Kreativität im Schließfach

Evaluation des Digital Millennium Copyright Act mit Anhörung vor US-Behörden

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Vertreter der Unterhaltungsindustrie und des digitalen Mediensektors werden heute in einer Anhörung vor dem United States Copyright Office (USCO) und der National Telecommunications & Information Administration (NTIA) Stellungnahmen über die Handhabung des Copyright in der Welt der digitalen Medien abgeben. Im Digital Millennium Copyright Act (DMCA) ist diese Anhörung festgeschrieben als Teil einer Prozedur zur Evaluation der bisherigen Auswirkungen des Gesetzes und der möglichen Notwendigkeit für Veränderungen. Die beiden US-Bundesbehörden werden nach Abschluss der mündlichen Stellungnahmen einen Bericht an den US-Kongress verfassen, der bis Ende Februar fertig sein soll. Eine Neufassung des Gesetzes ist allerdings nicht vor 2002 zu erwarten.

Die Ankündigung, dass es darum gehen werde, ob mit dem DMCA die richtige Balance zwischen den Rechten der Konsumenten und denen der Rechteinhaber gefunden sei, läßt Böses erahnen. Es stehen sich hier gegenüber auf der einen Seite die "alten" Giganten der Unterhaltungsindustrie, auf der anderen eine Vereinigung von 75 Unternehmen des Bereichs Internet und neue Medien, die sogenannte Digital Media Association (DiMA).

Die drei Hauptdiskussionspunkte sind die sogenannte Erstverkaufsdoktrin, Kopien im Rahmen von Fair use und Abgeltungen für Streaming von copyrightgeschütztem Material. Dabei setzt sich ein bekanntes Rollenspiel fort, wobei die Unterhaltungsindustrie sich in der Rolle eines Darth Vader gefällt, der immer mehr Restriktionen einführen will, während die Internetunternehmen sich als tapfere Davids sehen, welche die wahren Interessen der User ebenso wie den technologischen Zeitgeist vertreten. Und Darth Vader hat sich wieder einmal eine besonders perfide Idee einfallen lassen.

Denn die Vertreter von Hollywood und Musik-Majors möchten, dass auch auf Kopien, die bei Streaming-Verfahren temporär im Buffer angelegt werden, eine Abgabe eingeführt wird. Da ist der Vorwurf der DiMA-Vereinigung wirklich nicht so weit hergeholt, dass die Unterhaltungsindustrie die Weiterentwicklung neuer Technologien und Dienstleistungen behindern würde, da sich unter diesen Umständen kein tragfähiges Geschäftsmodell für Live-Streaming aufbauen lassen würde. Mit der heutigen Ankündigung, dass die RIAA nun SoundExchange startet, eine Firma, die Lizenzzahlungen für über das Internet oder andere digitale Medien verbreitete Musikaufnahmen eintreiben soll, könnten allerdings vollendete Tatsachen geschaffen werden, lange bevor es zu einer Revision des DMCA kommt.

Abgesehen davon möchte DiMA, dass auch für digitale Formate die Erstverkaufsdoktrin gilt. Im Schallplatten und Buchhandel ist es gestattet, Dinge im Second-Hand-Handel weiterzuverkaufen. In der digitalen Welt wäre der Unterschied zwischen Erstverkauf und Weiterverkauf nicht kontrollierbar, argumentieren die Studiobosse, deshalb könne die Erstverkaufsdoktrin nicht angewandt werden. Doch, meinen die Internet-Upstarts, nämlich z.B. mit sogenannten Digital Lockers - digitale Schließfächer, die ihren Content nach Bezahlung freigeben. Provider solcher Dienste würden damit zu Rechtemanagern.

Ein Klassiker ist die Debatte um Fair use. DiMA möchte, dass dieser deutlicher im DMCA verankert wird. Hat jemand ein Unterhaltungsprodukt gekauft, und sei es auch in einem digitalen Format, dann solle der Käufer wie bisher das Recht haben, es auf andere Formate zu kopieren, um es in jeder Form genießen zu können, die ihm passt - also z.B. das Brennen auf CD von MP3-Files, die aus dem Netz geladen wurden, das Archivieren auf einem Streaming-Server zum Eigenbedarf, das Überspielen auf einen portablen MP3-Player usw. Die Unterhaltungsindustrie tendiert dazu, Fair use praktisch zu verunmöglichen, indem sie am liebsten nur Formate zulassen würde, die es ihnen ermöglicht zu kontrollieren, was der Käufer mit dem Produkt anstellt. Nicht zuletzt nach dem SDMI-Crack sind solche Szenarien der totalen Content-Kontrolle vorerst zurückgeworfen.

Daher die Notwendigkeit für nicht nachglassenden PR-Druck. Diese Woche in London hat die Plattenindustrie ein großes Staraufgebot zusammengekratzt, um der Öffentlichkeit wieder einmal einzuhämmern, dass arme Musiker verhungern würde, wenn böse Menschen ihre Songs vom Internet klauen. Allerdings hat man sich mit Sir Paul (Paul Mc Cartney) und Sir John (Elton John) gleich die oberreichsten Multimilliardäre für die Kampagne geangelt, so dass das Argument vom am Hungertuch nagenden Künstler etwas unglaubwürdig wirkt. Sir John hat kürzlich zugegeben, dass er soviel Geld verdient, dass er nicht nur kaum dazu kommt, es selbst auszugeben, sondern auch, dass es ihm gar nicht aufgefallen ist, dass sein Buchhalter fünf Millionen Pfund Sterling veruntreut hat.

Der angebliche Publikumserfolg von 9 Millionen Teilnehmern am Live-Streaming von Madonnas Gig auf MSN relativiert zugleich etwas die Saga vom Antagonismus zwischen Entertainment-Majors und angeblich kleinen, innovationsfreudigen "Internetstartups". MSN+Madonna=die Zukunft der Unterhaltung?