Kontrolle der Zivilgesellschaft

In Russland hat nun auch das Oberhaus das Gesetz zur Kontrolle der NGOs übernommen, damit wird die "gelenkte Demokratie" Putins weiter gestärkt

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Russland entfernt sich ein Stück weiter von der Demokratie. Nachdem bereits in der letzten Woche die Duma das Gesetz zur stärkeren Kontrollen von Nichtregierungsorganisationen (NGOs) gebilligt hat, wurde es nun auch vom Oberhaus mit nur einer Gegenstimme und einer Enthaltung angenommen. Jetzt muss das Gesetz nur noch vom russischen Präsidenten unterzeichnet werden, um in Kraft zu treten.

Das umstrittene Gesetz wurde von Putin allerdings nach heftiger Kritik aus dem Ausland und durch zahlreiche NGOs wie Amnesty noch ein wenig entschärft. Nach der nun von beiden Häusern übernommenen Version müssen sich russische NGOs registrieren und Spenden aus dem Ausland melden. Ausländische NGOs oder Stiftungen müssen sich zwar nicht noch einmal, wie im ursprünglichen Entwurf vorgesehen, registrieren lassen und sich als juristische Personen konstituieren, sie werden auch nicht vom Geheimdienst überprüft, aber sie müssen ihre Aktivitäten, ihre Finanzierung und ihre Kooperationswünsche mit russischen Organisationen bei einem zentralen Amt melden. Russische NGOs fürchten dennoch schwere Beeinträchtigungen. Tatyana Kasatkina von Memorial sieht darin "die Zerstörung der Zivilgesellschaft in Russland".

Die zentrale Registrierungsbehörde hat nach vagen und daher leicht auslegbaren Anlässen die Möglichkeit, bestimmte Projekte oder die Finanzierung russischer Partner zu unterbinden. Allerdings kann dagegen Einspruch erhoben werden. Ein Sprecher des russischen Außenministeriums betonte, so berichtete RIA Novosti, allerdings am letzten Samstag, dass die Regelung nicht den Prinzipien für die NGOs widerspreche, die auch der Europarat anerkennt. Sie würden auch den Regelungen entsprechen, die andere Länder für NGOs aufgestellt haben: "Die Registrierungsprozedur für ausländische NGOs ist nach dem Gesetz nicht komplizierter als die relevanten Reglegungen im US-Gesetz zur Registrierung ausländischer Organisationen."

Der Kreml will man der schärferen Kontrolle der NGOs und damit auch der Zivilgesellschaft eine Handhabe gegen interne Opposition, beispielsweise von Menschenrechts- oder Umweltgruppen, haben, aber vor allem wohl den Einfluss von ausländischen Organisationen kontrollieren, um zu verhindern, dass diese sich beispielsweise im Tschetschenien-Konflikt engagieren. So sind ausländischen Organisationen besondere Einschränkungen und auch Verbote für Territorien auferlegt, die zu Sperrgebieten erklärt wurden. Damit lassen sich Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen schnell ausschalten, ohne sie ganz verbieten zu müssen. Und man will in Russland verhindern, dass hier ähnlich etwa wie in Serbien, in der Ukraine, in Georgien oder in Turkmenistan demokratische Oppositionsbewegungen vom Ausland gefördert werden. In der Ukraine beispielsweise hatten vor allem amerikanische und europäische Stiftungen Studentengruppen oder Oppositionsbewegungen finanziert, geschult und anderweitig unterstützt, was schließlich zum Sturz der alten Regierung durch die "orangene Revolution" geführt hat. Aus der Sicht des Kremls ist verständlich, dass eine Erstarkung der demokratischen Opposition der von Putin propagierten "gelenkten Demokratie" nicht gelegen kommt.

Wie auch immer tatsächlich NGOs und Stiftungen in Zukunft kontrolliert und behindert werden, so ist dieses Gesetz jedenfalls ein weiterer Schritt, um das Land dem Zugriff der Regierung zu unterwerfen und die Opposition zu marginalisieren. Die Medien sind bereits weitgehend in staatlicher Hand, die großen Konzerne ebenfalls, und das Parlament wird von Kreml-Treuen bestimmt. Natürlich führt man zur Begründung für das Gesetz die Bekämpfung des Terrorismus an. Angeblich richtet sich das Gesetz auch gegen Geldwäsche und gegen die direkte finanzielle Unterstützung von politischen Organisationen durch das Ausland. Nach dem Gesetz können NGOs verboten werden, wenn sie "die Verfassung und das russische Recht verletzen, die Souveränität, die politische Unabhängigkeit, die territoriale Integrität, die nationale Einheit und Originalität, das Kulturerbe oder nationale Interessen" bedrohen. Recht viel weiter kann man die Möglichkeiten fast schon nicht mehr ziehen, um alle Aktivitäten, die das Missfallen im Kreml erregen, unterbinden zu können.

Der gestern bekannt gegebene Rücktritt von Andrei Illarionov, der liberale Wirtschaftsberater von Putin, stärkt den Eindruck, dass Russland Schritt für Schritt wirtschaftlich und politisch zu einem autoritären, scheindemokratischen Regime wird. Nach Interfax hatte er seinen Rücktritt schon vor einigen Tagen eingereicht, die Gründe sind allerdings ein wenig konfus. Illarionov erklärte, er habe vor allem in den letzten beiden Jahren erkannt, dass in Russland keine freie Entwicklung der Wirtschaft mehr möglich ist. Das neue Modell werde von Staatsunternehmen geformt. Zudem gebe es nun auch keine politische Freiheit in Russland mehr. Das bringt er auch irgendwie damit in Zusammenhang, dass Russland im letzten Jahr doch noch das Kyoto-Protokoll unterzeichnet hat. Und es gefällt ihm auch nicht, dass sich Russland zu einem Ständestaat entwickelt habe. Für Putin war er das liberale Aushängeschild, das demonstrierte, dass alles doch nicht so schlimm sei, obgleich Illarionov auch ganz offen vor allem die Jukos-Verstaatlichung angegriffen hat.