La Mafia in Germania

Seite 2: Besonders schäbiges Geschäftsmodell: Flüchtlinge als "Rohstoff"

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In Süditalien landen seit mehr als zehn Jahren zigtausende Flüchtlinge an. Hieraus ist ein besonders schäbiges Geschäftsmodell entstanden: Die Mafiabosse witterten schnelles Geld. Petra Reski, die als Romanautorin in der Szene recherchiert hat, stellt fest, "dass die Clans in Sizilien schon 2007 leerstehende Fabrikgebäude oder Kasernen aufgekauft haben, um dort Flüchtlingszentren einzurichten. (…) Die Mafia betrachtet die Flüchtlinge als Rohstoff, den es auszubeuten gilt."

Flüchtlinge werden in Schwarzarbeit oder in die Prostitution vermittelt, oder man verdient an ihnen, indem das Geld kassiert wird, das eigentlich ihnen zusteht. Das Abzweigen öffentlicher Gelder nennt Reski "eine Spezialität" der Mafia. In den Aufnahmezentren herrschten zum Teil unfassbare Zustände; insbesondere Geistliche spielten häufig eine zweifelhafte Rolle.

Zurück zum Bundesland NRW mit seinen "Hochburgen". Der Leiter der Abteilung für organisierte Kriminalität beim nordrhein-westfälischen LKA, Thomas Jungbluth (61), verweist auf die hervorragende Infrastruktur und die große italienische Community, die NRW vor anderen Bundesländern auszeichnen.

Jungbluths Behörde geht davon aus, dass rund 100 Personen in NRW einer italienischen Mafia-Organisation angehören oder Bezüge dazu unterhalten. Knapp zwei Drittel etwa würden der 'Ndrangheta angehören, ein Drittel der Cosa Nostra. Die 'Ndrangheta sei vornehmlich am Niederrhein und im westlichen Ruhrgebiet vertreten, die Cosa Nostra eher im Raum Köln Bereich und die Camorra im östlichen Ruhrgebiet.

Autos auf Bestellung

Als lukrativer Markt gelten schließlich auch Autos. Hier sind es vor allem die Favoriten unter den Oldtimern, die das kriminelle Interesse auf sich ziehen. Im Kölner Stadtteil Sürth verschwand so im September ein 1966er Ford Mustang, eine Woche später erwischte es in Köln-Junkersdorf einen roten Ferrari, Baujahr 1978, und das, "obwohl der Besitzer des 100.000-Euro-Wagens ihn mit einer Radklaue, einem Stromkreisunterbrecher und einem Lenkradschloss in Form einer abschließbaren Stange gesichert hatte".

Auch Chevrolet Camaro oder der 911er Porsche sind bevorzugte Zielobjekte im Visier der kriminellen Banden. Im Kölner Kriminalkommissariat 73, zuständig für Autodiebstähle, kennt man auch Einzelheiten der kriminellen Logistik: "Oldtimer, deren Wert zwischen 40.000 und 150.000 Euro liegt, gehen nahezu ausschließlich in die Niederlande."

Ganz Deutschland werde auf die Weise unterwandert, unken inzwischen nicht nur Insider, und es scheint viel Wahres dran zu sein. In Köln erzählte ein Polizeibeamter, gebe es kein italienisches Restaurant, das nicht Schutzgeld bezahle. Und in ganz Deutschland existiert wohl kaum eine Großbaustelle, auf der die Mafia nicht mitmischt.

Wirklich stoppen lässt sich die kriminelle Schattenwirtschaft offenbar nicht: Die deutschen Gesetze, so räsonieren italienische Staatsanwälte wie der leitende Oberstaatsanwalt in Palermo, Roberto Scarpatino, reichten nicht aus, um den Machenschaften wirklich und nachhaltig beizukommen. So bleibt Deutschland ein idealer Nährboden für die La Mafia in Germania. Kritiker wie Scarpatino gebrauchen gar das schwärmerische Wort "Schlaraffenland", um zu zeigen, wie einfach Deutschland es den Akteuren und ihren Hintermännern macht.