"Kloppe für den Abgeordneten"

Unverhohlen feiert man auf rechtsextremen Websites die Gewalt gegen den PDS-Politiker Sayan und Ausländer

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Wer Zweifel daran hegen sollte, ob der Angriff auf den PDS-Politiker Giyasettin Sayan aus rassistischen Motiven erfolgte, muss sich nur auf einschlägigen rechtsextremistischen Webseiten umschauen, um die dort geäußerte Häme und Billigung und damit den Kontext festzustellen, in dem solche Gewalttaten ausgebrütet werden. Und dass manchmal Polizisten gegen ausländerfeindliche und rassistische Pöbeleien nur zögerlich, wenn überhaupt vorgehen, hatte unlängst ein Vorfall in Halle gezeigt. Dort wurde beim Fußballspiel der dunkelhäutige Leipziger Spieler Adebowale Ogungbure nicht nur von dumpfen „Fans“ wie gewohnt beschimpft und lächerlich gemacht, sondern auch bespuckt und geschlagen. Die Polizei holte sich nicht die Übeltäter, sondern Ogungbure wurde von ihr angezeigt, weil er als Reaktion auf die rassistischen Angriffe den Hitlergruß zynisch vor der Tribüne gemacht hatte (Wird die Fußball-Welt zu Gast bei Freunden sein?).

Das ist eine offenbar geduldete Stimmung im Land, in das bald viele Menschen aus aller Welt zur Weltmeisterschaft einreisen sollen und das dringend anstatt dummer Fremdenfeindlichkeit Toleranz und Offenheit für Menschen aus aller Welt zeigen müsste, um wirtschaftlich und kulturell attraktiv und leistungsfähig bleiben zu können. Dabei sind die sogenannten „No-Go-Areas“ oder „ausländerfreien Zonen“, in denen die nicht in die Gesellschaft integrierten, mit Gewalt aufgefüllten deutschen Neonazis hausen, nicht nur ein Problem für Menschen, die irgendwie nicht deutsch aussehen, selbst wenn sie es sind. Hier könnten sich retardierte, politisch, kulturell und wirtschaftlich verkümmernde Parallelgesellschaften ausbilden, die anders als Slums oder Ghettos in anderen Ländern aber für das ganze Land stehen und es aus einer wahrhaft verblendeten, Alkohol-getränkten Scheuklappen-Ideologie von vermeintlicher Identität in eine gefährliche Isolation ziehen können. „No-Go“ muss keine Straße, keine Stadtviertel und keine Gemeinde sein, aber wenn die Angst vorhanden ist, dass man an einem Ort aufgrund seines Aussehens nicht sicher ist, reicht dies schon.

Auch wenn manche – bestärkt durch die mutmaßliche Falschaussage des italienischen Touristen, Opfer eines fremdenfeindlichen Angriffs geworden zu sein – möglicherweise selbst aus der Linkspartei den angesichts der schweren Verletzungen allerdings unwahrscheinlichen Verdacht hegen, dass Sayan womöglich die aufgeheizte Stimmung im Land ausnutzen könnte, um durch eine Inszenierung als Opfer einer ausländerfeindlichen Tat die Chance auf eine Kandidatur für die Wahlen im Herbst zu erhöhen, würden Äußerungen in den rechten Szenen die Lage ins rechte Licht rücken. Man feixt dort, freut sich und macht seine Witze über das Opfer, stimmt dem Angriff jedenfalls in seiner rassistischen und fremdenfeindlichen Ausrichtung wie im Störtebeker-Netz unverhohlen zu und ruft so indirekt zu weiteren Gewalttaten auf oder bezeichnet Sayans Zeugenaussage als „mit echt orientalischer Phantasie vorgetragene Erzählung“:

Kloppe für den Abgeordneten – PDS-Vorzeigetürke suchte offenbar allzu viel Volksnähe.

Meckern allein hilft nichts, dachten sich offenbar zwei Jugendliche, als sie gestern abend in Berlin-Lichtenberg einem Berliner Abgeordneten der PDS zu Leibe rückten und ihm das verpaßten, was man in linken Kreisen, sofern es einen politischen Gegner trifft, früher mal als „proletarische Abreibung“ bezeichnete. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, daß die Linkspartei PDS solchen Gruppierungen immer wieder logistisch und materiell unter die Arme greift. In diesem Fall traf es zur Abwechslung einmal einen der Drahtzieher. Pikant in diesem Zusammenhang ist dabei, daß es sich nicht um irgend einen Abgeordneten handelt, sondern um den PDS-Quotentürken Giyasettin Sayan (56), der für die PDS seit 1995 im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt.

Im Verlauf der Auseinandersetzung erhielt Sayan nach einer verbalen Auseinandersetzung, in der angeblich Ausdrücke wie „Scheiß Ausländer, Scheiß Türke“ gefallen sein sollen, einen oder mehrere Hiebe mit einer Flasche, was ihm eine Gehirnerschütterung und einige Prellungen einbrachte. Ein Umstand den man eigentlich nur als Glück für Sayan bezeichnen kann, da dieser in einer ähnlichen Auseinandersetzung mit Volksgenossen vermutlich weniger glimpflich davon gekommen wäre, bevorzugt man in diesen Kreisen doch für gewöhnlich etwas drastischere Hilfsmittel, um mit unliebsamen Zeitgenossen fertig zu werden.

Das Opfer hat es verdient und darf froh sein, noch so davongekommen zu sein, er wurde ja von Mitgliedern einer hochstehenden Kultur krankenhausreif geschlagen. Man lobt selbstverständlich das verschärfte Ausländerrecht in Frankreich und macht dann trotz zynischer Rhetorik unmissverständlich den geschürten Rassismus mit der darin enthaltenen Billigung von Gewalt gegen Ausländer deutlich:

So ist natürlich nichts gegen die Zuwanderung qualifizierter Leute in Berufsbereichen einzuwenden, wo sie wirklich gebraucht werden, aber was wird mit all dem bereits im Lande befindlichen fremdvölkischen Menschenmaterial, daß als nutzlosen humanoiden Müll zu bezeichnen Ethik, gute Erziehung sowie ein Blick ins Strafrecht verbietet?

Und natürlich wird auch aufgerechnet, also dass – als „Gegenseite“ bezeichnet - der Anteil ausländerfeindlicher oder rassistischer Straftaten verschwindend gering und die Zahl der von Ausländern verübten Straftaten hoch sei:

Tatsächlich hält sich die Anzahl „fremdenfeindlicher“ Gewalttaten in Berlin in mehr als bescheidenen Grenzen. So wurden für das Jahr 2005 gerade mal 18 (!) festgestellt. Und die Gegenseite? Laut amtlicher Polizeikriminalstatistik für 2005 gab es in Berlin in diesem Jahr 23 Morde. Der Anteil der ausländischen Tatverdächtigen liegt bei 43,8 Prozent. Dazu gesellen sich für das Jahr 2006 46 Fälle von Totschlag. Anteil der ausländischen Tatverdächtigen 42,5 Prozent.

Bei 610 im Jahre 2005 in Berlin erfaßten Fällen von Vergewaltigung und sexueller Nötigung in besonders schwerem Fall liegt der Ausländeranteil bei 38,5 Prozent, bei 235 Fällen sonstiger sexueller Nötigung für den gleichen Zeitraum liegt der Ausländeranteil bei 34,9 Prozent.

Nach der Kriminalitätsstatistik der Berliner Polizei für das Jahr 2005 geht die Zahl der Straftaten zwar allgemein zurück, bei Nicht-Deutschen ist dies aber tatsächlich nicht der Fall, wobei deren Zahl allerdings schwer einzuschätzen ist, weil hier Touristen, Illegale, Grenzpendler oder Besucher nicht mitgezählt werden, bei den Tätern aber schon:

Die Kriminalität männlicher jugendlicher Nichtdeutscher ist insgesamt überproportional hoch und dies insbesondere im Bereich der Rohheits- und Gewaltdelikte, speziell bei Sexualdelikten und Raubtaten in der Öffentlichkeit.

Kriminalitätsstatistik 2005 für Berlin

Auch die rechts motivierten Gewaltdelikte sind zurückgegangen, die Zahl der anderen Straftaten hat sich erhöht, was allerdings auch auf ein schärferes Vorgehen der Polizei zurückgeführt werden könnte. Besonders markant ist der Anstieg der „Propagandadelikte“, der Sachbeschädigungen und der Verstöße gegen das Versammlungsgesetz.

Bundesweit bietet sich jedoch ein anderes Bild als in Berlin. Ganz allgemein gehen die begangenen und angezeigten Straftaten zurück, und allgemein nimmt der Anteil der deutschen Straftäter zu, während der der nichtdeutschen abnimmt – und dies schon kontinuierlich seit vielen Jahren. So lag der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger ab 21 Jahren 1993 noch bei 33,8%, 2005 aber nur noch bei 24,0%, während der Anteil der deutschen Tatverdächtigen umgekehrt von 66,2 auf 76% gestiegen ist. Ähnlich ist dies bei den tatverdächtigen Heranwachsenden (18-21 Jahre), wo 1993 die nichtdeutschen Heranwachsenden noch einen Anteil von 42% hatten, 2005 nur noch von 20,1%. Bei Kindern bis 14 Jahren ist allerdings bei den nichtdeutschen gegenüber 2004 eine Steigerung von 17,7 auf 18,6 zu verzeichnen. Während bei deutschen und nichtdeutschen Kindern allgemein ein Rückgang bei allen Straftaten erfolgt ist, stieg der Anteil tatverdächtiger deutscher Kinder bei Körperverletzung um 0,5%.

Die Anteil der nichtdeutschen tatverdächtigen Jugendlichen zwischen 14 und 18 Jahren ist ebenfalls seit 1993 von 27,6 auf 17% gesunken, aber bleibt seit 2002 mehr oder weniger konstant. Allerdings ist sowohl bei den deutschen Jugendlichen ein Anstieg beim Verdacht auf Körperverletzung um 2,3% und bei nichtdeutschen um 3,3% zu sehen. Allgemein heißt es zum Anteil Nichtdeutscher an den Tatverdächtigen, dass sich dies mit dem von Deutschen nicht direkt vergleich lässt. Es ist unbekannt, wie viele Nichtdeutsche illegal in Deutschland leben oder sich als Touristen, Durchreisende etc. zeitweise hier aufhalten. Viele Straftaten betreffen natürlich das Ausländer- oder Asylrecht, was die Deutschen gar nicht betrifft. Zudem unterscheiden sich Deutsche und Nichtdeutsche auch in anderen wichtigen Hinsichten:

Danach sind die sich in Deutschland aufhaltenden Personen ohne deutsche Staatsangehörigkeit im Vergleich zu den Deutschen überproportional häufig männlichen Geschlechts, unter 30 Jahre alt und Großstadtbewohner und besitzen somit häufiger Eigenschaften bzw. leben in Situationen, die auch bei Deutschen zu einem höheren Kriminalitätsrisiko führen.

Erwähnt wird auch ein „unterschiedliches Anzeigenverhalten“ von Deutschen und Nichtdeutschen. Dies wird nicht weiter erklärt, ist aber wohl so zu sehen, dass Nichtdeutsche, zumal wenn sie sich illegal im Land aufhalten, weniger Anzeigen stellen dürften. Einen größeren Anteil an Verdächtigen stellen Nichtdeutsche übrigens beim Kokainhandel, Menschenhandel, Glücksspiel und Taschendiebstahl. Und zu den tatverdächtigen Nichtdeutschen zählen natürlich auch Menschen anderer EU-Mitgliedsstaaten.

Nach dem heute von Bundesinnenminister Schäuble veröffentlichten Verfassungsschutzbericht haben 2005 die politisch rechts motivierten Straftaten um 27% und vor allem auch die rechsextremistischen Gewalttaten um 23% zugenommen. Demgemäß hat natürlich auch die Zahl der von deutschen Rechtsextremisten betriebenen Websites zugenommen, auf denen die rassistische Ideologie verbreitet und Gewalt gebilligt wird. Das allerdings ist ebenso wie die oben zitierten Äußerungen kaum ein Grund, dass sich „alle Menschen in unserem Land sicher fühlen“ können. Man hat freilich den Eindruck, dass Schäuble die „Bekämpfung des internationalen Terrorismus“, womit islamistische Extremisten gemeint sind, sehr viel wichtiger und nahe liegender ist.