Krieg der 13 Milliardäre: Wie die Trump-Regierung den modernen Staat zerschlagen will
Seite 2: Die drei Projekte hinter DOGE
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Qinn Slobodian, Professor für internationale Geschichte an der Boston University, sieht bei dem DOGE-Konzept drei verschiedene politische Projekte am Werk, die ineinander verwoben seien. Beim ersten Strang soll der Staat wie ein Unternehmen geführt werden, wobei Bürger bloße Konsumenten sind. Das sei sicherlich ein klassisch neoliberales Konzept, keineswegs neu, nun allerdings mit einem enormen Musk-Booster versehen.
Der zweite Strang bestehe darin, die staatliche Verwaltung grundsätzlich abzubauen, nicht um sie effizienter zu machen, sondern um den Staat umzupolen. Danach sollte es zum Beispiel gar keine soziale Umverteilung mehr geben.
Diverse Regulierungen wie Umweltschutz, Bereitstellung von Sonderschulen oder die Gleichstellung sollten ebenfalls abgeschafft werden. Zudem müsse die exekutive Ordnungsmacht der Regierung gestärkt werden. Ihr zentralen Aufgaben bestünden im Kern nur noch darin, mit Polizei, Überwachung und Militär für Ordnung zu sorgen.
Der dritte Strang ist der extremste. Er wird gebildet aus Ideen, die von Vordenkern wie Curtis Yarvin propagiert werden, auf den sich Vize-Präsident JD Vance immer wieder bezieht. Danach sollte der moderne Staat komplett zerschlagen und die Souveränität dezentralisiert werden – wobei am Ende nur noch eine Art Netzwerk von privaten Enklaven bzw. modernen Lehensgütern entsteht, in die man sich "einkaufen" kann wie in gated communities. Yarvin nenne sie "sovcorps" (gebildet aus "sovereignty" und "corporations").
Der Rumpfstaat als Ziel
Das Letztere ist sicherlich Science Fiction. Wenn man sich die "Blitzattacken" der Trump-Regierung der letzten Wochen anschaut, geht es darum, den modernen Staat auf einen Rumpfstaat zu reduzieren, wie im 19. Jahrhundert, der sich unter dem Diktat einer mächtigen Exekutive auf die Schaffung von Ordnung sowie elementare Verwaltungsaufgaben beschränkt.
Dazu kommt ein umfunktionierter Fürsorgestaat – der befreit von den sozialen Fesseln sich ausschließlich darauf fokussieren kann, die Steuergelder an Unternehmen und Hyperreiche weiterzuleiten. In diesem Sinn sind die von Trump angekündigten Steuererleichterungen zu verstehen.
Das war schon der Fall in Trumps erster Amtszeit. Ein gigantisches Steuerentlastungspaket in Höhe von 1,5 Billionen US-Dollar wurde 2017 von den Republikanern durch den Kongress gebracht. Es entlastete die Oberschicht und Konzerne, während die Gegenfinanzierung von den unteren Schichten der Bevölkerung in Form von Kürzungen erbracht werden musste. Der Staat wird derart immer mehr zur Geldmaschine für die umfunktioniert, die über Privilegien, Macht und Einfluss verfügen.
Attacke gegen Recht und Gesetz
Zugleich wird die Demokratie offen in Frage gestellt. Insbesondere der Rechtsstaat, Richter und Gerichte werden von der neuen US-Regierung systematisch angegriffen und missachtet. So schob Trump mit Bezug auf ein Gesetz aus dem 18. Jahrhundert, das den Umgang mit ausländischen Feinden in Kriegszeiten regelt, 137 Einwanderer aus Venezuela ins Trump-freundliche El Salvador ab.
Ein Gericht verlangte den sofortigen Stopp. Das Weiße Haus setzte sich darüber hinweg und erklärte, dass der Richterspruch die Regierung nicht interessiere. Kritiker sprechen von einer "amerikanischen Gestapo" und einer Trump-Privatarmee, die sich im Aufbau befinde. Im Kern ist die Haltung der US-Regierung: Wir folgen nicht mehr den Regeln der Gewaltenteilung.
Republikanische Kongressabgeordnete wollen jetzt sogar den zuständigen Richter des Amtes entheben. "Die USA setzen ihren rassistischen Kurs Richtung autoritärer Praktiken fort", warnt Amnesty International USA.
Verfassungskrise und möglicher Coup
Überall im Land versuchen Gerichte die exekutiven Anordnungen aus Washington zu verhindern, weil "der Unterschied zwischen dem, was sie zu tun versuchen, und dem, was rechtmäßig ist, so enorm ist, dass jeder so entscheiden würde, wie diese Richter es tun", sagt Nancy Gertner, Professorin an der Harvard Law School und pensionierte Bundesrichterin. Weit über 100 richterliche Einsprüche gibt es bisher. Die Trump-Regierung macht einfach weiter.
Gertner sieht akut die Gefahr einer "Verfassungskrise" und eines "Coups" in den USA heraufziehen, da sich die Staatführung über Gesetze hinwegsetze, Richtersprüche missachte und mit Musk & Co. eine nicht autorisierte, nicht gewählte Gruppe Regierungsmacht an sich ziehe.
Dem stimmt die sudanesisch-amerikanische Rechtsanwältin Suad Abdel aziz zu – und verweist auf den Sudan. In den USA finde ein Staatsstreich der Unternehmen statt. Die Übernahme von DOGE durch Musk sei der erste Schritt, um die Regierung nach seinen Launen zu formen. Die nächsten Schritte könnten noch beängstigender sein.
Meinungsfreiheit und Demokratie im Visier
Wer immer sich kritisch in der Zivilgesellschaft äußert oder als unliebsam eingeschätzt wird, kann vom Trump-Team ins Visier genommen werden. Im Fokus stehen dabei Universitäten und Wissenschaftler, Medien und Journalisten, Kritiker und Protestierende.
Grundlegende Bürgerrechte werden flächendeckend in Frage gestellt und entzogen, Menschen mundtot gemacht, verhaftet und abgeschoben. Die Demokraten sowie einflussreiche Prominente ziehen währenddessen den Kopf ein und ziehen es vor, zu schweigen.
Alles das, was vor der Wahl bei einem Sieg Trumps befürchtet wurde, wird nun im Eiltempo zur neuen Realität – und in einer Dimension, die nicht erwartet wurde. Man befürchtet, dass es nur der Anfang ist und ein kaum mehr umkehrbarer Prozess gestartet worden ist.
Immer totalitärer
Für Jeffrey C. Isaac, Professor für Politikwissenschaft an der Indiana University, befinden sich die Vereinigten Staaten auf dem Weg in einen Polizeistaat. "Unsere düsteren Tage werden von Minute zu Minute dunkler." Ralph Nader, Unternehmenskritiker und ehemaliger Präsidentschaftskandidat, sieht in Trumps Rede an den US-Kongress Anfang März, "eine Kriegserklärung an das amerikanische Volk, einschließlich der Trump-Wähler, zugunsten der Superreichen und der riesigen Konzerne".
Die russisch-amerikanische Schriftstellerin M. Gessen, die seit Jahrzehnten über Autoritarismus schreibt, argumentiert, dass Trump in seiner ersten Amtszeit eine Art "Zufallspräsident" war, sich aber "durch die Macht verändert hat" und nun zunehmend "imperialistisch" und "totalitär" ist.
Es gibt auch Widerstand und Protest gegen die Trumpsche Kriegserklärung gegen den modernen Staat und die Demokratie, wenn auch bisher noch verhalten – aber das kann sich ändern. Die Frage wird sein, wie viel Resilienz in den Institutionen und der Zivilgesellschaft vorhanden ist, um der Flut an Attacken durch Milliardäre und radikale Ideologen Stand zu halten.