Kommunikationsfreiheit statt Angst!

Seite 3: Mein Smartphone kommuniziert auf eigene Faust

Zurück zur "Kommunikationsfreiheit": Zwar können wir uns, schreibt Beck, heute auch als Amateure praktisch aller technischer Mittel bedienen, um unsere Meinung zu verbreiten und um die Meinung anderer zu erfahren. Jedoch:

Mit dem Internet ist das Problem der Kommunikationsfreiheit keineswegs gelöst (…) Digitale Überwachung als Geschäftsmodell tritt zunehmend an die Stelle staatlicher Vorzensur (...).

Zugespitzt gefragt: Sind wir am Ende nur Massenkonsumenten in den Händen neuer und - wie niemals in der Geschichte zuvor - allmächtiger Wissensoligarchen geworden? Und deren mehr oder weniger hilflose wie bereitwillige Datenlieferanten?

Jedes handelsübliche Smartphone mit dem Google-Betriebssystem Android liefert jeden Tag rund 900 verschiedene Daten beim Server ab, kommuniziert also auf eigene Faust. Eine andere Zahl: Jeden Tag werden Milliarden von Postings ausgetauscht, allein auf Youtube werden täglich rund 80 000 Stunden Videomaterial hochgeladen.

Das lese ich in Klaus Becks Reader, nachdem mir die morgendliche Lektüre der Tageszeitung soeben den folgenden Schlag versetzt hat: Weniger als die Hälfte der 15-Jährigen in Deutschland kann nach OECD-Angaben in Texten Fakten von Meinungen unterscheiden (Sonderauswertung der Pisa-Studie im Bereich Lesekompetenz, Mai 2021).

Was also hat unsere moderne Medienkultur zu bieten - Blinkzeichen des Fortschritts und der Orientierung, oder ist sie längst zum Transportmittel und zur Maschinerie von Abstumpfung und Gleichmacherei verkommen?

Geht es um "Wahrheit"?

Manche Aussagen, die Freiheit betreffend, klingen im kompakten Lehrbuchstil bei Klaus Beck arg holzschnittartig ("Untrennbar mit Freiheit verbunden ist Verantwortung", "Die Freiheit, alles zu sagen, bedeutet nicht, dass alles gesagt werden soll."). Dem wird niemand widersprechen wollen. Summarisch wird festgestellt:

Ohne Kommunikationsfreiheit können freiheitliche Demokratien nicht bestehen; die gemeinsame Suche nach Wahrheit setzt den freien Austausch von Gedanken voraus.

Leider stößt man sich hier und da an derart alltagstauglichem Sprachgut, vielleicht doch auch ein philosophisches Manko bei dem Unterfangen, ein derart anspruchsvolles Thema auf handhabbare Größe zu reduzieren.

Unversehens geht mitunter der Wahrheitsbegriff in "Richtige Ansicht" über, verwischt sich insofern mit dem Meinungsbegriff. Wieder an anderer Stelle heißt es statt Wahrheit auch "Beste Lösung". Am Ende des dritten Kapitels ist gar von einer "ganzen Wahrheit" (S. 26) die Rede, nachdem zuvor gesagt wurde, der Diskurs ergebe immer nur eine Annäherung an "Teilwahrheiten".

Spätestens an der Stelle fragt sich der Leser, ob es in Demokratien bzw. im öffentlichen Diskurs überhaupt um "Wahrheit" geht.