Kopiergebühr in Spanien illegal

Das Gericht orndete die Rückzahlung an, die Musikindustrie klammert sich an den Beschluss der sozialistischen Regierung, die Frage nun gesetzlich zu regeln

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In Spanien wird eine hohe Gebühr beim Kauf von CD- oder DVD-Rohlingen beim Kauf erhoben. Das ist illegal, entschied nun ein Gericht, auch weil es dafür keine gesetzliche Regelung gibt. Eine private Vereinbarung sei dafür keine Grundlage. Die Anhänger der Gebühr klammern sich nun an einen Entwurf für ein neues Urhebergesetz, womit die Abgabe gesetzlich geregelt werden soll. Doch das könnte sich als Bumerang erweisen. Der Entwurf der Regierung bleibt auch weit hinter den Vorstellungen der Autorenvereinigungen zurück, alle Datenträger, ja sogar DSL-Verbindungen mit einer Abgabe zu belegen. Die Opposition fordert die Streichung der Gebühr, ihr Gesetzesvorschlag hat schon erfolgreich das Unterhaus passiert. Spanien fällt in der Informationstechnologie zudem weiter zurück.

„Ich verurteile Sie dazu, dem Kläger einen Euro und 72 Cents zurückzuerstatten." So lautete der Spruch des Richters in Alcala de Henares (Madrid), der letzte Woche das Geschäft Batch PC zu der Rückgabe der Summe an einen Programmierer der Universität in Alcala de Henares verpflichtete.

Reynaldo Cordero ging es nicht so sehr ums Geld. Wie die Vereinigung der Netizen (AI), die größte Gewerkschaft (CCOO) und viele PC Nutzern verteidigt er seine Rechte gegen ungerechtfertigte Gebühren der Musikindustrie und Autorenvereinigungen. Die hatten sich privat mit den Herstellern von Rohlingen geeinigt und im September 2003 die Kopiergebühr mit Duldung der damaligen konservativen Regierung eingeführt. Sie wird beim Kauf wie eine Steuer erhoben und direkt an die Autorenvereinigungen abgeführt, pauschal auf alle Rohlinge. Diese im europäischen Vergleich hohe Gebühr war zum 1. Januar sogar noch einmal um 30 Prozent angehoben worden (Weihnachtszeit - Zeit zur Bescherung).

"Zehn gekaufte CD-Roms haben ein breites Anwendungsfeld und müssen nicht unbedingt benutzt werden, um literarische, künstlerische oder wissenschaftliche Werke zu kopieren“, urteilte der Richter. Die Abgabe sei nur legal, wenn dies „konform zum Recht auf eine Privatkopie nach dem § 25 des Urheberrechtsgesetz geschehe“. Da der 39jährige Programmierer glaubhaft anführen konnte, dass er darauf freie Software speichere, handele es sich um eine „unzulässige Abgabe“.

Das Recht auf eine Privatkopie, mit der die Abgabe stets begründet wird, wird praktisch über Kopierschutzverfahren ausgehebelt. Wer es trotzdem durchsetzt, riskiert sogar eine Gefängnisstrafe (Knast für Privatkopien von CDs und DVDs?). Die Sozialisten (PSOE) haben nach ihrem Wahlsieg die zuvor kritisierten Gesetze der konservativen Vorgänger nicht wie versprochen geschliffen, sondern sie unter dem Stichwort Bekämpfung der Piraterie sogar verschärft (Vorzensur, Schnellgerichtsverfahren und Internetpolizei).

Ausgetragen wird der Kampf um die Gebühr auf Nebenkriegsschauplätzen. Die Autorenvereinigungen haben sich mit ihrem Abkommen in einem Bunker verschanzt. Der Sieger des ersten Gebührenurteils deutet an, wie paradox die Lage ist: „Der Laden, verpflichtet die Gebühr für die Autorenvereinigungen abzuführen, ist nun gezwungen, das Geld dem Konsumenten zurückzugeben.“ Batch PC müsse nun seinerseits klagen, um das Geld vom Großhändler zurück zu erhalten, der dann die Autorenvereinigungen angehen müsse. Eine Situation, die Cordero als „Verteidigungslosigkeit“ betitelt, die nun auf die Händler übergegangen sei.

Für die Autorenvereinigungen ist das Urteil ein bitterer Schlag, wobei sie jahrelang viel Geld eingesackt haben. Aber nun scheint einzutreffen, was die Netizen der militantesten Organisation angedroht hatten. Den „Krieg“, den die verhasste „Vereinigung der Autoren in Spanien“ (SGAE) angezettelt habe, werde sie verlieren (Spaniens Netizen erklären SGAE den Krieg). Welche Läden werden die Gebühr noch erheben, wenn sie nun dafür haftbar gemacht werden?

Der Gegenkampagne gibt das Auftrieb, mit einem so positiven Urteil, schon gar nicht im ersten der vielen anhängigen Verfahren, hatte niemand gerechnet. Das Ziel war, Zweifel über die Rechtmäßigkeit der Gebühr bei einem Richter zu erzeugen, der den Fall zur Entscheidung ans Verfassungsgericht weiter reicht. Eine Einzelperson kann in Spanien nicht vor das höchste Gericht ziehen, deshalb hatte der Anwalt Javier de la Cueva eine Musterklage angeboten, damit möglichst viele Klagen eingehen ("Ich will meine 22 Cent zurück").

Neues Urheberrechtsgesetz in Vorbereitung

Welche Wirkungen das Urteil auf das geplante neue Urheberrecht hat, ist noch unklar (Verschärfung des spanischen Internetgesetzes geplant) Am vergangenen Freitag hat die sozialistische Regierung im Kabinett einen Entwurf beschlossen, der auch die Kopiergebühr gesetzlich regeln soll. Nun klammern sich die Verfechter der Gebühr an diesen Strohhalm. Die Vereinigung der Musikhersteller Promusicae und die Unternehmensvereinigung Asimelec begrüßten am Mittwoch das Vorhaben. Dabei bleibt es weit hinter ihren Forderungen zurück. Ausdrücklich ausgenommen werden zum Beispiel Gebühren auf Festplatten und DSL-Verbindungen. In der unstillbaren Gebührengier wollte die SGAE auf alles Abgaben erheben, womit Musik oder Filme abgespielt werden können (Internetpolizei in Spanien).

Das Gesetz will die „Rechte der Autoren im Bezug zu den Rechten der Konsumenten zu harmonisieren.“ Es soll sich nur auf „Datenträger beziehen, die vorwiegend für Kopien verwendet werden“. Ob das für CDs und DVDs gilt, ist fraglich. Noch bezieht der Entwurf sie ein und schreibt die derzeitigen enormen Gebühren fest. Dabei sind die Gebühren selbst Asimelec zu hoch, weil sie zum günstigeren Einkauf per Internet im Ausland einladen und die nationale Produktion und den Verkauf einschränken.

Den Netizen haben zudem einen neuen Ansatz für Klagen. Anders als in Deutschland soll die Gebühr erneut pauschal auf alle Datenträger erhoben werden. Dabei werden CDs und DVDs nicht vorwiegend für Privatkopien verwendet, die das Gesetz weiter zulässt. Die SGAE gibt völlig überzogen an, fast 77 Prozent aller Rohlinge würden dafür eingesetzt. Asimelec beziffert den Wert nur auf gut 13 Prozent. Wäre das noch ein Datenträger auf dem vorwiegend Kopien erstellt werden? Ein Fall für die Richter. Ein weiterer Hasenfuß für die Musikindustrie könnte die Einschränkung des Kopierschutzes sein, damit das Recht auf eine Privatkopie auch umgesetzt werden kann.

Dem Entwurf wehte aber schon vor seiner Verabschiedung im Kabinett heftiger Gegenwind entgegen. Die oppositionelle Volkspartei (PP), die einst als Regierung die Einführung der Gebühr ermöglichte, hat einen eigenen Entwurf für das Urhebergesetz gemacht, um die Kopiergebühr abzuschaffen. Den hat sie schon durch das Unterhaus des Parlaments gebracht,. Es sei eine „undifferenzierte Steuer“, welche die „Konkurrenzfähigkeit der spanischen Industrie schädige“.

Da die Sozialisten keine eigene Mehrheit haben, wird es noch positive Anpassungen für die Konsumenten geben müssen, um die Zustimmung der Vereinten Linken (IU) und der Nationalisten aus Katalonien, dem Baskenland und Galicien zu erreichen. Die stehen dem Urheberrechtsgesetz kritisch gegenüber. Da die mit der PP auf Kriegsfuß stehen, dürfte deren Entwurf im Kongress keine Chance haben.

Bei der Internetnutzung hinten dran

Insgesamt steht es schlecht um neue Technologien im Staate Spanien. So hat die Stiftung der großen BBVA–Bank eine Studie vorgestellt, wonach 71 Prozent der Bevölkerung das Internet für unnötig halten. Die Internetnutzung ist im EU-Vergleich gering. Nur im Baskenland und in Katalonien stellte sich die Lage wegen der Förderung durch die Autonomen Regierungen anders dar (Spanien verliert bei Internetnutzung weiter an Boden).

Nach Angaben des Industrieministeriums und der Unternehmen der Informationstechnologie benötige das Land jährlich die Summe von 16 Milliarden Euro, um am europäischen Durchschnitt anzudocken, berichtete am Mittwoch die Tageszeitung El Mundo über eine Studie des Ministeriums und der Unternehmerverbands AETIC. Nur 1,7 % des Bruttoinlandsprodukts werde für Informationstechnologie ausgegeben, weit hinter dem EU-Durchschnitt von 3,1 %. Nur in Litauen und Griechenland sei es noch weniger.

Die Regierung werde wieder mal einen „Plan“ ausarbeiten, um die „Distanz bis 2010“ zu eliminieren, gab der Generaldirektor des Sekretariats für Informationstechnologie Rafael Sagrario an. Woher die horrenden Summen kommen sollen, weiß er wohl auch nicht. Die Zeit der massiven Zahlungen aus Brüssel ist jedenfalls vorbei. Statt Hauptempfängerland sollte Spanien ab 2007 Nettozahler werden, weil das Pro-Kopf-Einkommen in der erweiterten EU nun 90 Prozent des EU-Durchschnitts übersteigt. Allein aus dem Kohäsionsfond fallen damit jährlich acht Milliarden Euro weg.

Angefangen wird mit der Modernisierung nun im Oberhaus des Parlaments. Der Kongress hat seine Aktualisierung beschlossen. Das für 2006 auch Basiskurse in der Benutzung von Informationstechnologie für Parlamentarier auf dem Programm stehen, zeigt an, wie verstaubt die Volksvertreter in Madrid sind, die oft nicht mal eine eigene Webseite haben. Angesichts der Situation erklärt sich, warum die Internetabstimmung zum EU-Staatsvertrag so derart kläglich versagte (Abstimmung über EU-Verfassung auf spanisch).