Koalitionsaussagenkarussell

Die neue FDP-Position zu Vollverschleierungsverboten schreckt alte Anhänger ab

Schröder warnt vor Lafontaine, Lindners Ampel-Absage leidet an Rheinland-Pfalz und in Sozialen Medien spekuliert man über ein Absägen Merkels über eine Forderung der FDP

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Am 24. September wird ein neuer Bundestag gewählt. In der gestern veröffentlichten Emnid-Umfrage dazu liegen Union und SPD mit jeweils 33 Prozent gleichauf. Um den dritten Platz streiten sich mit jeweils acht Prozent die Linkspartei und die AfD, auf den Plätzen fünf und sechs folgen mit sieben Prozent die Grünen und mit sechs Prozent die Liberalen.

Ginge die Wahl so aus wie die Umfrage, dann kämen SPD, Linke und Grüne mit zusammengerechnet 48 Prozent Stimmenanteil auf mehr Mandate als die vier anderen im Bundestag vertretenen Parteien CDU, CSU, AfD und FDP (mit gemeinsam 47 Prozent Stimmenanteil) - und könnten eine Regierung bilden. Gerhard Schröder, der bislang letzte sozialdemokratische Bundeskanzler, hat nun vor solch einer Koalition gewarnt. Er glaubt, dass die SPD auf Bundesebene erst dann mit der Linkspartei koalieren sollte, wenn sein alter "Parteifreund", Finanzminister und Widersacher Oskar Lafontaine und dessen Ehefrau Sahra Wagenknecht dort nicht mehr den "Ton angeben".

Menetekel Saarlandwahl

Derzeit führt der ehemalige SPD-Vorsitzende und saarländische Ministerpräsident die Linksfraktion im Saarland an, wo am letzten Sonntag gewählt wurde. Dass die SPD dort deutlich schlechter abschnitt, als Umfragen kurz vorher nahelegten, führten diese Woche viele Beobachter darauf zurück, dass die saarländische SPD-Spitzenkandidatin eine Koalition mit Lafontaine explizit nicht ausgeschlossen hatte. Das dürfte auch dazu beigetragen haben, dass Gerhard Schröders Warnung auf ein größeres Medienecho stieß, als ihr sonst womöglich zugekommen wäre.

Wie viel ist Lindners Ampelkoalitionsabsage wert?

Das ehemalige Nachrichten- und jetzige Meinungsmagazin Der Spiegel brachte daraufhin eine so genannte "Ampelkoalition" aus SPD, Grünen und FDP ins Spiel, was FDP-Chef Christian Lindner als "Fake News" verwarf. Der ehemalige FAZ-Herausgeber Hugo Müller-Vogg erinnerte ihn und die Wähler auf Twitter allerdings postwendend daran, dass die FDP in seiner Heimat Rheinland-Pfalz im letzten Wahlkampf ebenfalls nicht den Eindruck erwecken wollte, mit der SPD und den Grünen regieren zu wollen - und nach der Wahl genau das machte (vgl. Diätenerhöhung im Aufmerksamkeitsschatten der Saarlandwahl).

Kann die FDP von der Wechselstimmung profitieren?

Würde sich Lindner für ein Ampelkoalition aussprechen, dann könnte das seine FDP Stimmen kosten - nicht nur im Bund, sondern auch in Nordrhein-Westfalen, wo sie aktuell zwischen neun und elf Prozent liegt und wo sich anscheinend viele Bürger ein Ende der dortigen rot-grünen Koalition mit ihren Skandalministern Ralf Jäger, Sylvia Löhrmann und Barbara Steffens wünschen. Inzwischen hat sich auch Angela Merkel in den Wahlkampf dort eingemischt und macht die Landesregierung unter anderem für Probleme mit der inneren Sicherheit verantwortlich.

Bundesweit sehen viele Bürger die Verantwortung dafür aber auch bei Merkel selbst. Das zeigen ihre gesunkenen Umfrage- und Beliebtheitswerte - und das gilt als wichtige Ursache dafür, dass die SPD mit Martin Schulz als Kanzlerkandidaten in den Umfragen deutlich zulegen konnte: Dass gleichzeitig die AfD deutlich verloren hat, deutet darauf hin, dass es einem Teil der neuen SPD-Wähler vor allem darum gehen könnte, Merkel loszuwerden: Die einzig greifbare Option dazu ist derzeit, die SPD stärker zu machen als die Union, damit Schulz Anspruch auf den Kanzlerposten erhebt. In solch einem Fall würde Merkel wohl von der CDU fallen gelassen - und ihr möglicher Nachfolger Jens Spahn könnte eine große Koalition verweigern und darauf setzen, dass die Union bei Neuwahlen ohne Merkel wieder deutlich stärker wird als die SPD.

Merkel abwählen, ohne Maas zu wählen

In Sozialen Medien fragt man sich, ob man unbedingt die Partei von Ralf Stegner, Heiko Maas und Manuela Schwesig wählen muss, um Angela Merkel loszuwerden - oder ob das nicht auch via FDP geht.

Dazu müsste Lindner erklären, dass seine Partei nur dann mit der Union koalieren wird, wenn jemand anderer als Angela Merkel Kanzler wird. Für die FDP könnte das bedeuten, dass einen Teil des bislang an die Sozialdemokraten geflossenen Unzufriedenheitspotenzials an sie fließt: Bei über elf Prozent, um die sich die SPD seit der Ausrufung von Schulz zum Kanzlerkandidaten steigerte, könnte das sogar für eine gemeinsame Mandatsmehrheit ausreichen.

"Mit der CDU, aber ohne Merkel"?

Die Union wird sich zwar offiziell eine Einmischung der Liberalen in Angelegenheiten, die sie als ihre eigenen ansieht, verwehren, müsste sich aber vorhalten lassen, dass sie auf eine ähnliche Forderung der FDP schon einmal einging: 1961, als die Liberalen mit dem Wahlslogan "Mit der CDU, aber ohne Adenauer" ihr bis dahin bestes Bundestagswahlergebnis einfuhren, machte die CDU für eine Koalition das Zugeständnis, dass der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer seinen Posten während der Legislaturperiode an Ludwig Erhard abgeben musste. Zudem hätte solch eine Forderung der FDP auch für die CDU und sogar für Merkel Vorzüge: Sie würde ihr einen "ehrenvollen" Abschied erlauben: Nicht von der eigenen Partei verjagt, sondern "freiwillig" in den Ruhestand gegangen, um der Union den Machterhalt zu ermöglichen.

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