Krise bei Süddeutscher Zeitung: Plagiatsjäger wehrt sich gegen Vorwürfe der Vereinnahmung
Untersuchung von Stefan Weber führte zu Rücktritt in der SZ-Chefredaktion. Nun rückt der Analytiker selbst ins Visier. Im Telepolis-Gespräch nimmt er zu den Vorwürfen Stellung.
Die Süddeutsche Zeitung durchlebt eine Führungskrise, die sich weiter zuspitzt. Die stellvertretende Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid hat sich aufgrund von Plagiatsvorwürfen gegen mehrere ihrer Artikel und ihre Dissertation vorübergehend zurückgezogen. Recherchen zu diesen Vorwürfen wurden laut einem aktuellen Bericht des Nachrichtenmagazins Spiegel von dem Online-Magazin Nius finanziert, das hierfür ein Gutachten in Auftrag gab.
Nius wurde maßgeblich von dem ehemaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt maßgeblich mit aufgebaut. Das Medium finanzierte indessen die Untersuchung des österreichischen Kommunikationswissenschaftlers und Telepolis-Autors Stefan Weber. Er habe, so der Spiegel einen niedrigen vierstelligen Betrag für seine Arbeit erhalten.
Telepolis sprach mit Stefan Weber über die Arbeit und die Reaktionen.
Enthüllungsschock: Plagiatsvorwürfe erschüttern Journalismus
Herr Weber, zu Wochenbeginn wurde bekannt, dass sich die stellvertretende Chefredakteurin der Süddeutschen Zeitung, Alexandra Föderl-Schmid, vorübergehend aus dem operativen Geschäft zurückzieht. Wie haben Sie dazu beigetragen?
Stefan Weber: So wie es die Süddeutsche gestern geschrieben hat, war wohl eine Tabelle von mir ausschlaggebend, in der ich zehn Plagiatsstellen in der Dissertation von Frau Föderl-Schmid, angenommen 1996 an der Universität Salzburg, darstelle. Ferner habe ich an sechs Stellen Plagiate in journalistischen Artikeln gefunden. Alle Funde lagen der SZ seit Sonntag vor.
Aufklärung oder Hetzjagd? Die Gratwanderung des Plagiatsjägers
Ist es Aufgabe eines Kommunikationswissenschaftlers, Journalisten aus Funktionen zu drängen?
Stefan Weber: Fragen Sie einen Journalisten, ob es seine Aufgabe ist, einen Minister aus der Funktion zu drängen? Wenn die Vorwürfe wahr sind und ein Problem darstellen, dann ist ja nicht der Aufdecker das Übel, sondern die Sache, die er aufzeigt. Alle meine Plagiatsgutachten beschreiben wahre Sachverhalte. So auch in diesem Fall.
Kampagnenführung: Die dunkle Seite der Plagiatsjäger
Der Vorwurf einer Kampagnenführung wird Plagiatsjägern wie Ihnen wohl immer anhaften. Wie gehen Sie damit um?
Stefan Weber: Die gesellschaftliche Bewertung von Plagiatsvorwürfen und Plagiaten ist für mich mittlerweile das nächste große Problem neben dem Plagiieren. Es ist mir vollkommen egal, ob ein Plagiator der linken oder der rechten Reichshälfte angehört.
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Ich habe in Österreich sowohl linke (Matthä, Drozda) als auch rechte (Aschbacher, Raab) Politiker und Wirtschaftsbosse als Plagiatoren enttarnt. Ich führe also keinen "Feldzug" gegen links oder rechts, sondern gegen akademischen Textbetrug und seine Folgen für Politik, Journalismus und Wirtschaft.
Plagiatsvorwürfe: Wenn Medien zum Schlachtfeld werden
Nachrichtenmagazin der Spiegel und gibt an, eine E-Mail vorliegen zu haben, aus der Absprachen zwischen Ihnen und dem Auftraggeber, einer konkurrierenden Redaktion, hervorgehen. Spielt für Sie die Intention des Auftraggebers denn keine Rolle?
Stefan Weber: Nicht die Geringste! Die Plagiatsdetektion hat mit den Absichten meines Auftraggebers nichts zu tun. Und ja, lustig, ich habe natürlich sofort erkannt, worauf der Spiegel-Reporter hinauswill. Ich war selbst Journalist und will ihn ja nicht anlügen. Wenn mir der Auftraggeber gestattet, dass ich ihn nennen darf, und das ist seit gestern der Fall, so what?
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Herr Reichelt hat als Chefredakteur der Bild die endlosen Baerbock-Plagiate immer wieder aufgegriffen, und mich freut es, dass er sich als einziger Journalist nun für die Plagiatsprävalenz bei Föderl-Schmid interessiert. Bedenklich ist also nicht der Auftrag von Nius. Bedenklich ist, dass sonst niemand eine Investigation betrieben hat!
Die Kontroverse: Ehrliche Aufdeckung oder gezielte Diffamierung?
Hat die Redaktion des Online-Magazins Nius Einfluss auf den Inhalt ihrer Arbeit genommen?
Stefan Weber: Natürlich nicht. Wie denn bitte? Soll mir Herr Reichelt sagen, dass ich eine Stelle als Plagiat zu werten habe, die keines ist? Ich habe manchmal Anfragen der Art: "Schauen Sie sich den Politiker XY an, wichtig wäre uns ein möglichst negatives Ergebnis." Da ist man bei mir beim Falschen. Man bezahlt mich für Gutachten, nicht für erwünschte Ergebnisse.
Keine verborgene Absprachen, keine Flaschen Sekt?
Gab es neben Absprachen zum Untersuchungsgegenstand und Wording weitere Vereinbarungen zwischen Ihnen und Nius?
Stefan Weber: Welche denn? Eine Flasche Sekt pro Plagiatsstelle? Noch einmal: Das ist keine Verschwörung. Das ist mein tägliches Brot. Nius ist Kunde wie die Anwaltskanzlei aus Lübeck oder der Metzger aus Rosenheim. Auch mit diesen Kunden gibt es ständig Absprachen über Veröffentlichungen, Medienstrategien, Rechtsdurchsetzung. Ich kann kein Problem erkennen.
Medienbias im Plagiatskrieg: Ein Insider packt aus
Der Spiegel schreibt nun, sie wollen Fehler gefunden haben und nutzt auch darüber hinaus beachtlich viel Konjunktiv. Bemerken Sie einen unterschiedlichen Umgang in Mainstreammedien, je nachdem, wer das Ziel Ihrer Untersuchung ist?
Stefan Weber: Zunächst: Ein Plagiat ist fast nie ein Fehler, sondern fast immer Absicht. So auch bei Föderl-Schmid. Sodann: SZ und Spiegel haben eine politische Agenda, Reichelt hat eine politische Agenda. Meine Agenda heißt, dass ich keine plagiierenden Politiker und Journalisten haben möchte.
Mein Ziel ist es, Plagiatsforschung an einer Universität zu etablieren. Da gäbe es wirklich genug zu tun. Das haben in Österreich bislang konservative Politiker und Beamte wie auch progressive Stakeholder erfolgreich verhindert.
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