Konzert in einem Zimmer mit Aussicht

Tony Carey: Ein Amerikaner, der seine Rockballaden am liebsten auf deutschen Landfesten spielt

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Musikkarrieren beginnen üblicherweise in kleinen Clubs und auf Dorffesten und enden in Stadien. Manchmal ist es allerdings auch umgekehrt. Tony Carey war nur von 1984 bis 1989 in Deutschland so richtig bekannt, tourt aber heute noch als Geheimtipp über die Dörfer.

This is some tough city
This is some tough town
They raise you up
Just to put you down
Tony Carey, Some tough city, 1984

Der am 16. Oktober 1953 in Kalifornien geborene Tony Carey hat eine ungewöhnliche musikalische Karriere hingelegt. Er spielt viele Instrumente und singt und hat sein erfolgreichstes Solo-Album „Some tough city“ im Studio praktisch alleine eingespielt – nur das Schlagzeug sowie einige Gitarren- und Saxophonsoli spielten andere Musiker. Er startete mit der Band "Blessings", wurde dann 1975 von Ritchie Blackmore als Keyboarder für "Rainbow" verpflichtet. Doch schon nach zwei erfolgreichen Jahren mit weltweiten Tourneen hat Tony Carey 1977 vom wilden Rock’n-Roll-Leben wieder genug.

Ab 1978 nimmt Carey mit dem Produzenten Peter Hauke Projektalben auf. Diese sind eher düster, denn ähnlich wie Roger Waters in vielen seiner Songs Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg verarbeitet, ist Tony Carey ein Kind des Kalten Kriegs: Direkt neben einem US-Atomraketenstützpunkt aufgewachsen, wuchs er mit dem Bewusstsein auf, dass jeder Tag der des jüngsten Gerichts sein könnte. Als "Planet P Project" wird das gleichnamige Album veröffentlicht und später "Pink World". Beide erinnern durchaus an den Charakter „Pink“ von Pink Floyd’s "The Wall". Durch die Zusammenarbeit mit Peter Hauke lernt Tony Carey auch Peter Maffay kennen, mit dem er bis heute befreundet ist und in dessen Studios in Tutzing am Starnberger See er die meisten seiner Alben aufnimmt.

Den Höhepunkt seiner Bekanntheit in den USA erreicht Carey in den folgenden Jahren. 1982 erobert "I Won’t Be Home Tonight" die Top 30. Es folgt "First Day Of Summer", ein musikalisch sehr treibender und positiver Song, der aber textlich ähnlich wie bei Bruce Springsteen etwas ganz anderes erzählt, von einer Flucht am ersten Tag des Sommers im Auto und einem Ende als Tellerwäscher im Holiday Inn. Beide werden auch als Videos von MTV gezeigt. 1984 folgt dann "A Fine Fine Day", ein weiterer Tophit, und die LP "Some tough city" mit lauter Songs über gescheiterte Figuren, stilistisch und inhaltlich passend zur zu dieser Zeit ebenfalls aktuellen „Born in the U.S.A.“ von Bruce Springsteen. In Deutschland wurde Tony Carey dagegen erst 1989 zum Jahreswechsel unerwartet so richtig berühmt, weil er den Titelsong "Room With A View" zum ARD-Dreiteiler "Wilder Westen Inclusive" beigesteuert hatte. Ein Konzert in München, das seinerzeit stattfand, konnte jedoch wegen Verschiebung des Termins, der dann mit anderen Pflichten kollidierte, nicht wahrgenommen werden – und dann war Carey nicht mehr auf der Bühne zu finden.

Konzert im Kinosaal/Stadthalle Mindelheim (Bild: W.D.Roth)

Danach wurde es wieder ruhiger um Carey, obwohl er in den 80ern etliche Einzelhits wie „Blue Highway“ lieferte. Bis heute hat er 30 Alben veröffentlicht, Joe Cocker, John Mayall, Peter Maffay, Eric Burdon, Milva und viele andere produziert und sich als Komponist von Filmmusik etabliert. Nur aufs Tourleben hatte Carey lange keine Lust mehr und arbeitete nur im Studio. Zuletzt entstand dabei 2003 das Planet-P-Project-Album Go Out Dancing Part 1 - "1931", das in England auf Prog-Rock-Sendern gerne gespielt wird, für deutsche Ohren, die die Texte nicht so gut verstehen, doch die Einspielungen, jedoch mit Einblendungen von Hitler-Reden und Titeln wie Work will make you free (Arbeit macht frei) nicht wirklich Tanzgelüste weckt. Darauf folgte 2004 Islands & Deserts. „1931“ war dabei anfangs nur als Download erhältlich, später als selbst verlegte CD, ebenso ist „Islands & Deserts“ nur in einem Online-CD-Shop oder auf Live-Konzerten erhältlich.

Seit Februar 2003 ist Tony Carey, der zuletzt u.a. gemeinsam mit Peter Maffay an der Kindermusicalplatte "Tabaluga" arbeitete, nämlich zusammen mit Martin Hämmerle (drums), Winnie Bucher (bass) und zeitweise Pascal Kravetz (guitar, keyboard, background vocals) wieder in kleinen Clubs auf Tour. Ein solches Konzert fand als Geheimtipp in Mindelheim im Ostallgäu in einer Stadthalle statt, die eigentlich ein Kinosaal war und mangels Werbung trotz eines Dumpingpreises von 8 Euro, bedingt dadurch, dass einer der Musiker am Ort eine Musikalienhandlung hat, nur zur Hälfte gefüllt wurde.

Doch obwohl Carey ausschließlich Balladen spielte und die Rockstücke von „Some tough city“ trotz entsprechender Publikumswünsche außen vor ließ, war eine Bombenstimmung im Saal, die die Musiker immer wieder dämpfen mussten, um trotz Rockausrüstung nicht zu laut spielen zu müssen. Der Schlagzeuger benutzte darum auch öfter den Jazzbesen oder die Finger und Tony Carey sang zeitweise ohne Mikrofon. Wer also die Gelegenheit hat, ein derartiges Kultkonzert in nicht allzu großer Entfernung wahrnehmen zu können, sollte sich von den mitunter recht merkwürdigen Veranstaltungsorten nicht abschrecken lassen – die Musik Careys ist immer noch so professionell wie 1984.

Wie gut, wenn man nicht Mitglied ist – das ist am teuersten…