Kohlegipfel im Kohleland

belchatow ist das weltweit größte Braunekohlekraftwerk. Bild: Morgre/CC-BY-SA-3.0

Polen hat als Gastgeber des UN-Klimagipfels keinen guten Ruf. Nicht als Moderator gilt die einladende Regierung, sondern als Förderer der Kohle

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Premier Donald Tusk, Umweltminister Marcin Korolec, der im Wirtschaftsministerium "groß” wurde, sowie der ehemalige Präsident des EU-Parlaments, Jerzy Buzek, machten vor dem 19. UN-Klimagipfel unisono klar – Wirtschaftswachstum und Energiesicherheit gehen vor Klimaschutz und Ökologie.

Das Umweltministerium ließ auch den Gipfel von kohlelastigen Firmen sponsern, rund 200 000 Euro gibt Polens Regierung derzeit jährlich aus, um in Brüssel für die Umweltverträglichkei der Kohle zu werben. Zu 86 Prozent speist sich die die polnische Stromerzeugung aus der Verbrennung von Schwarz- und Braunkohle.

Vergleicht man jedoch die Emissionswerte mit denen anderer Länder, so wirkt Polen nicht als der große Klimasünder. Polen stieß im vergangenen Jahr 297 Millionen Tonnen CO2 in die Luft (zum Vergleich: CO2-Spitzenreiter ist Deutschland mit 728 Millionen Tonnen) und senkte seinen Ausstoß im Vergleich zum Jahr 2011 um 3,23 Prozent – die Emissionen aller EU-Länder konnten nur um 2,1 Prozent gesenkt werden. Nach jüngsten Berechnungen liegt Polens Treibhaus-Ausstoß pro Kopf mit knapp über zehn Tonnen CO2-Äquivalent etwas über dem EU-Durchschnitt von 9,1 Prozent.

Dabei geht die Schwarzkohleproduktion östlich der Oder permanent leicht zurück, im vergangenen Jahr wurden 79,2 Millionen Tonnen gefördert, Anfang der 90er Jahre lag die Produktion noch bei rund 130 Millionen Tonnen.

Das Hauptaubbaugebiet ist das "Oberschlesische Kohlerevier” ein Pedant zum Ruhrgebiet und die Kohlelagerstätten im Südosten an der Grenze zur Ukraine. Diese sind leichter abzubauen, da die Förderung erst im Jahr 1938 begann und die Flöze höher an der Oberfläche liegen. Der Abbau der Co2-lastigeren Braunkohle, im Westen des Landes gelagert, steigt jedoch an. Im vergangenen Jahr wurden 64,2 Millionen Tonnen zu Tage gefördert, fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Mit einer Leistung von 5053 MW steht in Zentralpolen mit "Belchatow” zudem das weltweit größte Braunkohlekraftwerk.

Derzeit soll nahe Legnica (deutsch Liegnitz) Europas größtes Braunkohletagewerk entstehen, wo geschätzte 35 Milliarden Tonnen der fossilen Energie lagern. Anwohner versuchen noch mittels Petitionen an das EU-Parlament den Abbau zu verhindern. Polen will aber neue, emissionsarme Kraftwerke bauen und damit Vorreiter in der EU werden. Auch hat das polnische Wirtschaftsministerium eine Plattform "Saubere Kohle" ins Leben gerufen, die mittels EU-Gelder die Entgasung von Kohle-Flözen rentabel machen soll, von der bislang jedoch noch nicht viel zu hören ist.

Durch steigende Förderkosten und die sinkenden Kohlepreise befinden sich die Kohle-Unternehmen, an denen der Staat beteiligt ist, derzeit in einer Krise. Als Ausweg wird der Export angesehen, der von 7,4 Millionen Tonnen im letzten Jahr auf 10 Millionen Tonnen steigen soll. Mit rund 50 Prozent ist Deutschland Hauptabnehmer, 95 Prozent der polnischen Exporte gehen in die EU.

Den Kohle-Rückgang soll in naher Zukunft hauseigenes Schiefergas ausgleichen

Polen hat mit über Europas größtes Vorkommen von Erdgasen, die in Tongesteinen lagern. Bislang kam es vor allem zu Probebohrungen amerikanischer Mineralökonzerne. Allerdings sind schon "Talisman”, "Marathon Oil” und "ExxonMobil” aufgrund schwieriger geologischer Bedingungen und schwierigen Behörden wieder von polnischen Feldern abgezogen. Welcher Stellenwert Schiefergas, das durch die umweltbelastende Fracking-Methode abgebaut wird, in Polens Energieversorgung spielen wird, lässt sich darum noch nicht absehen. Polen hofft durch die eigene Gasgewinnung vom gefürchteten russischen Konzern Gazprom unabhängig zu werden.

Zudem sollen zwei Atomkraftwerke gebaut werden, wobei das erste voraussichtlich erst 2024 ans Netz kommt.

Machten die erneuerbare Energieformen vor zehn Jahren gerade etwas mehr als zwei Prozent bei der Stromversorgung aus, so sind es nach jüngsten Zahlen bereits 10,4 Prozent. Polen setzt dabei auf Biomasse, Biogas und vor allem auf Windenergie. Ein neues Gesetz zur Erweiterung der erneuerbaren Energie ist gerade in der Diskussion, bis 2020 soll in Polen der Anteil an der Stromversorgung auf 15 Prozent anwachsen, so die EU-Vorgaben.

Klimapolitik als "außenpolitisches Instrument"

Doch Polen stemmt sich derzeit gegen zu viel Regulierung und subventionierte Energie aus Brüssel und die damit verbundenen höheren Strompreise. So versuchte das Land vergeblich den CO2-Emissionshandel, der die Kohlenutzung zugunsten des emissionsschwächeren Erdgas verteuert, mit einer Klage vor dem europäischen Gerichtshof zu verhindern.

Anvisierte Ziele wie das, 30 Prozent der CO2-Emission von 1990 bis 2020 zu reduzieren, macht Polens liberal-konservative Regierung von einer wenig wahrscheinlichen Zustimmung von den Kohle-Giganten USA und China abhänging. Umweltschützer wie Greenpeace Polska sehen so Polen in der Rolle des Blockierers, denn sollte innerhalb Europas keine Einigkeit herrschen, werde man global auch nicht überzeugen können. http://energetyka.wnp.pl/grzechy-polskiej-polityki-klimatycznej-wg-koalicji-klimatycznej,210775_1_0_0.html

Doch derzeit haben Ökologen wenig Einfluss auf die Regierungsvertreter. Die bislang schärfsten Töne wurden auf dem "10. Kongress der neuen Industrie" angeschlagen, wo sich Mitte Oktober Interessenvertreter der fossilen Energien mit der polnischen Politik trafen. Als Mittel gegen mögliche Krisen brauche Europa eine "Reindustrialisierung”, meinte dort der gelernte Chemieingenieur Jerzy Buzek.

Buzek ist auch Mitautor eines Strategiepapier für eine europäische Energie-Versorgung. Würde sich nichts ändern, so warnt Buzek, wäre die in Europa hergestellte Energie in 10 Jahren um 50 Prozent teurer als die der USA und um 300 Prozent teurer als die aus China. Eine Liberalisierung des europäischen Energiemarktes fordert die stellvertretende Wirtschaftsministerin Grazyna Henclewska. "Klimapolitik ist eine Form der Promotion gewisser Staaten für ihre höher entwickelte Industrie und ein außenpolitisches Instrument”, so die konservativ-liberale Politikerin.

Wie schwer sich derzeit die Bürgerplattform mit einer kritischen Einstellung zur Kohle tut, zeigt ein Beispiel aus der Region. In Krakau, nach der Umweltorganisation Polska Zielona Siec die Stadt mit der drittschlechtesten Luft innerhalb der EU, kommt der Kampf gegen den Smog nicht voran. Ursprünglich sollten dort die rund 15.000 Kohleöfen in den Haushalten ab 2014 rasch abgeschafft werden. Doch die Bürgerplattform-Politiker, die die Wojewodschaft regieren, bremsten im Regionalparlament ihre Parteikollegen in Krakau aus, angeblich durch den Druck Warschaus und der Kohle-Branche.