Kunst_Newsletter Dezember

Messe Köln und Messe Berlin - Ein Nachruf

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Der Kunstnewsletter im Dezember konzentriert sich auf einen Nachruf auf die Art Cologne, Köln, und European Art Forum, Berlin. Die vielerorts hochgespielte Rivalität zwischen Berlin und Köln könnte dabei für beide Seiten zu einem guten Geschäft werden, da man verschiedene Programme verfolgt. Dazu einige Termine/Empfehlungen für Ausstellungen und Vorschau auf kommende Ereignisse von Markus Huemer.

Anmkg: Zum selben Thema wurde bereits ein Gespräch mit dem Galeristen Christian Nagel veröffentlicht.

Schon vor der Eröffnung der Berliner Messe wurde überall die Verlustrechnung für die Art Cologne aufgemacht. Denn ausgerechnet die Jubiläumsmesse, die dreißigste Messe Art Cologne, hatte einen schweren Aderlaß zu verkraften. Seitenweise wurde über eine »Gegenmesse« in Berlin publiziert. Denn dort war ihr mit dem »European Art Forum« harte Konkurrenz erwachsen. Als dann zur Zeit der Berliner Messe, vierzehn Tage vor der Eröffnung der Art Cologne, auch noch Erfolgsmeldungen, wie gute Umsatzzahlen, Übersichtlichkeit der Stände, Entschlossenheit und Noblesse an den Rhein eilten, mußte man in Köln den Tatsachen ins Auge sehen - und in Berlin gab es reichlich Gelegenheit dazu.

Die Kritik an der Halle 5 wollte in den letzten Jahren nicht verstummen, führte zum Bruch. Rund siebzig Aussteller machten ihre Drohung wahr, nicht wiederzukommen. Und ausgerechnet die Galeristen, die in den letzten Jahren nicht müde geworden waren, die Art Cologne zu fordern und zu kritisieren, haben nun - und wiederum ausgerechnet - zwei Wochen vor der Kölner Messe eine Messe in Berlin ins Leben gerufen. Halle 5, Symbol für Übergröße, Überlänge und mangelnde Qualität geworden, war aber eigentlich nur das Scharmützel eines rheinischen Machtspiels zwischen einer Mehrheit der Galeristen im deutschen Galeristenverband (BVDG) und einer unzufriedenen Galeristenriege. Letztere zeigte sich uneins mit den existierenden Praktiken des Vergabemodus und den ökonomischen Bedingungen. Die Organisation der Art-Cologne, so ein weiterer Kritikpunkt am BVDG, müsse aus den Zwängen des Verbandes befreit werden. Das Auswahlverfahren der Teilnehmer solle zudem von einem internationalen Forum geleitet werden - nationale Interessen und die bloße Mitgliederschaft im BVDG hätten zu einem nebensächlichen Kriterium werden sollen.

In Anbetracht der Teilnehmerliste der Messe Berlin, dem European Art Forum, und dem Wissen um einen notorisch unterentwickelten Kunstmarkt in Berlin, beziehungsweise angesichts des Wissens um soviel Elite und soviel entschlossener Hauptstadteuphorie im Vorfeld, blieb lediglich die Frage: Was sollte da ernsthaft für Köln noch bleiben?

Zwischen depressiver Selbstzufriedenheit und Klagestimmung schwankend wurde von den Kölner Kunstfreunden, wie so oft in der 30-jährigen Geschichte der Art-Cologne, der Teufel einer schädigenden Gegenveranstaltung, einer Gegenmesse, an die Wand gemalt. So wurde dem Aufflackern Berlins als Kunstmetropole - neben dem Berliner »European Art Forum«-Kunstmarkt wurde auch gleich noch eine Picasso-Sammlung in die Stadt geholt und ein Museum der Gegenwartskunst im Hamburger Bahnhof eröffnet - der Stellenwert einer erdrückenden Konkurrenz beigemessen. In manch einer einschlägigen Fachpresse wurde gar von einem vorsätzlichen und geplanten Schaden an der Art Cologne berichtet. Die »Gegenveranstalter« wurden als Abtrünnige bezeichnet. Umstürzlerische Tendenzen wurden reihenweise diagnostiziert. Schon 1966, als der Galerist Rudolf Zwirner mit seinem Kollegen Hein Stünke die Art Cologne, damals noch als Messe Köln bezeichnet, im Kölner Gürzenich gründete, gab es heftige Proteste um den hermetischen, selektiven Charakter der ersten Messe Köln. Die Gründung der Demonstrative 1967 und der Prospekt 1968 in Düsseldorf waren die Folge. »Gegen«-Debatten haben eben Tradition in Köln.

Nicht viel anders verhielt es sich bei der Gründung der Art Basel und bei den Veranstaltungen Unfair 1 und Unfair 2. Der Kölner Galerist Christian Nagel, einer der vierzehn Gründungsmitglieder des European Art Forum und Mitorganisator der Messen Unfair 1 und 2 sieht dann beide Messen ebenfalls weniger als Gegenveranstaltung den mehr als Widerstreit, welcher eine weniger nationalistisch-zentralistisch orientierte Kunstlandschaft entstehen lassen könnte. Auch der Galerist Michael Janssen der zweite Ideengenerator der Unfairmessen sieht die ganze Diskussion viel einfacher, unprätentiöser und unter ökonomischen Gesichtspunkten. Mühelos ließen sich also Paralellen zwischen den Einführungsgründen der beiden Unfairmessen und der neuen Berliner Messe herstellen. Was bleibt, ist der Gedanke, gewonnen aus der Erfahrung einer dreißigjährigen Geschichte, daß Dissens nicht nur das Elixier der Kunst ist, sondern auch der (Messe)kunstvermittlung.

Die Konkurrenz mit der Rheinschiene, der Art Cologne, - und warum sollte sich diesmal die Geschichte verkehren - belebte in Berlin das Geschäft, sowohl inhaltlich-diskursiv, als auch wirtschaftlich. Sinn und Zweck war es, ökonomisch gewinnbringend neue junge Kunst zu zeigen und internationales Publikum dafür zu gewinnen. Beide Veranstaltungen - und die Erfahrung der Geschichte zeigte auch dies deutlich - profitierten davon erheblich, funktionierten nach dem Synergieeffekt.

Der Aderlaß in Halle 5 war dann auch gar nicht so schmerzlich, glich sich bereits in der Art Cologne 96 selbst aus. Dem Auszug so mancher profilierter Galerie stand so mancher Zugang einer anderen ebenso profilierten gegenüber. Erwähnenswert wären die neuen Zuzüge der Wiener Galerie Hubert Winter und der Münchner Galerien Van der Loo und Mathias Kampl. Alle drei zeigten konsequente Stände, waren eine absolute Bereicherung. Sie standen exemplarisch dafür, daß die Art Cologne qualitativ immer noch etwas zu bieten hat.

Irgendwie lassen sich generell beide Messen, beide Märkte schwer vergleichen. War die Berliner Messe von Elitebildung und anderen Selektionskriterien bestimmt, von vorneweg als eine Fachmesse für junge Kunst, eine Kunst der letzten zwanzig bis dreißig Jahre installiert, so war die Kölner Messe eher die demokratische, vielfach populistischere und pluralistischere Veranstaltung. Während sich die Rheinmesse nach wie vor um ein breites Spektrum von Ausstellern bemühte, spezialisierte sich der Berliner Kunstmarkt auf die wichtigen internationalen Programmgalerien - mit wenigen Ausnahmen. Folglicherweise sprach die Art Cologne traditionell ein wesentlich heterogeneres Publikum an, und die Sammler kauften eher werkbezogen. Die programmatischen Galeriepräsentation zogen in Berlin dagegen ein homogenes Publikum, ein Fachpublikum aus Kritikern, Vermittlern, Ausstellern, Kuratoren, die nahezu geschlossene »junge« Kunstszene, an. Die Sammler kauften dann auch eher programmatisch und idiosynkratisch. Auffallend war, daß trotz dieses Anspruchs keine einzige Arbeit mit Neuen Medien zu sehen war. Es wurden viele Fotografien und - erstaunlicherweise nach dem offensichtlichen Out von Body- und Genderart - körperbezogene Arbeiten dargeboten. In der Malerei wurde dem Gegenständlichen und Figurativen der Vorzug gegenüber dem Abstrakten gegeben. Kurzum: während die Berliner Messe von Aufbruch gekennzeichnet ist, ist Köln unabdingbar eine Stadt mit Kunsttradtion - und hüben wie drüben gings um verkaufbare Ware. Also alles beim alten, alles bestens?

Eine Messe bekommt ihre Relevanz nicht nur aus sich selbst heraus, sondern auch durch das nicht von ihr generierte aber sie begleitende Rahmenprogramm. Hierbei sind sowohl die Ausstellungen in Galerien der jeweiligen Stadt als auch der anderen Ausstellungsinstitutionen gemeint. Mit der gleichzeitigen Eröffnung des Hamburger Bahnhofs wurde ein Transfer der Publika von Messe und Museum möglich. Während in Köln viele Auswärtige anläßlich der Galerieneröffnung gekommen sind, und dann den Messebesuch angegliedert haben, lag das Augenmerk einer Reise nach Berlin auf der Messe selbst. Mit wenigen Ausnahmen waren dort die Galerienbesuche Rahmenprogramm und zeigten wenig neue, über Berlin hinausreichende Ansätze. Lichtblick in Berlin war das ausgefeilte Nachtleben, in dem der Kunstbetrieb zirkulierte, wie man das aus den besten Tagen der 80er Jahre aus Köln kannte.

Termine

Sophie Calle
Galerie Arndt & Partner 26.10 - 8.12.1996

Mit dokumentarisch-akribischer Genauigkeit erforschte die französische Künstlerin Sophie Calle für ihre Ausstellung in der Galerie Arndt & Partner Plätze und Beobachterpositionen der ehemaligen DDR, an welchen die politischen Denkmäler dieses ehemaligen Regimes entfernt wurden. Mit der Photokamera festgehalten, in dunkles solides Holz gerahmt, über Kopf und nach vorne neigend - ganz im unmißverständlichen autoritären Stil - präsentiert, werden die Arbeiten zu persönlichen Erinnerungen und Emotionen der Ausstellungsrezipienten transformiert. Analog zu den großformatigen Farbfotographien sind Statements von Passanten zu lesen. Wenn ein Herrschaftsystem seine Legitimation verliert, also verfällt, verlieren seine Denkmäler, einst zur Festigung dieses Herrschaftssystems eingerichtet, seine Existenzberechtigung. Nicht so verhält es sich mit den Erinnerungen jener, die einst an diese Autoritäten gebunden waren. Zur Arbeit »The Detachment - Die Entfernung« der »art narratif«-Vertreterin ist ein sehenswerter Katalog um DM 48.- erschienen (Email arndt@berlin.snafu.de). Der Katalog, der zugleich einen fiktiven Stadtführer darstellt, faßt dann auch diese Erinnerungen von Passanten.

Stan Douglas
Museum Haus Lage / Haus Esters / Krefeld 17.11. - 19.01.1997

Sikay Tang, Matta Wagnest
Raum Aktueller Kunst / Wien 8.11. - 7.12.

Trotz unterschiedlicher theoretischer und formaler Zugänge zeigen beide Künstlerinnen einen osszilierenden Blick auf kulturelle Besonderheiten und Verhaltensmuster. Die Österreicherin Matta Wagnest zeigt in ihrer Installation auf sieben Monitoren dokumentarisch die 1994 in Tokio entstandene Arbeit »Watched while Sleeping«. Ein Galerieraum wurde zur Schlafstätte für Passanten umgewandelt, mit Reismatten ausgelegt. Die in Hong Kong geborene Sikay Tang zeigt Videos, in welchen sie die kulturellen Umraumbedingungen chinesischer Gemeinden in aller Welt thematisiert. Der Abschottung von chinesischem Lebensraum (Chinatowns), den Klischeevorstellungen, missverstandenen Traditionen bishin zur Verknüpfung und Assimilierung grundverschiedener kultureller Verhaltensweisen wird Bild und Ton verliehen.

Michael Asher
Kunstraum Wien 31.10 - 22.12.1996

email: kunstraum@thing.or.at

Rirkrit Tiravanija
Kölnischer Kunstverein 6.11. - 22.12.1996

http://www.isp.de/kölnischerkunstverein

Simon Ungers
Galerie Sophia Ungers 26.10. - 14.12. 1996

Thomas Grünfeld
Galerie Michael Janssen 8.11. - 21.12.1996

Rene Magritte / Die Kunst der Konversation
Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen 23.11.1996 - 2.3.1997

Vortragsreihe Die Kunst der Konversation:
1.) Mittwoch, den 15. Januar 1997, 18 Uhr
Karlheinz Lüdeking, Berlin: Im Palast der Vorhänge - Rene Magritte und die virtuelle Realität
2.) Mittwoch, den 29. Januar 1997, 18 Uhr Ralf Konersmann, Kiel: Der malende Philosoph - Sprachbilder und Bildersprache bei Rene Magritte

3) Mittwoch, den 5. Februar 1997, 18 Uhr
Ralf Schiebler, Hamburg: Magritte und die Mathematik

4) Mittwoch, den 19. Januar 1997, 18 Uhr
Pia Müller-Tamm, Düsseldorf: Nach Magritte

Lawrence Weiner
Die Kärntner Landesgalerie in der Kunsthalle Ritter 24.10 - 22.12.1996

Lawrence Weiner / Badly Mixed Concrete
Galerie Hubert Winter / Wien 29.10. - 07.12.1996

Found Footage / Kunst über Film
Klemens Gasser & Tanja Grunert / Köln 8.11. - 31. Januar 1997

Vorschau

Tavoli / Why these hands are touching me
Bundeskunsthalle Bonn - Studio Azzuro vom 13.12. - Februar 1997)

In einem abgedunkelten Raum stehen sechs leicht geneigte Tische auf denen jeweils eine Videoprojektion zu sehen ist: Eine schlafende Frau, eine brennende Kerze, eine mit Wasser gefüllte Schale, ein gedeckter Tisch, etc. Allein durch Berührung der Oberfläche der Tische löst der Betrachter Veränderungen der projezierten Bilder aus: die Frau erwacht, die Kerze fällt um und entzündet die Tischoberfläche, die Wasserschale läuft über, das Tischtuch wird heruntergerissen .

Ulrike Rosenbach "Im Palast der neugeborenen Kinder"
Bundeskunsthalle Bonn vom März bis Mai 1997

Die Grossen Sammlungen V, Museo di Capodimonte, Napoli
Bundeskunsthalle Bonn vom 06.12.1996 - 2.3.1997

Werke von Mantegna, Raffael, Tizian, El Greco, Lorenzo, Guido Reni etc. aus dem Museo Nazionale di Capodimonte werden erstmals ausserhalb dieses Museums gezeigt. Desweiteren werden "verborgende Schätze" wie Skulpturen, Porzellan und vor allem Gobelins aus dem 16. Jhdt. ausgestellt. Die Ausstellung ist Bestandteil der Ausstellungsreihe "Die grossen Sammlungen I......". Zur Zeit werden 450 Werke aus dem Moderna Museet, Stockholm in der Ausstellung "Die Grossen Sammlungen IV" gezeigt. Datum 04.07.1996 - 12.01.1997. Die Arbeiten reichen von der klassischen Moderne bis zur zeitgenössischen Kunst.

Zum Kunst_Newsletter November 96