarten Netzsteuerung können diese notwendigen Reserven aber sehr viel kleiner sein, denn wenn wirklich mal eine Überlastung droht, kann sofort ein Verbraucher vom Netz genommen werden und so ein reibungsloser Netzbetrieb weiter gewährleistet werden.

Um die vorhandenen Reserven beim CO2-Sparen zu nutzen, währen schnell einige politische Entscheidungen notwendig, damit die notwendigen Arbeiten begonnen werden können. Aber man streitet sich lieber über irgendwelche Ziele für 2030, anstatt die Hausaufgaben zu machen, damit die jetzt notwendigen Maßnahmen zügig umgesetzt werden können.

Warum? Die Sache ist einfach: Wenn wir mit dem CO2-Sparen Ernst machen wollen, müssen wir den Verbrauch der fossilen Brennstoffe zurückfahren. Das bedeutet aber große Umsatzeinbußen nicht nur für die Lieferanten der Brennstoffe, sondern auch für alle, die Geräte und Anlagen zu ihrer Nutzung herstellen.

Die Energiewende ist eine Überlebensfrage

Wenn wir aus der Kohle aussteigen, bedeutet das nicht nur das Aus für Kraftwerke und Tagebaue sondern auch, dass Kraftwerksausrüster und Produzenten von Tagebau- und Kohletransporttechnik keine Aufträge mehr bekommen, nicht einmal mehr für Reparatur und Instandhaltung.

Wenn wir den Verkehrssektor konsequent auf Ökostrom umstellen, sinkt unser Ölverbrauch um mehr als die Hälfte. Damit werden viele Raffinerien überflüssig. Und so geht es weiter. Wenn wir den Verkehr reduzieren und auf die Schiene verlagern, werden viele Autos überflüssig und die Absatzkrise der Autoindustrie verschärft sich noch weiter. Eine wirkliche Energiewende bedeutet das Aus für die halbe heutige Industrie.

Aber wir müssen endlich akzeptieren, dass das unumgänglich ist. Die Energiewende ist nicht nur eine Umstellung der Energieproduktion, sondern eine Transformation der gesamten Wirtschaft mit Auswirkungen auf alle Bereiche, Geschäftsmodelle und Machtpositionen. Man kann sich nun mal nicht waschen, ohne sich nass zu machen.

Und die Uhr tickt. Die Energiewende ist eine Überlebensfrage für uns und wenn wir sie verbummeln, werden wir in Zukunft sehr teuer dafür bezahlen.