Krawall-Online

Berliner Maifestspiele (fast) live im Internet

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Alle Jahre wieder pünktlich zum 1. Mai schlagen sich junge Leute in Berlin gegenseitig die Köpfe ein. Die einen ganz in uniformiertem Polizei-Grün, die anderen meistens in finsterem Anarcho-Schwarz. Gewiss ein seltsames Vergnügen und zudem leider ein recht blutiges Ritual, das in diesem Jahr nach allen Prognosen wohl einen bösen Höhepunkt erreichen könnte.

Rund 6000 Polizisten, darunter 2000 Beamte des Bundesgrenzschutzes, sind am morgigen 1. Mai in Berlin im Einsatz. 65 Veranstaltungen, Kundgebungen und Aufmärsche finden statt. Darunter auch eine Demonstration der NPD. Und Berlins Innensenator Eckart Werthebach schwant gar Übles: "Im Vergleich zu früheren Jahren haben wir eine sehr zugespitzte Situation."

Alles also fast wie gehabt, dennoch gibt's in diesem Jahr etwas Neues von der Krawallfront. Zum ersten Mal werden die sogenannten Berliner "Maifestspiele" ausführlich im Internet begleitet. Neben Aufrufen wie "IT`S TIME TO START THE RIOTS !!!!", Prognosen wie: "Sicher ist auf jeden Fall, daß viel KAPUTTGEMACHT wird, zahlreiche Scheiben zu Bruch gehen, Autos brennen, Bullen verbluten" und martialischen Parolen aus der historischen Mottenkiste: "HOCH LEBE DER REVOLUTIONÄRE GEDANKE! TOD DEM BULLENSTAAT UND SEINEN SCHLEIMIGEN HANDLANGERN!!!!", die sich auf diversen Netzseiten finden lassen, sind als Online-Info-Dienst auch Karl Nagel und seine Chaos-Tage-Website mit von der Partie.

Nagel, der Mitte der 90er Jahre die Medien und die Polizei mit gefakten News und Infos rund um die hannoverschen Chaos-Tage erfolgreich verwirrte und sich dabei als sogenannter "Internet-Punk" einen Namen gemacht hat, will auf seiner Netzseite von heute an bis zum 2. Mai rund um die Uhr aktuell von der Berliner Krawallfront berichten. Das teilte er jetzt in einem Newsletter mit und forderte seine Leser zur Mitarbeit auf:

"Falls Sie, lieber Leser, in Berlin weilen sollten, um - aus welchen Gründen auch immer - die dortigen ,Maifestspiele' aus der Nähe zu verfolgen, wäre wir für Ihre Unterstützung in Sachen Berichterstattung dankbar. Übermitteln sie uns mögliche - vielleicht sogar exklusive - Neuigkeiten bitte sofort per Email oder rufen Sie uns unter xxxxxxx an. Die Nachricht wird dann sofort ins Netz gestellt. Falls das Telefon zum Zeitpunkt Ihres Anrufes gerade nicht besetzt sein sollte, sprechen Sie Ihre Mitteilung einfach auf den Anrufbeantworter. Ihre Nachricht kommt auf jeden Fall bei uns an!"

Für ihn sei dies, schreibt Nagel, der Test eines neuen Redaktionssystems, das es seinen Mitarbeitern erlaube, auch ohne spezielle HTML/webtechnische Kenntnisse direkt über den Browser Nachrichten auf die Website zu stellen! Und vor allem: "eine echte Generalprobe für die Anti-EXPO-Aktionswoche und die späteren Chaos-Tage!" (Der Widerstand gegen die Expo 2000 formiert sich)

Dass dabei die Medien in diesem Jahr nicht so leicht durch Fakes an der Nase herumzuführen sein werden, auch das weiß natürlich Karl Nagel. Doch das stört den Hamburger Web-Designer und Punk der ersten Stunde nicht. Die Situation, sagt er, habe sich in den letzten fünf Jahren wesentlich verändert. Heute hätten viele Punks Zugang zum Internet. Und das Spiel mit den Medien sei für ihn daher nur noch zweitrangig.