Kohleausstieg: Nehmen Deutschlands CO2-Emissionen künftig wieder zu?

Seite 2: Mehr Tempo für die Energiewende

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Da klingt es gar nicht mehr so weit hergeholt, wenn Volker Quaschning von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin im Interview mit der Zeitschrift Erneuerbare Energie eine Vervierfachung des Ausbautempos fordert.

Das Klimaschutzgesetz müsse, um seinen Namen zu verdienen "einen schlüssigen Plan (enthalten), wie wir bis 2040 klimaneutral werden und ein Konzept, wie der Plan umgesetzt wird." Jährlich müsse überprüft werden, ob das notwendige Tempo für diese Entwicklung eingehalten werde. Quaschning geht davon aus, dass jährlich 6,5 Gigawatt neue Wind- und 15 Gigawatt neue Solar-Leistung hinzukommen müssten.

Das wäre mit Sicherheit auch ein interessantes Konjunkturprogramm. In der Windindustrie sind die entsprechenden Kapazitäten schon weitgehend vorhanden. In den vergangenen Jahren ist bereits zum Teil schon über fünf GW pro Jahr errichtet worden, hergestellt ganz überwiegend im Inland. 6,5 GW Windkraftleistung entspricht bei der derzeitigen durchschnittlichen Anlagengröße etwa 2000 Anlagen, wobei diese zugleich jährlich einige 100 Altanlagen ersetzen werden.

15 GW Solarleistung hört sich ehrgeizig an, aber die Solarmodule sind auf dem Weltmarkt zu bekommen. Die Hersteller weiten ihre Kapazitäten immer weiter aus. Quaschning geht davon aus, dass die Module künftig zumindest wieder hierzulande zusammengesetzt werden könnten. Wegen der Verbilligung der letzten Jahre wird nämlich der relative Anteil der Transportkosten größer.

Außerdem könnte sich auch die absoluten Transportkosten erhöhen, zum Beispiel, wenn aus Gründen des Klimaschutzes die Treibstoffe stärker besteuert würden. Solarzellen lassen sich hingegen deutlich günstiger transportieren.

Anders als noch zu Beginn des Jahrzehnts sind die Kosten der Solaranlagen inzwischen so gering, dass der größere Teil der Wertschöpfung im installierenden Handwerk anfällt. Wenn man also weniger auf große Freiflächenanlagen sondern auf die kleinteiligeren Dächer auf Gewerbegebäuden und in den Städten setzt, hat man damit sogleich einen Hebel, um Arbeitsplätze und Einkommen zu verteilen.

Hungrige Eisbären

Derweil geht der Klimawandel munter weiter, und 2018 war im globalen Mittel, wie berichtet, eines der bisher wärmsten Jahre. Oder um es deutlicher zu sagen, die bisher vier wärmsten Jahre seit Beginn der Temperaturaufzeichnungen waren - in dieser Reihenfolge - 2016, 2015, 2017 und 2018.

Doch nicht jede Veränderung in der Natur muss immer direkt am Klimawandel liegen. Da sind zum Beispiel Berichte über ungewöhnliches Verhalten von Eisbären in der russischen Aktis. Nun ist der Eisbär für den Klimawandel, was der Kanarienvogel für den Bergmann ist, der im Schacht von dem Gefiederten Wächter vor dem gefährlichen Grubengas gewarnt wird.

Entsprechend schaffte es eine Horde dieser weißen Zotteltiere dieser Tage in die Weltpresse, weil sie die wenigen Einwohner Novaja Semljas terrorisieren. Ungeniert dringen sie in die Siedlungen auf der großen russischen Nordmeer-Insel vor und haben offensichtlich alle Scheu vor dem Menschen verloren. Diese reagieren zum Teil verängstigt, was nicht erstaunlich ist, denn Meisterpetz kann ziemlich gefährlich werden.

Vermutlich haben die Bären Schwierigkeiten, andernorts Nahrung zu finden, aber am Klimawandel scheint es ausnahmsweise mal nicht zu liegen. Jedenfalls nicht so direkt. Auf Spitzbergen war es schon vorgekommen, dass die Eisbären Menschen bedrängten, weil sie nicht auf dem Eis jagen konnten.

Doch in diesem Jahr gibt es auf der Kara-See östlich von Novaja Semlja mehr Eis als in den letzten Jahren üblich, twittert Lars Kaleschke, der sich in Bremerhaven am Alfred Wegener Institut für Polar- und Meeresforschung mit Seeeis im hohen Norden beschäftigt. Daran kann es also nicht gelegen haben, andere Faktoren müssen eine Rolle spielen.