Konditionierung für den Biokrieg

Seite 3: Viren aus dem Grab … und aus dem Labor

1951 hatte der Pathologe Johan Hultin vergeblich versucht, den Erreger der Spanischen Grippe aus Leichen zu isolieren, die er aus dem Permafrostboden Alaskas grub. Erst 2005 gelang es einem Team um den Virologen Jeffery Taubenberger mit modernen PCR-Analysemethoden, das komplette Genom aus erhaltenen DNA-Bruchstücken zu rekonstruieren.

Das Genom wurde veröffentlicht und erlaubt nun jedem entsprechend ausgestatteten Labor den Nachbau des Virus. Dass dies möglich ist, hatte drei Jahre zuvor der Mikrobiologe Eckhardt Wimmer am einfacher aufgebauten Poliovirus, einem RNA-Virus, demonstriert. Er konnte das funktionsfähige Virus, dessen Genom er schon 1981 vollständig sequenziert hatte, allein aus kommerziell verfügbaren kurzen RNA-Abschnitten (Oligonukleotiden) synthetisieren.

Mit einem "ausgewachsenen" Virus mit 212.000 Basenpaaren, dem Pferdepockenvirus, das mit den gefährlichen Menschenpocken eng verwandt ist, aber eigentlich wie diese ausgestorben war, gelang dies schließlich 2017 einem Team des kanadischen Virologen David Evans: Aufwand: Ein Hochsicherheitslabor, 6 Monate Zeit und 100.000 Dollar.

Ein weiterer zweifelhafter Durchbruch gelang Forschern aus Rotterdam und Wisconsin schon 2011 bei Experimenten mit dem Vogelgrippevirus H5N1. Das war bis dahin für Menschen kaum ansteckend, bei dennoch erfolgter Infektion aber extrem gefährlich: Bis Anfang 2020 zählte die WHO 861 Infizierte, davon 455 Todesfälle.

Die Forscher veränderten das Virus genetisch so, dass es deutlich ansteckender und zudem durch die Luft übertragbar wurde. Das war, sehr neutral gesagt, ein Funktionsgewinn (Gain of Function, GoF), ein Ziel, das bei vielen Experimenten mit Mikroorganismen verfolgt wird, meist jedoch, um sie nützlicher zu machen.

Die Konstruktion eines "Killervirus" war ein Tabubruch und hat die GoF-Forschung reichlich in Verruf gebracht. 2014 verhängte Obama ein Moratorium, das 2017 unter Trump wieder aufgehoben wurde.

Damit sind seit mindestens 10 Jahren die drei wichtigsten Werkzeuge beisammen, um Viren für beinahe beliebige Zielstellungen zu programmieren:

  • Sequenzierung des genetischen Codes, des "Maschinencodes" eines vorhandenen Organismus;
  • Synthese eines vermehrungsfähigen Virus nach einer Code-Vorlage allein aus den chemischen Grundbausteinen;
  • Veränderung eines Virus durch Änderung von bestimmten Genombestandteilen, also künstliche Mutation.

Es fehlt allerdings noch ein wichtiger Schritt, um den Virologen wirklich die Herrschaft über die Schöpfung (von Viren) zu verleihen: Die gezielte Mutation. Noch sind die Funktionen des Virengenoms im Zusammenhang mit einer Wirtszelle nur sehr begrenzt verstanden.

Es fehlt das, was die Computerleute reverse engeneering nennen: Die Übersetzung des Maschinencodes in eine für Menschen verständliche (Programmier-)Sprache, sozusagen in den Quellcode des Lebens. Erst mit diesem Schritt wären gezielte Mutationen im Hinblick auf bestimmte gewünschte Funktionen möglich. Bisher erfolgt dies weitgehend noch nach der Trial-and-Error-Methode.

Selektive Biowaffen

Größte Sorgen macht die bisher nur theoretische Möglichkeit, Viren und andere Erreger selektiv "scharf" für bestimmte Bevölkerungsgruppen zu machen. Aus militärischer Sicht sollte eine Waffe idealerweise nur den Feind schädigen. Sogenannte ethnische Biowaffen dürften deshalb der feuchte Traum skrupelloser Militärs wie Terroristen sein. Lange Zeit war zweifelhaft, ob solche selektiven Biowaffen überhaupt möglich sind. Doch das hat sich geändert. Der Biowaffen-Experte Jan van Aken schrieb schon 20094:

So gibt es bereits neue Technologien, um spezifische Gensequenzen als Marker oder Auslöser für eine biologische Aktivität zu verwenden. Eine Analyse aktueller Daten des Human Genom Projektes hat zudem ergeben, dass Hunderte oder gar Tausende von Gensequenzen im menschlichen Genom vorliegen, die als Zielsequenzen für populationsspezifische Waffen dienen könnten.

Jan van Aken, 2009

Populationsspezifische Gensequenzen, sogenannte Allele, die als Marker nutzbar sind, finden sich vor allem in der nicht-codierenden "stummen" DNA, die 98 Prozent des menschlichen Genoms ausmacht. Teilweise sind die Muster so spezifisch, dass man von einem "genetischen Personenkennzeichen" (Alexander Dix, 20095) sprechen kann.

Das eröffnet die Möglichkeit, über eine Epidemie, die für die allermeisten Menschen symptomlos verläuft, ganz bestimmte Personen anzugreifen und so Terroristen, unbequeme Kritiker oder unliebsame Staatslenker auszuschalten. Das Virus infiziert zwar wahllos alle Menschen und wird so effektiv weiterverbreitet, schaltet seine krankmachenden Gene aber nur dann aktiv, wenn es auf Personen mit den entsprechenden Zielmarkern trifft. Sozusagen Drohnenmord per Virusepidemie, mit vermutlich noch wesentlich mehr Kollateralschäden.

Das ist zwar derzeit noch Sci-Fi, aber was war vor 20 Jahren gerade in der Gentechnik nicht alles Sci-Fi und wird heute Realität? Und vielleicht ist es jetzt schon klug, seine DNA nicht in unbefugte Hände gelangen zu lassen...