Kopierschutz oder Qualität?

Möglicherweise leitet popfile.de von Universal eine Trendwende in der Musikbranche ein

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Das Verhalten der Musikindustrie gegenüber dem Konsumenten im digitalen Zeitalter muss sich nach Ansicht Vieler ändern. Doch statt intelligente Musikangebote im Internet zu realisieren, schimpfte und klagte man weiter gegen Internetpiraterie, versuchte sich an der Implementierung von Kopierschutzmechanismen auf Audio-CDs und brachte eine handvoll halbherziger Online-Kaufangebote auf den Markt, die allerdings eher durch schlechten Service, mindere Audioqualität und magere Auswahl brillierten.

Mediagiganten wie Sony streiten sich derweil gerne intern, ob die Elektronikabteilung nun echte MP3-Player verkaufen darf, wenn dies doch potenziell das Geschäft von Sony Music beeinträchtigt. CD-Brenner von Sony scheinen diese Angst bei Sony Music unlogischerweise nicht auszulösen - sind es aber doch gerade diese Geräte, die letztendlich jegliche Motivation zunichte machen, eine CD doch noch selbst zu kaufen. Bertelsmann weiß hingegen nicht so recht, wohin es mit dem Napster hingehen soll. Seit mehr als einem Jahr tut sich nichts - aber das ist vielleicht im Interesse von Bertelsmann, immerhin werden die Vielzahl der Titel nicht mehr illegal über Napster getauscht, sondern eben über FastTrack (KaZaA & Co.).

Kaum ein Konsument will offenbar für etwas bezahlen, was es in besserer und einfacherer, obgleich illegaler Form bereits im Internet gibt. Sony selbst bezeichnet seine Musik- und Filmsparte bereits selbst als ihre "Softwareabteilung". Die PC- Softwarebranche hat schon seit Anfang der 80er Jahre erkennen müssen, dass Profite nicht allein durch Kopierschutzmechanismen erzielt werden können, sondern durch Qualität, maßgeschneiderte Lösungen und Service. Der Musikmarkt im Internet wird derzeit dank genügend Alternativen in Form von Tauschbörsen durch den Konsumenten bestimmt. Die Industrie möchte zwar gerne selbst mit einem innovativen Dateiformat plus Kopierschutz auf den Markt kommen, doch der Kunde scheint bereits selbst entschieden zu haben, was er will. Ihn davon mit rechtlichen Mitteln abzubringen, ist neben einem Desaster für die PR-Abteilung auch ein Ding der Unmöglichkeit.

Diese Einsicht scheint sich langsam auch in die Führungsetagen der Musikindustrie herumzusprechen: Tim Renner, Chef bei Vivendi Universal Deutschland, hat gegenüber Online Today Informationen über den neuen deutschen Dienst popfile.de abgegeben. Zum ersten Mal versucht hierbei ein Major Label auf einen Kopierschutz zu verzichten und einen Dienst auf die Beine zu stellen, der auf dem etablierten MP3-Format beruht. Der Service soll voraussichtlich am 1. Juli starten, einzelne Titel sollen im Schnitt 99 Cent kosten. Das gesamte Angebot von Universal Music soll hierbei zur Auswahl stehen.

Das Prinzip ist vom amerikanischen emusic.com bekannt. Dieser Dienst verkauft seit 1999 Titel im ungeschützten MP3-Format - entweder als Flatrate für ca. 10 EUR im Monat oder auf einer per Titel Basis und ist im vergangenen Jahr von Universal aufgekauft worden. Interessanterweise lassen sich dort allerdings noch keine Titel von Universal Music finden - sondern hauptsächlich solche von kleineren Independent Labeln. Ein weiterer Kritikpunkt an eMusic ist die Musikqualität. Die Verwendung von MP3 in allen Ehren - bei eine Bitrate von 128 Kbps lohnt sich der Kauf eines Titels kaum.

Dem Weg zur kostengünstigen, legalen Single in ordentlichem Format ist Universal einen Schritt näher gekommen. Fraglich ist, ob popfile.de den Konsumenten in Punkto Preis und Qualität überzeugen wird. Es ist anzunehmen, dass es sich bei dem Angebot um eine Art Testballon zur Messung der Marktakzeptanz handelt. Vor nicht unlanger Zeit dieses Jahr hat Universal einen großen und umfassenden Deal mit Liquid Audio abgeschlossen - einer Firma die eine kopiergeschützte gleichnamige Formathülle verkauft unter dem löbliche Techniken wie AAC oder MP3 verwendet werden. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Universal mit vielen Lizenzmodellen und Kopierschutztechniken im Internet experimentieren wird, um letztendlich einen erfolgreichen Service küren zu können.

Die Entscheidung über Erfolg oder Misserfolg eines Musikangebots liegt beim Konsumenten. Die Industrie wird ihr Angebot solange nachbessern müssen, bis der Konsument es akzeptiert. Wenn Preis, Qualität und Service bei popfile.de noch nicht dem entsprechen sollten, was sich der Kunde vorstellt - so wird der Kunde seine Titel weiterhin woanders her beziehen. Die Bereitschaft ist generell vorhanden, für einen Service zu zahlen, der gewünschte Titel bzw. ganze Alben eines Künstlers in guter Qualität, schnell und legal aus dem Internet anbietet. Nur die Rahmenbedingungen müssen stimmen - und die setzt nicht mehr die Industrie, sondern der Konsument. Diese Schlacht ist bereits entschieden. Jetzt geht es gewissermaßen um das Aushandeln der "Friedensverträge".

Gregor Lawatscheck ist Mitarbeiter von MPeX.net.