Kontroverse um Journalistenrauswurf in Österreich

Haiders Medienpopulismus: Er wolle sich für den Entlassenen einsetzen.

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Die Kündigung eines Politik-Redakteurs einer österreichischen Lokalzeitung sorgt weiterhin für Aufregung. Der Rauswurf sei "das erste Politopfer eines Rechtsrucks in Österreich", sagte die Vorsitzende der Österreichischen Journalistengewerkschaft am Freitag. Die Angst vor einem Versuch der Gleichschaltung der Medien ging durch österreichische Redaktionsstuben. Eine bizarre Wende erfuhr die Kontroverse dann mit Jörg Haiders Auftritt in der n-tv-Sendung "Talk in Berlin". Er wolle sich für die Wiedereinstellung des gekündigten Journalisten Gerhard Marschall einsetzen, sagte er dort.

Die deutsche Öffentlichkeit konnte sich in dieser Sendung, die inzwischen als "Gipfel der Peinlichkeit" gebrandmarkt wurde, ein Bild von Meinungsmanipulator Haider machen. Denn im Schlagabtausch mit Freimut Duve - einem der wenigen in der Sendung, der zumindest versuchte, gegen ihn anzukommen - folgte sogleich die nächste Wendung. Die Bedingung für Haiders Engagement, so Haider sinngemäß, sei, dass sich der SDP-Medienexperte und OSZE-Beauftragte im Gegenzug für die Zulassung landesweiten terrestrischen Privatfernsehens in Österreich einsetze. Kein Wunder, dass Haider die Talkshow als Erfolg bewertete. "Er habe sagen können, was er wollte, frohlockte er" heute laut Spiegel Online.

Inzwischen zog die Kündigung des Redakteurs Gerhard Marschall in Österreich weitere Kreise. Herausgeber Rudolf A. Cuturi und Chefredakteur Hans Köppl leugneten heute in einer Stellungnahme in den Oberösterreichischen Nachrichten, dass der Rauswurf politisch motiviert sei. "Der Grund dafür liegt vielmehr im Stil der Beiträge von Redakteur Marschall, die immer wieder, und in den letzten Monaten zunehmend, Überparteilichkeit, Äquidistanz und Objektivität vermissen ließen, die wir als unabhängiges Medium bei unseren Mitarbeitern voraussetzen", schrieben sie. Der Stil Marschalls sei Anlass für Abo-Abbestellungen von Lesern gewesen, wurde der Herausgeber in anderen Zusammenhängen zitiert.

Doch auch das ist in Österreichs Provinzen wohl noch kein objektiver Kündigungsgrund. Denn wie in den Salzburger Nachrichten heute zu lesen stand:

"Der Protest von ein paar hundert Abonnenten gegen einen bestimmten, kritischen Journalisten könnte ja auch von außen organisiert sein. Auch wir in Salzburg haben schon erlebt, dass sich das Demokratieverständnis mancher freiheitlicher Funktionäre im Aufruf zum Boykott einer unbequemen Zeitung erschöpft."

Die F-Partei leugnete indessen jegliche Einflussnahme im Zusammenhang mit der Kündigung des Redakteurs. Das Ergebnis einer weiteren Redaktionsversammlung heute bei den Oberösterreichischen Nachrichten ist, keine weiteren Stellungnahmen abzugeben, solange die Reaktion des Betroffenen aussteht, berichtete Der Standard.

Über konkrete Schritte Jörg Haiders zur demokratischen Unterstützung eines ihm gegenüber kritischen Journalisten ist noch nichts bekannt geworden. Er konzentrierte sich heute auf die Bekanntgabe der Absicht, Ex-Kanzler Kilma wegen politischen Landesverrats zu klagen, da er die EU-Politiker zum Österreich-Boykott aufgehetzt habe. Die Charme-Offensive im deutschsprachigen Ausland ist offensichtlich vorüber.