Krieg gegen die Schleuser: EU erwägt Bodentruppen

In einem Strategiepapier ist die Rede von Spezialeinheiten, die auf libyschem Boden operieren sollen

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Die EU denkt bei dem geplanten "robusten" Vorgehen gegen Schleuserbanden in Libyen auch an den Einsatz von Bodentruppen. In einem EU-Strategiepapier, das dem Guardian vorliegt, heißt es wörtlich:

Die Operation erfordert umfangreiche Möglichkeiten in der Luft, zur See und an Land. Das könnte einschließen: Geheimdienstoperationen, Bootsmannschaften, Einheiten für Luft- und Seepatrouillen; Möglichkeiten für amphibische Operationen; Möglichkeiten für Zerstörungen aus der Luft, von der See aus und vom Land, einschließlich Spezialtruppen.

Die Präsenz von Bodentruppen könnten aber erst dann in Betracht gezogen werden, wenn es darüber zu einer Vereinbarungen mit den zuständigen Stellen (i.O. "Authorities") kommt, heißt es einschränkend. Und in inoffiziellen Stellungnahmen sollen die Diplomaten und Landesvertreter in Brüssel abwiegeln, es gebe keine Aussicht auf den Einsatz von Bodentruppen. Aber ausgeschlossen wird er offensichtlich auch nicht, so die britische Zeitung, wie das 19-seitige Papier ja dokumentiere.

Tatsächlich dürfte es viele Einwände von "zuständigen Stellen" geben, schon allein weil es viele - formelle wie informelle "Authorities" - in der Angelegenheit Militäreinsatz gegen Menschenschmuggler gibt. So haben sich bereits alle beiden Regierungen in Libyen, die offiziell anerkannte in Tobruk wie die von Teilen Libyens anerkannte, international aber nicht anerkannte Regierung in Tripolis, gegen eine mit militärischen Mitteln geführte Intervention der EU in libyschen Gewässern ausgesprochen (Schiffe versenken befeuert libyschen Bürgerkrieg). Ganz sicher werden auch bestimmte Milizen in Libyen, von denen manche halbstaatlich agieren, eine solche Einmischung auf ihrem Terrain auch nicht goutieren.

Die Außenbeauftragte Federica Mogherini sucht indes ein Mandat von höchster Stelle zu bekommen, vom UN-Sicherheitsrat. Dass Russland einem Mandat zustimmt, das in irgendeiner Form einen Einsatz von Bodentruppen in Libyen zulässt, wenn auch unter der Überschrift "Kampf den Schleuserbanden", ist nicht sehr wahrscheinlich.

Russland war bereits gegen die Einrichtung einer No-Fly-Zone, die 2011 eine militärische Intervention von Natostaaten zur Folge hatte. Die Erfahrungen, die damit gemacht wurden - die Nato war praktisch Kriegspartei gegen die Regierung - dürften die Skepsis in Russland gegenüber robusten Einsätze in Libyen nicht schmälern.

Offiziell sollen die von der EU geplanten Operationen "das Geschäftsmodell der Schmuggler zu zerschlagen (...), durch systematische Bemühungen, welche Schiffe und andere Mittel identifizieren, konfiszieren und zerstören, bevor sie von den Schmugglern genutzt werden".

Dafür will die EU von der UN ein Mandat, das auch militärische Mittel in libyschen Gewässern und an der libyschen Küste ermöglicht. Eingeräumt wird im strategiepapier, dass es dabei auch das Risiko von Kollateralschäden gibt. "Beim Entern von vollbesetzten Schleuserschiffen könnten Migranten ums Leben kommen", zitiert die britische Zeitung aus dem EU-Papier.

Für die Option, Schleuser-Schiffe zu zerstören, bevor Flüchtlinge an Bord gehen, sieht es nach Informationen der Zeitung nicht allzu gut aus. Wie Insider berichten (vgl. Schlepper: "Die Geheimdienste wissen längst Bescheid"), sollen sich die Schleuser solcher Schiffe bedienen, die als Fischfänger deklariert sind und als solche ganz offiziell in Häfen ankern.

Dass das Schiff verkauft wurde und nun einen anderen Zweck verfolgt würde erst nach dem Verlassen des Hafens deutlich. Das Schiff würde dann außerhalb ankern und auf die Passagiere warten, die mit kleinen Booten gebracht werden.

Das wäre dann das Zeitfenster für eine Zerstörungsaktion. Voraussetzung dafür ist Aufklärungsarbeit und vermutlich die Kooperation von Milizen, die große Küstenbereiche beherrschen und nach bisherigen Erkenntnissen auch zumindest teilweise vom Geschäftsmodell der Schleuser profitieren.