Knurren Richtung Großer Satan

Bombenattentate in Iran

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Das hat es seit der Gründung der Islamischen Republik Iran im Jahre 1979 nicht mehr gegeben: Bombenanschläge. 10 Tote forderten gestern mehrere Bomben in der Provinzhauptstadt Ahwaz und in der Landeshauptstadt Teheran. Da am kommenden Freitag der neue Präsident gewählt wird, werden die Anschläge mit dem Wahlkampf in Zusammenhang gebracht.

Noch ist unklar, wer für die Attentate, denen viele Frauen und Kinder zum Opfer fielen, verantwortlich ist: Die iranischen Behörden sehen die üblichen Verdächtigen am Werk, "subversive Elemente aus dem Ausland". Wie ein Sprecher des Höchsten Nationalen Sicherheitsrates präzisierte, wähnt man Gruppen hinter den Bombenanschlägen, die "mit Saddam Husseins früherem Baath-Regime verbunden sind". Der amtliche Kettenhund der iranischen Hardliner, der gefürchtete Teheraner Staatsanwalt Said Mortazavi, knurrte seine üblichen Warnungen dazu und sprach aus, was viele spekulieren. Sobald man der "Feinde Gottes" habhaft geworden sei, würden sie sofort exekutiert. Wo diese Feinde Gottes zu finden seien, ist nach Mortazavi klar - im schützenden Schoß des großen Satans: im benachbarten Irak, wo sie von "US-Truppen geschützt werden".

Demnach kann es sich nur um eine Gruppe handeln, die Teheran besonders im Visier hat: die "Volksmudschahedin (Mujahedin-e Khalq)". Eine obskure Gruppierung, die offiziell als terroristische Vereinigung geführt wird, im Irak tatsächlich einen für Terroristen unüblichen milden Sonderstatus bei den Amerikanern genießt und von einigen amerikanischen Neokonservativen als wichtiger Faktor für den Regimewechsel in Teheran angesehen wird (vgl. Die Sekte von Camp Aschraf...). Da sie Saddam Hussein im Krieg gegen Iran unterstützt hat, über jahrelange Attentat-Erfahrung verfügt, ergäbe dies zusammen mit den Behauptungen des amerikanischen Reporters Hersh, wonach amerikanische Spähtruppen bereits auf iranischen Boden agieren (vgl. Das letzte Hurra...), ein plausibles Verdachtsprofil für ein "Komplott" gegen Iran, das von den USA unterstützt wird.

Tatsächlich haben aber nach Informationen der Iranischen Nachrichtenagentur ISNA, "drei arabische Gruppen" die Verantwortung für die Anschläge in Ahwaz übernommen. Aus anderen Quellen verlautete, dass sich namentlich die iranisch-arabische Separatisten-Gruppe "Revolutionäre Märtyrerbrigade von al-Ahwaz" zu diesen Anschlägen bekannt hat. Dafür, dass die Bomben eine hausgemachte iranische Angelegenheit ist, spricht ebenfalls einiges. Schon im April hat es nämlich Unruhen in der ölreichen Provinz Khusistan gegeben, die zu fünf Toten und mehr als 200 Verletzten geführt hat. Auslöser war ein Schriftstück, das mutmaßlich dem damaligen Vizepräsidenten Ali Abtahi zugeschrieben wurde, wonach die Region, in welcher eine arabisch-stämmige Bevölkerung die Mehrheit stellt, "entarabisiert" und "iranisiert" werden sollte. In der Folge der Berichtserstattung über die damaligen Unruhen wurde Al-Dschasira in Iran wegen "Volksverhetzung" verboten.

Ausländer für unsere Probleme verantwortlich zu machen, ist eine einfache Lösung. Ich unterstelle nicht, dass es einen solchen Einfluss nicht gäbe, aber wir sollten im Kopf behalten, dass wir in den letzten 26 Jahren unsere Schwierigkeiten meist darauf zurückgeführt haben und dass uns das davon abgehalten hat, das Problem genauer anzuschauen. Wenn wir Gewalt in Khusistan sehen, den Ruf nach Unabhängigkeit in Aserbaidschan hören und von Gewalt und Nichtbefolgung des Gesetzes in Belutschistan, dann kann ein Grund dafür darin liegen, dass die Regierungen in Teheran (sogar zur Schah-Zeit) immer auf diese Provinzen herabsahen. Dort wird eine Menge an Diskriminierung praktiziert und viele qualifizierte lokale Leute dürfen an Entscheidungsprozessen nicht teilhaben, weil sie von dort sind. Ich glaube, wenn man die Grenzregionen mit größerer Macht ausstattet, dann hätten ausländische Kräfte eine geringere Chance Unterstützung zu finden.

Mr Behi, Blogger aus Teheran

Zuletzt sehen Gerüchte natürlich auch das politische "Establishment" als Drahtzieher im Hintergrund der Bombenanschläge. Indem man Unsicherheit vor den Wahlen generiere, schaffe man ein "militarisiertes Klima" vor den Wahlen, profitieren würde dieser Logik nach ein Präsident, der sich als stark und tough präsentiert. Der dafür prädestinierte Kandidat wäre Kalibaf, ein ehemaliger Chef der iranischen Polizeikräfte mit guten Verbindungen zur den Revolutionären Garden und Großayatollah Chamenei.