Konkurrenz der Systeme

Seite 2: Linux und das Web

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Das Kronjuwel von KDE ist der Konqueror-Browser. Fest ins System eingebunden stellt er weit mehr dar als nur Webseiten: Wie der IE eignet er sich auch zur Erkundung lokaler Verzeichnisse und bettet vollautomatisch Anzeigeprogramme für verschiedene Dateitypen wie PDF oder ZIP ein. Das heißt, dass Konqueror prinzipiell beliebige Datenformate direkt im Browser anzeigen kann. Außerdem lässt sich das Browser-Fenster sehr einfach in unterschiedliche Flächen aufteilen: So kann man z.B. in der linken Hälfte des Fensters Webseiten anschauen und in der rechten Dateien. Will man eine Datei herunterladen, zieht man den entsprechenden Link einfach von links nach rechts. Sogar eine Textkonsole lässt sich ins Browserfenster integrieren, was für Power-User sehr angenehm ist.

Bei der Webseitendarstellung ist Konqueror erstaunlich weit entwickelt: Selbst mit den neuesten Tricks gebaute Websites werden in der Regel fehlerfrei und standardkonform angezeigt. Probleme verursachen Skripting, Nur-Windows-Plugins und natürlich proprietäre "Standards" aller Art. Von der Geschwindigkeit her kann "Konqi", wie er liebevoll genannt wird, problemlos mit dem letzten brauchbaren Netscape, 4,7*, mithalten, IE ist derzeit noch etwas schneller. Vorbildlich gelöst wurde das Management von Cookies: Bei entsprechender Konfiguration fragt der Browser beim Setzen eines Cookies nach und merkt sich die Antwort, so dass man nicht ständig mit Nachfragen behelligt wird und sehr einfach ausgewählten Sites Cookies erlauben kann.1

Ebenfalls ein sehr schönes Feature ist die Integration verschiedener Suchdienste. Gibt man z.B. "gg:csicop" ein, wird Google nach "csicop" durchsucht. Bisherige Suchabfragen lassen sich dank Auto-Vervollständigung komfortabel wiederholen. Weiterhin verfügt Konqueror über sehr frei konfigurierbare Keyboard-Einstellungen, so dass man relativ leicht das Verhalten anderer Browser nachahmen kann.

GNOME verwendet statt Konqueror den freien Mozilla-Browser, der, trotz großer Schwierigkeiten, immer besser wird und langsam ein Stadium der täglichen Benutzbarkeit erreicht hat. Von der Geschwindigkeit her kann Mozilla leicht mit IE mithalten, der Open-Source-Browser hält sich strenger an die W3C-Standards als der Redmonder Konkurrent und hat einen schier unglaublichen Funktionsumfang. Ein brauchbarer E-Mail-Client, Newsreader und HTML-Editor gehören natürlich dazu. Dank verschiedener offener Schnittstellen ist der Browser nahezu beliebig erweiterbar. Ein Hauptkritikpunkt, der hohe Speicherverbrauch, ist angesichts derzeitiger Speicherpreise kaum noch relevant. Allerdings wird es noch einige Monate dauern, bis man Mozilla wirklich rundherum empfehlen kann. Viele Kleinigkeiten, insbesondere die mangelhafte Dokumentation und Probleme mit Formularen, stören noch.

Dank seiner Modularität lässt sich das Aussehen und Verhalten des Linux-Desktops praktisch beliebig verändern. Der Fenstermanager Enlightenment arbeitet vor allem mit Transparenz.

Es fällt auf, dass Microsofts Browser seit Erreichen einer Quasi-Mopolstellung nur noch geringfügig verbessert wurde. Hier zeigt sich der Vorteil des Open-Source-Modells: Mozilla wird mit Sicherheit auch noch in einigen Jahren eine Rolle spielen, und bei dem derzeitigen Entwicklungstempo kann man sich jeden Tag neue "Builds" mit neuen Funktionen und Bugfixes herunterladen.

Ein beliebter Mozilla-Abkömmling ist der GNOME-Browser Galeon, der Mozillas Seiten-Darstellungs-Modul verwendet, aber auf alle Nichtbrowser-Funktionen und auf die aufwendige Mozilla-GUI verzichtet. Auch der GNOME-File-Manager Nautilus, ursprünglich ein kommerzielles Produkt, dessen Mutterfirma im Mai 2001 Konkurs anmeldete, setzt auf Mozilla auf. Selbst wenn Mozilla also keinen Erfolg hat, werden Kernkomponenten sicherlich anderswo weiterhin Verwendung finden.

Als bester Linux-Webbrowser gilt bei vielen der norwegische Opera, der unter Linux meiner Erfahrung nach sogar noch besser funktioniert als unter Windows. Mit unglaublicher Geschwindigkeit stellt er selbst komplizierteste Seiten dar (wobei manchmal noch kleine Fehler auftreten können). Was die Produktivität angeht, übertrifft er IE bei weitem -- insbesondere das Öffnen neuer Fenster und das Navigieren geht wesentlich flotter. Allerdings handelt es sich um ein proprietäres Binärprogramm, für das auch zu bezahlen ist, will man sich nicht an einem Werbebanner erfreuen. Das schreckt natürlich viele Linux-Nutzer ab, ganz besonders, da der Browser so eine wichtige Plattform darstellt, wie ja auch Microsoft erkannt hat. Wäre Opera Open-Source-Software, würde der Browser vermutlich mittlerweile von einem Großteil der Linux-Nutzer verwendet.

Außerdem gibt es natürlich für Texthungrige unter Linux auch Browser, die im reinen Konsolenmodus arbeiten. Dabei stellen einige, wie z.B. w3m, sogar Tabellen und Frames akkurat dar, auf Bilder und ähnlichen Klimbim muss man natürlich verzichten. Und diese Projekte sind keinesfalls tot: Solange noch ein Bedarf danach besteht, werden sie weiterentwickelt.

Linux als Postbote

Der Satz "You have mail" stammt nicht etwa von AOL, sondern von Unix. Er erscheint z.B. in Terminals beim Eingang neuer Nachrichten. Email ist unter Unix tief im Betriebssystem verankert und lässt sich auch im Mehrbenutzerbetrieb problemlos verwenden. Das Dateiformat, in dem Mail gespeichert wird, ist soweit standardisiert, dass mehrere völlig unterschiedliche Email-Programme (Clients) parallel auf die gleiche Mail zugreifen können - unter Windows ein Ding der Unmöglichkeit. Auch das Filtern von Email kann global und software-unabhängig geschehen, z.B. mit dem extrem mächtigen (und ziemlich komplizierten) Programm procmail. Dass damit auch Filter-Regeln wie "Drucke automatisch jede Mail von Nutzer abc, die im Betreff die Worte foo oder bar hat, und schicke eine Kopie an User xy, aber nur, wenn dessen Name nicht in der Datei urlaub.txt steht" möglich sind, ist für Unixer selbstverständlich. Leider existieren wenige grafische Konfigurations-Möglichkeiten für procmail.

Nach brauchbaren Mail-Clients muss man unter Linux nicht lange suchen. Auch hier hat man wiederum die Wahl zwischen Programmen mit Textausgabe wie Mutt und Pine und grafischen Varianten wie Evolution von Ximian, Balsa von GNOME und KMail von KDE. Evolution ist besonders erwähnenswert, da es als Outlook-Killer gehandelt wird: Neben E-Mail verwaltet es auch Termine und erlaubt bequeme Synchronisation von Daten und Zusammenarbeit von Nutzern. Anstatt Emails mühselig zu filtern, verwendet Evolution ein dynamisches Indexierungs-System, was die Generierung "virtueller Ordner" erlaubt, die Emails zu bestimmten Themen enthalten: sehr praktisch.

Doch es existieren noch unzählbare weitere freie Clients, eine Liste findet sich z.B. bei Mahogany. Hier gilt wieder einmal, dass Linux weitaus mehr Wahlmöglichkeiten bietet als Windows: Man werfe z.B. einen Blick auf die Liste kostenloser Email-Clients für Windows, die meist nicht im Quellcode verfügbar sind und unterschiedliche Mailbox-Formate verwenden. Man kann also bereits ohne Einschränkungen festhalten, dass Linux-Nutzer, was E-Mail angeht, kaum etwas von Windows vermissen dürften, selbst wenn sie nur mit dem Desktop und nicht mit der Shell arbeiten - im Gegenteil ist das Email-System von Linux wesentlich durchdachter und offener.

Firmen werden allerdings die weitreichenden Groupware-Funktionen von Outlook/Exchange vermissen - hier fehlt es noch an einer vergleichbaren Standardlösung, wobei Evolution zumindest auf der Client-Seite Pionierarbeit leistet. Außerdem existiert eine Portierung des kommerziellen Exchange-Konkurrenten Domino, den Notes-Client jedoch gibt es derzeit trotz Mutterfirma IBM noch nicht in einer Linux-Version.

Andere Clients

Es dürfte keiner weiteren Erklärung bedürfen, dass unter Linux für nahezu jedes offene Internet-Protokoll Implementierungen existieren, meistens mehrere. Das gilt natürlich für IRC, FTP und News (Usenet), die unter Unix entwickelt wurden, aber z.B. auch für exotische Peer-to-Peer-Protokolle, die teils für Linux gehackt, teils dort programmiert wurden (s. z. B. Gnutella-Clients, OpenNap-Clients, FastTrack-Client, Jungle Monkey). Einen IRC-Client, der so einfach zu bedienen ist wie der kostenlose Windows-Client mIRC, habe ich allerdings bislang nicht gefunden, obwohl xchat und KDEs ksirc dem bereits sehr nahe kommen.

Donald Knuth gegen Bill Gates

Von ganz entscheidender Bedeutung für typische Anwender ist natürlich die einfache Erzeugung von Dokumenten. Lange Zeit verwiesen Linux-Nutzer als Antwort hier entweder auf reine Textdateien ("Wer braucht mehr als eine Schriftart?") oder auf TeX/LaTeX. TeX ist ein wissenschaftliches Textsatzsystem, das von Donald Knuth, einem der bedeutendsten Computerwissenschaftler, in den Achtzigern entwickelt wurde und von Journalen noch heute gerne eingesetzt wird. Es basiert auf einer Art Programmiersprache für Dokumente, wobei LaTeX eine Art Funktionsbibliothek für diese Sprache ist. Das klingt so kompliziert wie es ist: Ein typisches LaTeX-Dokument (s. Beispiel) wirkt zunächst kryptisch und unverständlich. Der LaTeX-Befehlssatz ist extrem umfangreich. Der Quelltext eines TeX-Dokuments ist reiner Text - erst nach einer Übersetzung wird das eigentliche Zieldokument mit Schriftarten, Seitenrändern usw. erzeugt, wobei man LaTeX in zahlreiche Ausgabeformate übersetzen kann.

Mit dem Textsatzsystem TeX/LaTeX kann man professionell aussehende Dokumente mit wenig Aufwand erstellen.

Wenn man nur Vorlagen verwendet, ist LaTeX, mit einer entsprechenden Kurzeinführung, einfacher in der Handhabung als jede WYSIWYG-Textverarbeitung wie Microsoft Word. Hat man zum Beispiel erst einmal eine brauchbare Brief-Vorlage, muss man nur noch an der richtigen Stelle den Text tippen und ist fertig. Die gesamte Formatierung geschieht vollautomatisch, und die Ergebnisse rufen bei Windows-Nutzern oft Staunen hervor, denn die Schriftarten und Vorlagen wurden von Profis gestaltet. Würde ein Distributor hier eine vernünftige Konfiguration bereitstellen, in der auch der Texteditor den TeX-Quelltext weitestgehend unsichtbar macht, könnte TeX auch für Anfänger eine echte Alternative zu Office-Paketen darstellen, die wesentlich bessere Ergebnisse liefert.

Noch heute ist an vielen Unis für Diplomarbeiten die Verwendung von TeX vorgeschrieben, weil die Studenten mit Word selbst Layouter spielen und Word bei großen Dokumenten oft nicht mehr sinnvoll zu verwenden ist (wobei echte Word-Veteranen hier natürlich entsprechende Workarounds kennen). Für mathematische Formeln gibt es ohnehin nichts Besseres als TeX. Allerdings ist die Einbindung von Grafiken in TeX/LaTeX wenig komfortabel: Hier ist eine WYSIWYG-Textverarbeitung klar überlegen.

Mittlerweile gibt es eine Mischlösung, LyX, die eine Art Pseudo-WYSIWYG bietet: Schriftarten, Bilder usw. können wie in Word & Co. bearbeitet werden, sind aber nur eine grobe Voransicht. Das eigentliche Dokument muss nach wie vor aus dem (hier für den Nutzer unsichtbaren) TeX-Quelltext übersetzt werden. Wer professionelle Ergebnisse und gleichzeitig einfache Bedienung möchte, ist sicherlich bei LyX gut aufgehoben. Besonders der Formeleditor ist sehr gut gelöst.