Länger leben mit der schleimigen Erbkrankheit

Neue Ansätze gegen Mukoviszidose

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Mukoviszidose ist eine der häufigsten genetisch bedingten Krankheiten Mitteleuropas. Die Erkrankung schränkt die Betroffenen nicht nur stark in ihrer Lebensqualität ein, sondern sorgt auch dafür, dass jeder Dritte von ihnen als Kind oder Jugendlicher stirbt. Jetzt startet ein neues EU-Projekt, das zum Ziel hat, die Mukoviszidose gentherapeutisch zu bekämpfen.

Jedes Jahr kommen in der Bundesrepublik rund 300 Kinder mit Mukoviszidose auf die Welt. Fünf Prozent der Bevölkerung, also vier Millionen Menschen, sind gesunde Merkmalsträger der Erbkrankheit. Sie selbst erkranken nicht, können den zugrunde liegenden Gendefekt aber weiter vererben. In Deutschland betrifft diese schwere, bislang nicht substanziell therapierbare Stoffwechselerkrankung ungefähr 8.000 Personen und ihre Angehörigen.

Schema der rezessiven Vererbung der Mukoviszidose, hier mit CF (cystische Fibrose) bezeichnet. (Bild: Schweizerische Gesellschaft für Cystische Fibrose)

Bis vor wenigen Jahren war die Krankheit mit dem schwierig auszusprechenden Namen, die auch zystische Fibrose genannt wird, in der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt. Das änderte sich durch das Engagement Christiane Herzogs, der Frau des ehemaligen Bundespräsidenten, die eine Stiftung gründete, um "möglichst viele Menschen über die tückische Krankheit Mukoviszidose zu informieren und so zur Hilfe für die jungen Betroffenen zu motivieren." (Christiane Herzog Stiftung)

Heute werden Mukoviszidose-Patienten erwachsen

Obwohl die Erbkrankheit bisher nicht direkt behandelt werden kann, haben sich doch die Möglichkeiten, die Symptome zu lindern, in den letzten zwanzig Jahren enorm verbessert. Früher starben an Mukoviszidose Leidende im Kindesalter, heute haben sie gute Chancen, ihre Pubertät zu überleben. 1980 wurde nur einer von Hundert Betroffenen erwachsen, während heute fast 50 Prozent aller Menschen mit Mukoviszidose über 18 Jahre alt sind. Die mittlere Lebenserwartung für diese Patienten liegt in Mitteleuropa bei nur etwa 32 Jahren.

Die unheilbare und tödliche Krankheit beruht auf Mutationen eines Gens, das sich auf dem Chromosom 7 befindet. Der Flüssigkeitshaushalt unserer Zellen wird von Proteinen gesteuert. Verschiedene Mutationen des "cystic fibrosis transmembrane conductance regulator" (CFTR) -- Gens führen zu einem defekten CFTR-Protein. Dieses Eiweiß ist Bestandteil bestimmter Zellen, v.a. der Schleimhäute des Körpers. Der derartig gestörte Flüssigkeitshaushalt hat schreckliche Folgen. Der Gendefekt verursacht die Produktion von dickem, klebrigem Schleim, der die Lunge verklebt, aber auch die Bauchspeicheldrüse verstopft, so dass wichtige Verdauungsenzyme den Darm nicht erreichen können. Das gesamte Verdauungssystem gerät durcheinander.

Am schlimmsten betroffen aber ist die Lunge. Die Mukoviszidose-Patienten erhalten täglich kräftige Schläge auf den Rücken und die Brust, um den Schleim zu lockern, damit er abgehustet werden kann. Der zähe Schleim sammelt sich in den Bronchien und verursacht dort einen Sekretstau, auf dem sich die ständig eingeatmeten Keime prächtig vermehren. Infektionen sind die Folge, das Lungengewebe wird langsam, aber bislang unaufhaltsam zerstört. Lungenprobleme sind die Haupttodesursache von Mukoviszidose-Kranken. Schleimverdünner, Antibiotika und Bewegungstherapien können die Symptome der Betroffenen heute lindern, aber die Erbkrankheit nicht heilen.

Gentherapie

Der Wasser- und Salztransport in den Körperzellen wird durch den Gendefekt gestört. Das entsprechende Protein ist ein Kanal in der Zellmembran, mit dessen Hilfe der Austausch von Chlorid-Ionen zwischen dem Zellinneren und den Hohlräumen der Lunge reguliert wird. Entscheidend in Zusammenhang mit der Mukoviszidose ist allerdings, dass die gestörte Funktion auch zu einer gesteigerten Natrium-Aufnahme aus den Hohlräumen der Lunge in die Zellen führt. Dadurch trocknen die Sekrete der Atemwege aus, und der charakteristische dickflüssige Schleim entsteht.

Jetzt fördert die Europäische Kommission ein Projekt für einen neuen Ansatz zur Gentherapie mit einer Summe von 3,5 Millionen Euro. Insgesamt sind elf Forschergruppen aus sechs europäischen Ländern beteiligt. Unter der Koordination von Joseph Rosenecker von der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) wird drei Jahre lang der therapeutische Nutzen der so genannten RNA-Interferenz-Technologie geprüft.

Ziel dieser Gentherapie, die im Labor bereits erfolgreich getestet wurde, ist es, die Funktion des Natriumkanals zu drosseln, so dass kein zusätzliches Natrium aus den Sekreten der Atemwege in die Zellen transportiert wird. Die RNA Interferenz blockiert den Weg zwischen dem defekten Gen und dem von ihm produzierten Protein, indem ein bei einem Zwischenschritt entstehendes Molekül abgefangen wird.