Künstliche Evolution

Ein vom Menschen geschaffenes Protein

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Es ist der alte Traum von Dr. Frankenstein und dem Rest der Menschheit: Leben im Labor zu erschaffen. Ein kleiner Schritt ist nun US-Forschern gelungen, sie bauten ein künstliches Protein mit erstaunlichen Eigenschaften.

John Chaput forscht am Institut für Biodesign der Arizona State University, seine Gruppe beschäftigt sich mit künstlichen Polymeren und ihren Eigenschaften, die von ihrer Struktur her auch in der Natur vorkommen könnten. Sie betreiben Spurensuche in einem Bereich, den sie selbst als "synthetische Evolution" bezeichnen. Wozu die Natur Millionen von Jahren brauchte, wird im Express-Tempo nachvollzogen.

Die dreidimensionale Struktur des künstlichen Proteins DX als kristallographisches zweigliedriges Gebilde (so genanntes Dimer), das metallische Zink-Ion ist in Orange dargestellt, das Chlorid-Anion an der Schnittstelle in Rot, Bild: John Chaput/Biodesign Institute at Arizona State University

Ihren wissenschaftlichen Durchbruch, das neue synthetische Protein mit der Bezeichnung DX, präsentieren die Wissenschaftler in der Ausgabe vom 23. März von PLoS ONE. John Chaput erläutert den Ansatz:

Das Ziel unserer Forschung ist es, die fundamentalen Fragen des Ursprungs und der Evolution von Proteinen zu verstehen. Sehen Proteine, die wir im Laboratorium erzeugen, genauso aus wie diejenigen, die wir in der Natur vorfinden, oder sind sie völlig anders als die Proteine, für die sich die Natur letztlich [durch die evolutionäre Entwicklung] entschieden hat? Wenn wir ein besseres Verständnis dieser Fragen erreichen, hoffen wir eines Tages neue maßgeschneiderte Katalysatoren zu erzeugen, die als Therapeutika in der molekularen Medizin oder als Biokatalysatoren in der Biotechnologie verwendet werden können.

Seine Forschergruppe arbeitete aktuell mit Jack Szostak von der Harvard University zusammen, der ebenfalls seit vielen Jahren die Möglichkeiten der synthetischen Evolution wissenschaftlich auslotet (vgl. Synthesizing life) und 2001 bereits ein Protein im Reagenzglas herstellte - durch einen aufwändigen Selektionsprozess von sich zufällig aneinander reihenden Aminosäure-Ketten.

Das ausschlaggebende Kriterium der Versuchsreihen war seinerzeit, dass sich das neue Eiweiß gut mit Adenosintriphosphat (ATP) verbindet, dem Molekül, das in den Zellen von Lebewesen als Energiespeicher dient. Allerdings erwies sich dieses synthetische Protein der ersten Generation als wenig stabil, wenn es nicht an dieses Molekül gebunden war.

Es zeigt sich, dass die Stabilität von Proteinen eines der Hauptprobleme in der Biologie ist. Die Hälfte der 30.000 vom Humangenomprojekt entdeckten Gene beinhalten Proteine, von denen wir nicht wirklich wissen, wie ihre Struktur aussieht und wie haltbar sie sind. Entsprechend ist unser Ziel, mehr über die Entwicklung der Faltung und Stabilität von Proteinen zu erfahren.

John Chaput

Also setzte das Wissenschaftlerteam erneut Selektionsprozesse in Gang, die von Szostak gefundene Sequenz der ersten Generation diente aus Ausgangspunkt für die gezielt erzeugten Zufallsmutationen unter Laborbedingungen. Der künstliche Selektionsdruck wurde durch die Beimengung eines Salzes (Guanidinhydrochlorid) erhöht, um die haltbarsten Proteine unter den Kandidaten zu finden. Denn nur die stabilsten waren unter diesen Bedingungen noch fähig, sich an das ATP zu binden. Nach mehreren Runden stand der Sieger dieses darwinistischen Verfahren Survival of the Fittest, bzw. der künstlichen Auslese fest: DX.

Ein Eiweiß mit verblüffenden Eigenschaften, denn es zeigte sich, dass es fähig ist, sich zweimal so stark an ATP zu binden wie seine besten natürlichen Verwandten. Um diese Proteinsequenz besser zu verstehen, nahmen die Forscher ihre Struktur unter die Lupe. Dabei erwies sich, dass sich die innere Beschaffenheit von DX nur wenig von dem synthetischen Protein der ersten Generation unterschied. Nur zwei andere Aminosäuren in der Sequenz waren für die stark verbesserten Bindungs- und Lösungseigenschaften sowie die bessere Hitzeresistenz verantwortlich. Kleine Ursache, große Wirkung.