Köln 2.0 ist nicht gleich Pegida
Der Jahrestag der HoGeSa-Krawalle in Köln verlief teils chaotisch. Die Zivilgesellschaft zeigte derweil klare Kante gegen Rechtsextremismus
Tausende Menschen haben am Sonntag in Köln gegen die Neuauflage eines Aufmarsches der "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) anlässlich des Jahrestages der ersten Krawalle demonstriert. Der Chef des NPD-Kreisverbandes Mönchengladbach hatte zuvor noch gehofft: "Köln ist unser Dresden!" Die taz befand vorab: "Köln ist nicht Dresden." Unter dem Banner der HoGeSa versammelten sich rund 1.000 Menschen - die taz sollte also Recht behalten.
Ende Oktober 2014 war es in Köln zu Ausschreitungen gekommen, als rund 4.800 Hooligans, Neonazis und Rechtspopulisten dort im Namen der HoGeSa aufmarschiert waren (Ausschreitungen und Fremdenhass). Der Aufmarsch am Sonntag firmierte daher unter dem Label "Köln 2.0" und als Jahrestag der HoGeSa-Bewegung, auch wenn diese und ihre Vorläufer (Die bösen Guten?) schon länger aktiv sind. Anmelder der beiden Aufmärsche 2014 und 2015 war Dominik Roeseler aus Mönchengladbach, zugleich stellvertretender Vorsitzender der rechtsradikalen und fremdenfeindlichen Splitterpartei "Pro NRW".
Offenkundig hatten Roeseler und die von ihm angelockten Hooligans, Rechtspopulisten und Rechtsextremisten in diesem Jahr gehofft, im Zuge der Diskussion zum Thema Flüchtlinge und im Sog des Jahrestages von Pegida (Zum Jahrestag heftige Kritik an Pegida erneut tausende Rechte mobilisieren zu können. Schienen jedoch 2014 Zivilgesellschaft, Gegendemonstranten und Polizei in Köln dem braunen HoGeSa-Spuk noch unvorbereitet und hilflos gegenüber zu stehen, hielten gestern zahlreiche Bündnisse mit Kundgebungen, Demonstrationen und Kulturveranstaltungen dagegen.
Anders als 2014, als die Polizei nur mit einigen hundert Beamten vor Ort war, die Hooligans allerlei Auflagen wie das Alkohol- und Vermummungsverbot missachteten und man offenbar innerhalb der Sicherheitsbehörden die Informationen eines V-Mannes aus dem Kreis der HoGeSa-Gründer nicht berücksichtigt hatte, sollen in diesem Jahr rund 3.500 Polizisten im Einsatz gewesen sein. Die Kölner Polizei hatte die HoGeSa-Versammlung zudem zuerst verboten und dies unter anderem mit der zu erwartenden hohen Gewaltbereitschaft begründet.
Das Verwaltungsgericht (VG) Köln und das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster kippten das Verbot jedoch teilweise. Zwar blieb diesen Gerichtsbeschlüssen zufolge ein HoGeSa-Demonstrationszug weiter untersagt, indes sollte eine Standkundgebung möglich sein. Daraufhin verlegte die Polizei den Kundgebungsort aus Sicherheitsgründen per Auflage aus der Innenstadt heraus auf einen unschönen Schotterplatz im Stadtteil Deutz nahe der Kölner Messe. Nachdem Roeseler auch gegen diese Auflage klagte, wiesen VG und OVG dessen Beschwerden jedoch zurück.
Anders als 2014 konnten HoGeSa-Anhänger am Sonntag den Kundgebungsplatz nur nach Kontrollen durch Polizisten betreten. In Zelten und langen Schlangen durchsuchen die Beamten die Demonstranten nach Waffen, Feuerwerkskörpern und Alkohol. Während der Kundgebung konnten sie das hermetisch abgeriegelte Areal meist nicht mehr verlassen. Zuvor hatte die Polizei zudem gegenüber 48 HoGeSa-Anhänger "Bereichsbetretungsverbote" ausgesprochen, weil sie schon vor einem Jahr strafrechtlich in Erscheinung getreten waren. Der Beginn der Kundgebung verzögerte sich, weil zuerst nicht genug Ordner gefunden werden konnten, die entweder nicht vorbestraft oder nicht alkoholisiert waren.
Immergleiche Parolen von "Invasoren", "Merkel muss weg" und "Lügenpresse"
Auf dem nahe gelegenen Bahnhof Köln-Deutz hatten Gegendemonstranten zuvor schon die Ankunft von HoGeSa-Teilnehmern zu blockieren versucht. Teilweise kam es dabei im Bereich dieses Bahnhofs und nahe der angrenzenden Lanxess-Arena zu Ausschreitungen zwischen Antifaschisten, Hooligans und der Polizei. Diese setzte Wasserwerfer gegen linke Demonstranten ein. Zugleich fand im multikulturell geprägten Köln, das noch unter dem Eindruck der rechtsextrem motivierten Messerattacke auf die Oberbürgermeister-Kandidatin Henriette Reker steht (Erster politisch motivierter Anschlag auf deutschen Politiker wegen Flüchtlingspolitik), eine Vielzahl von Gegendemonstrationen und Kulturveranstaltungen statt.
Auf dem Birlikte-Festival traten zum Beispiel Bands wie "Höhner", "Brings", "Cat Ballou", "Erdmöbel" und "Kasalla" auf. Laut Veranstalter und dem WDR-Fernsehen sollen alleine an diesem Festival über mehrere Stunden verteilt bis zu 20.000 Menschen teilgenommen haben. Reker, unterdessen gewählte Oberbürgermeisterin der Domstadt, ließ ausrichten, sie wäre gerne bei den Protesten dabei gewesen, teilte ihr Vorgänger Jürgen Roters mit.
HoGeSa hatte als prominenteste Rednerin Tatjana Festerling angekündigt, 2014 als damaliges Noch-AfD-Mitglied Teilnehmerin der HoGeSa-Aktion in Köln (Marsch auf Hamburg), später dann Pegida-Kandidatin für das Oberbürgermeister-Amt in Dresden. Festerling war laut HoGeSa indes erkrankt. Das verhinderte dann wohl auch, dass sie sich mit der rechten Hooligan-Band "Kategorie C" aus Bremen und einem rechtsextremen Musiker von "A3stus", nämlich Patrick Killat alias "Villain051" ein Podium auf der zuweilen dilettantisch und chaotisch anmutenden Versammlung hätte teilen müssen, bei der Roeseler sein Publikum zuweilen dazu animierte, "Antifa Hürensöhne" zu skandieren.
Die HoGeSa-Ordner standen zeitweise unter Weisung und Koordination einer rechtsextremen Multifunktionärin aus dem Rheinland, die kürzlich durch Kampfsporttrainings mit Schlagstöcken und Messern sowie Schießübungen in die Schlagzeilen geraten war. Teile der HoGeSa-Gänger skandierten fremdenfeindliche und rechtsextreme Parolen, in Anlehnung an Pegida wurde ebenso "Merkel muss weg" und "Lügenpresse" skandiert. Roeseler selbst sprach in einem Interview von Flüchtlingen und Asylsuchenden als "illegale Invasoren".
Am Sonntagabend kam es bei der Abreise von Rechten und Gegendemonstranten im Umfeld von Dom und Hauptbahnhof noch einmal zu brenzligen Situationen und Rangeleien zwischen diesen und der Polizei. Die erwarteten schweren Ausschreitungen aus dem Vorjahr blieben jedoch aus, auch wenn es kleinere Ausschreitungen zwischen Gegendemonstranten und der Polizei sowie Schlägereien zwischen Hooligans und Antifaschisten gab.
Dank HoGeSa kam es in Teilen der Kölner Innenstadt und des Stadtteils Deutz überdies zu immensen Verkehrsbehinderungen, darüber hinaus auch zu einem der größten Polizeieinsätze seit langem in der Domstadt. Irgendwie hatten die Fremdenfeinde es dann also doch noch geschafft, Köln anlässlich des HoGeSa-Jahrestages in eine Art Ausnahmezustand zu versetzen. Dass jedoch am Rhein die Uhren anders ticken als an der Elbe und die Zivilgesellschaft klare Kante zeigt, steht nun ebenso fest. Köln ist also nicht Dresden.